Der Marketing-Promoter führt aus der Misere

03.07.1997
MÜNCHEN: Daß Marketing seit Jahren zu den Sorgenkindern des IT-Handels gehört, ist Insidern hinlänglich bekannt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Margen- und Ertragssituation eigentlich ein absurder Zustand, speziell wenn man Begriffe wie Markterschließung, Kundenorientierung, Kundenbindung und Differenzierung erwähnt. Alle wissen es und nur wenige tun es! Warum ist das so? Warum macht Marketing vielen Händlern solche Schwierigkeiten? Und was kann außer Jammern und Klagen konkret getan werden? Welche praktischen Lösungsansätze gibt es?Ulrich Salz* beantwortet diese Fragestellungen. Seine Sicht als "betroffener" Partner gibt dem nachstehenden Beitrag eine besondere Authentizität.

MÜNCHEN: Daß Marketing seit Jahren zu den Sorgenkindern des IT-Handels gehört, ist Insidern hinlänglich bekannt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Margen- und Ertragssituation eigentlich ein absurder Zustand, speziell wenn man Begriffe wie Markterschließung, Kundenorientierung, Kundenbindung und Differenzierung erwähnt. Alle wissen es und nur wenige tun es! Warum ist das so? Warum macht Marketing vielen Händlern solche Schwierigkeiten? Und was kann außer Jammern und Klagen konkret getan werden? Welche praktischen Lösungsansätze gibt es?Ulrich Salz* beantwortet diese Fragestellungen. Seine Sicht als "betroffener" Partner gibt dem nachstehenden Beitrag eine besondere Authentizität.

Würde man eine Rangordnung der härtesten Märkte der Gegenwart definieren, so könnte man dem Computer- und Softwaremarkt bedenkenlos die Spitzenposition einräumen. In der Tat: Wie hier oft wider jeder wirtschaftlichen Vernunft gefightet wird, hat in der gesamten Wirtschaft nur wenige Parallelen. Marketing-Kerninstrument bildet dabei zuallererst eine "aggressive Preispolitik", was sich bekanntlich in einer äußerst schmalen Rohertrags- und Renditesituation niederschlägt. Zu viele und vor allem ähnliche Produkte, zu viele Anbieter und zu viele Händler mit "Me-too"-Konzepten sind die Ursache der allenthalben zu beobachtenden Nivellierung. Was in einem solch klassischen Käufermarkt not tut, ist Marketing und nochmals Marketing, wenn man eine sichtbare Differenzierung erreichen will. Marktreserven ausschöpfen, neue Märkte erschließen, Kunden an sich binden und mit ihnen wachsen - wie soll das ohne Marketing funktionieren?

Zwischen Wollen und Können

Natürlich, kein Partner hält Marketing heute für überflüssig, wie es vor einigen Jahren noch der Fall war ("Wir brauchen kein Marketing, wir brauchen mehr Verkäufer"). Für viele von uns stellt Marketing inzwischen ein unverzichtbares, strategisches Instrument dar.

Diese geänderte Einstellung schlägt sich auch in den Ergebnissen einer aktuellen Marktstudie nieder, bei der 250 IT-Partner von der Unternehmensberatung PMI in Kempten neben anderen Themen zu ihrem Marketing-Status befragt wurden. Das Ergebnis ließ zunächst Freude aufkommen, denn das sah alles besser aus, als man es aus persönlicher Erfahrung prognostiziert hatte. So gaben über 60 Prozent der Befragten zu Protokoll, daß sie ein systematisches Marketing betreiben würden und über 50 Prozent glänzten mit einem jährlichen Marketingplan.

