Learnings zur lokalen Markenführung

Der Konsument von heute ist eine Katze



Thomas Ötinger ist geschäftsführender Gesellschafter der marcapo GmbH, Spezialist für lokale Markenführung und Marketingportale und Mitglied der local branding alliance, sowie auch Initiator des local branding day. Als Diplom-Wirtschaftsinformatiker verantwortet er die Bereiche Marketing und Vertrieb, Einkauf und Beschaffung sowie Projekt- und Produktmanagement. Ötinger berät Handels- und Healthcare-Unternehmen, Versicherungen und Hersteller in allen Belangen der lokalen Markenführung und unterstützt die Vermarktung ihrer Produkte und Services über lokale Absatzpartner. Nach seinem Studium an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg gründete er 1999 die i-masco GmbH, die 2003 zur marcapo GmbH umfirmierte. Der zertifizierte Positionierungs-Professional und NLP-Coach tritt als Referent zu Themen wie lokale Markenführung und Positionierung von Servicemarken auf und hat vier Fachbücher veröffentlicht.
Marken lokal zu führen, ist eine vielschichtige, kleinteilige und darum komplexe Herausforderung - ein paar Tipps von einem Zukunftsforscher, von Google und Expert.

Von ihren individuellen Erfolgsrezepten in puncto "lokale Marken" berichteten die Marketingleiter und Partnerprogramm-Verantwortlichen von Stihl, Expert, Coca-Cola, somfy und e-masters auf dem vierten local branding day, veranstaltet von der local branding alliance. Auch Google und Futurist Sven Göth sprachen über die Chancen und Hürden der lokalen Markenführung. Worauf es dabei ankommt, zeigen folgende Best-Practices und Learnings.

Dietmar Bauer, Marketingleiter bei Expert: "Der Konsument von heute ist eine Katze. Er hat seinen eigenen Kopf."
Dietmar Bauer, Marketingleiter bei Expert: "Der Konsument von heute ist eine Katze. Er hat seinen eigenen Kopf."
Foto: local branding alliance

Als Verbundgruppe, die sich aus rechtlich selbstständigen Unternehmen zusammensetzt, war es für Expert nicht ganz leicht, ihre Fachhändler für lokale Markenführung zu begeistern. Da jeder Fachhändler lokal fest verankert ist und sich seinen regionalen Kunden verpflichtet fühlt, hat er die Hoheit über Sortimente und Preise. "Wir können nur Empfehlungen geben. Der lokale Händler entscheidet selbst", berichtete Dietmar Bauer, Leiter Marketing von Expert. Als er 2015 von der Werbeagentur Ogilvy zu Expert wechselte, wollte Dietmar Bauer die lokale Markenführung professionalisieren. "Unser Ziel war es, nationale Markenstärke und lokales Know-how bestmöglich kombinieren."

Die persönliche Beratung macht den Unterschied

Den lokalen Fachhandel zu motivieren, war für Expert eine große Herausforderung. Als Verbundgruppe, die sich aus rechtlich selbstständigen Unternehmen zusammensetzt, war es nicht ganz leicht, die Fachhändler für lokale Markenführung zu begeistern. Da sie lokal fest verankert sind und sich ihren regionalen Kunden verpflichtet fühlen, haben sie die Hoheit über Sortimente und Preise.

Felix Hentzen Strategic Partner Development Manager bei Google Germany 16zu9
Felix Hentzen Strategic Partner Development Manager bei Google Germany 16zu9
Foto: local branding alliance

Als Marketingleiter Dietmar Bauer 2015 zu Expert wechselte, wollte er die lokale Markenführung professionalisieren. Die Mitarbeiter auf der Fläche vom neuen Konzept zu überzeugen, war erfolgsentscheidend. "Unser USP ist die persönliche Beratung", erklärte der Marketingleiter. Kunden seien keine Hunde, die man rufe und die dann bereitwillig kämen. " berichtete Dietmar Bauer. Darum fußt die lokale Markenführung auf drei Säulen: Aufmerksamkeit (Kunden emotional ansprechen), Akzeptanz (Hürden durch Angebote wie Bestpreisgarantien abbauen) und Aktivierung (den Kauf durch konkrete Angebote auslösen).

Fokus auf lokales Online-Marketing

Nach wie vor fließt das meiste Budget in Print-Beilagen. "Unsere Beileger haben eine wöchentliche Auflage von 15 Millionen. Damit kennen wir uns seit Jahrzehnten aus", sagte Dietmar Bauer. Dennoch sei lokales Online-Marketing immer wichtiger. Weil sich kaum Fachhändler damit auskennen, unterstützt Expert sie bei der Maßnahmenumsetzung. Sie können zentrale Kampagnen für ihren lokalen Markt bedarfsgerecht anpassen und so ihr regionales Sortiment zu marktüblichen Preisen bewerben.