Wer aber täglich und seit Jahren als Partner vor Ort tätig ist und die reale Situation aus leidvoller persönlicher Erfahrung kennt, steht dieser Einschätzung freilich mit einiger Skepsis gegenüber. Zu recht, denn spätere Stichproben bei der erwähnten Befragung ergaben, daß zahlreiche Händler dabei wohl ihre Vision und weniger die Realität im Focus hatten. Die Wirklichkeit sieht nämlich wesentlich trister aus: Nach Einschätzung von PMI wird ein systematisches Marketing erst von zirka 20 Prozent des IT-Fachhandels betrieben, die als Elite bezeichnen werden können. Bei weiteren 30 Prozent sind hoffnungsvolle Marketingansätze zu registrieren, wobei Systematik und Kontinuität immer wieder verloren gehen. Zu diesem Drittel zählen auch wir uns, was uns zu entsprechenden Optimierungsmaßnahmen veranlaßt hat.

Beim Rest, immerhin die Hälfte aller Fachhandelsunternehmen, beschränkt sich Marketing auf sporadische Ad-hoc-Aktivitäten ohne jede Planung und Erfolgskontrolle nach dem olympischen Prinzip "dabei sein ist alles".

Die unmittelbaren Folgen sind klar: Keine systematische Nachbearbeitung, keine aktuelle Kundendatei, schlecht vorbereitete Hausveranstaltungen, keine Kundenentwicklungs-Programme, keine kontinuierliche Image- und Kundenpflege, kein Marketingplan usw..

Wenn es also nicht an der Einstellung liegt, an was liegt es dann? Warum wird in manchen Unternehmen ein hervorragendes Marketing betrieben, in anderen nur eine zufallsorientierte Marketing-Lotterie? Liegt es vielleicht nur an der finanziellen Ausstattung ? Oder liegt es vielleicht an uns, den Chefs?

Die Antwort ist einfacher als man glaubt: Das Kernproblem ist nicht das Wollen, sondern die konkrete, tägliche Umsetzung. Gewiß, die positive Einstellung der Geschäftsleitung, ausreichende Budgetmittel usw. - das alles sind wichtige Faktoren für den Marketing-Erfolg. Das entscheidende ist jedoch die Personifizierung. An ihr scheitert in den meisten Fällen die systematische und dauerhafte Umsetzung. Wir haben jedenfalls die Erfahrung gemacht, daß Marketing im IT- Fachhandel nur funktioniert, wenn ein/e Mitarbeiter/in mit dieser Aufgabe betraut wird und sich damit mit Haut und Haaren identifiziert. Natürlich muß er/sie die Chance haben, Aktionen durchführen und umsetzen zu können. Daß die Geschäftsleitung die Ziele vorgibt, daß die einzelnen Pläne und Maßnahmen mit ihr abgesprochen werden, ändert nichts daran, daß hier delegiert werden muß. Denn kein Unternehmer hat im Regelfall die Zeit, sich mit den zahlreichen Marketingdetails auseinanderzusetzen. Die Zielsetzung für uns konnte nur sein, eigene Marketingkompetenz aufzubauen und sich nicht nur auf Hersteller und Distributoren zu verlassen.

Lösungsansatz Marketing-Promoter

Woher nimmt man die Marketing-Kompetenz? Wie erwirbt man sich das notwendige Know-how? Einen Marketing-Spezialisten einkaufen? Dieser Ansatz kam für uns aus mehreren Gründen nicht in Frage: Fertige Leute kennen die spezifischen Probleme der IT-Branche nicht und sind meist viel zu teuer. Also mußten wir Marketing von innen heraus aufbauen. Dabei kam uns der Zufall zu Hilfe, da unser PC-Lieferant, die Firma Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG in Paderborn, ihren Partnern ein spezielles Marketing-Programm offerierte, das unseren Zielsetzungen sehr entgegenkam.