Felix Hentzen, Strategic Partner Development Manager bei Google Germany: "Marken müssen ihre Kunden dort erreichen, wo sie sind: im lokalen Markt."
Felix Hentzen, Strategic Partner Development Manager bei Google Germany: "Marken müssen ihre Kunden dort erreichen, wo sie sind: im lokalen Markt."
Foto: local branding alliance

"Der Fachhändler vor Ort weiß am besten, was seine Kunden wollen - und was nicht", ergänzte der Marketingprofi. Auch wenn Händler einen eigenen Online-Shop über die Expert-Plattform betreiben können, haben alle Maßnahmen ein Ziel: Den Kunden in den stationären Laden zu lotsen.

Verbindung von On- und Offline

Wie wichtig der stationäre Handel ist, unterstrich auch Felix Hentzen, Strategic Partner Development Manager bei Google Germany. Google will die Lücke zwischen Online und Offline schließen. "Für uns gibt es nur Omnichannel", erklärte Felix Hentzen. Nutzer schauen rund 150 Mal am Tag auf ihr Smartphone. Da gilt es, sie im richtigen Moment zu erreichen. Das sei gar nicht so schwer. Schließlich hinterlassen User messbare Signale, die Unternehmen auswerten sollten, um Werbung zielgerichtet ausspielen und Kaufentscheidungen durch Gutscheine oder ähnliches beeinflussen zu können.

Zukunftsforscher Sven Göth: "Anstatt Netflix frühzeitig ein Übernahme-Angebot zu machen, hat die Hollywood-Filmindustrie in stationäre Videotheken investiert."
Zukunftsforscher Sven Göth: "Anstatt Netflix frühzeitig ein Übernahme-Angebot zu machen, hat die Hollywood-Filmindustrie in stationäre Videotheken investiert."
Foto: local branding alliance

Zudem zeigte Felix Hentzen, was in Sachen Omnichannel heute schon möglich ist: Unternehmen können messen, wie viele User Kontakt zu einem Google-Produkt, wie etwa einem Eintrag in Google My Business oder YouTube-Video, haben und daraufhin einen stationären Laden besuchen. "Marken müssen ihre Kunden dort erreichen, wo sie sind: im lokalen Markt", sagte Felix Hentzen.

Neu denken und Veränderung wagen

Wie es gelingt, lokale Partner zu aktivieren, haben Michael Liehr, Leiter Marketing Deutschland von Stihl, Andreas Schnell, Leiter Partnerprogramme bei somfy, und Jens Gorr, Geschäftsführer von e-masters, gezeigt. Für erfolgreiche Partnerprogramme sind die Fachhändler von Beginn an mitzunehmen und langfristig zu begeistern. Dass auch eine Weltmarke wie Coca-Cola auf lokale Partnerschaften setzt, erläuterte Nicole Adler von Coca-Cola European Partners.

Lesetipp: Drohnen im Einsatz :))

Bewährte Geschäftsmodelle zu transformieren, dafür plädierte Futurist Sven Göth. Nur wenn Marken die technologischen Möglichkeiten ausschöpfen, können sie sich zukunftssicher aufstellen. Beispiele wie der rasante Aufstieg von Netflix zeigen, dass auch Marktführer den Anschluss verlieren, wenn sie ihr Geschäftsmodell nicht disruptiv transformieren.

Anstatt Netflix frühzeitig ein Übernahme-Angebot zu machen, hat die Hollywood-Filmindustrie in stationäre Videotheken investiert. Sich mit Technologien wie Künstliche Intelligenz oder der Hololens auseinanderzusetzen und zu akzeptieren, dass die Entwicklung nie mehr wieder so langsam wie heute(!) fortschreiten wird, sei erfolgsentscheidend.

Lesetipp: Wie man selbst zur Marke wird

Vor diesem Hintergrund müssen Marken mit ihren Kunden vernetzt sein und ihnen individuelle Angebote in Echtzeit unterbreiten. Sprachassistenten werden zukünftig Waren selbstständig online bestellen. Dem Kunden ist egal, wo sie das tun - Hauptsache, sie erhalten die Bestellung schnell und zu einem guten Preis. Schon heute können Bots nach einer passenden Versicherung suchen und sie direkt abschließen.

Die Perspektive wechseln

Was ist zu tun? Marken sollten sich auf alte Werte besinnen. "Physische Nähe wird zum entscheidenden USP", sagte Sven Göth. Menschliche Beziehungen seien enorm wichtig. "Nur wenn die Mitarbeiter eine Marke leben, können sie erstklassigen Service bieten. Der Point-of-Sale wird zum Point-of-Service", führte der Futurist weiter aus. Unternehmenserfolg wird zukünftig davon abhängen, ob Unternehmen transparent handeln und kommunizieren, um das Vertrauen ihrer Kunden zu gewinnen - und damit ihre Daten freiwillig zu erhalten. "Die Zukunft ist eine Frage der Perspektive", schloss Sven Göth. "Es ist Zeit, einen neuen Blickwinkel einzunehmen."

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