Das SNI-Programm bietet Partnern die Möglichkeit, eine(n) Mitarbeiter(in) im Rahmen eines mehrstufigen Trainings zum Marketing-Promotor auszubilden. Aufgabe des Marketing-Promotors soll es sein, sämtliche Marketingfunktionen zu steuern, die Geschäftsleitung zu entlasten, den Vertrieb zu unterstützen und so ein systematisches Marketing aufzubauen. Mit der Durchführung der Marketing-Promotoren-Ausbildung hat die SNI mit Unternehmensberater Gerhard J. Pleil von PMI einen erfahrenen Profi der Branche engagiert, was unsere Entscheidung positiv beeinflußte. Denn keiner von uns kann es sich leisten, Zeit und Geld für praxisfremde Inhalte zu vergeuden.

Den Einstieg bildet ein zweitägiges Basisseminar, in dem die notwendigen Marketing-Grundlagen nahe gebracht werden. Daran schließen sich im monatlichen Abstand vier ebenfalls zweitägige Spezialseminare an, die Detailwissen zu den Komplexen Direktmarketing, Telefonmarketing, Veranstaltungen und Messen sowie PR für Partner vermitteln. Dazwischen erfolgt die praktische Umsetzung der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten. Den Abschluß bilden ein Audit und ein Zertifikat als Leistungs- und Qualifikations-Nachweis.

Wenig Theorie, dafür ein Höchstmaß an Praxis, komprimierte Wissensvermittlung mit praktischen Übungen und Gruppenarbeiten, schnelle und direkte Umsetzung - das war unsere Erwartungshaltung, die vom SNI-Projektleiter, Wolfhard Schiroky, nachdrücklich unterstützt wurde. Um einen persönlichen Eindruck zu gewinnen, habe ich mich dann trotz Terminproblemen entschlossen, an dieser Trainingsreihe selbst teilzunehmen. Ein weiterer Grund: Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopfe her. Wenn der Chef nicht die richtige Marketingeinstellung mitbringt, hat es der Marketing-Promotor schwer. Die Seminarreihe ist kostenpflichtig, wird von der SNI jedoch im Rahmen des Werbekostenzuschusses (WKZ) gefördert. Chefs sollten auf jeden Fall die Eingangsveranstaltung zum Seminar besuchen, damit sie den Marketing-Stellenwert erkennen.

Top oder Flop?

Nach Teilnahme am Basisseminar und an den beiden ersten Spezialtrainings kann ich jetzt schon sagen, daß sich die Investition für uns gelohnt hat. Konkret heißt das, daß wir aus jedem Seminar sofort praktischen Nutzen ziehen konnten. Aus den Inhalten des Basisseminars haben wir zum Beispiel sofort eine Marketingplanung aufgebaut und eine Kundenbefragung gestartet, die uns wichtige Hinweise über die Einschätzung unserer Kunden und deren Zufriedenheit gebracht hat. Ein weiteres Beispiel ist die unmittelbare Nutzung der im Spezialseminar "Direktmarketing" vermittelten Grundlagen für Direct Mailings, die mir die konsequente Akquisition für die CeBIT '97 erleichterten.

Insgesamt also eine erfreuliche Erfahrung, zumal wir und alle Kollegen der IT-Branche schon manchen Flop erlebt haben. Mit dem Marketing-Promotoren-Programm hat die SNI insgesamt einen sehr guten Job gemacht, wobei die Kompetenz des Referenten den entscheidenden Faktor darstellt. Daß es sich dabei nicht nur um eine subjektive Einschätzung handelt, geht auch aus den Meinungen anderer Seminar-Teilnehmer hervor, die mehrheitlich dem "schwachen" Geschlecht angehören (Chefs und Männer stellen hier eine tolerierte Minderheit dar). Roswitha Haid von der Firma Raber & Märcker in Stuttgart: "Die Teilnahme war keine leichte Entscheidung, weil damit doch einige Zeit und Mühe verbunden ist. Aber es hat sich gelohnt - nicht nur als Standortbestimmung, sondern auch durch die direkte Nutzung praxisnaher Empfehlungen. Sehr gut gefallen haben mir auch die praktischen Übungen und Gruppenarbeiten." Eine ähnliche Bewertung nimmt auch Jana Bartel von der Firma Schumm in Mainz vor: "Ich hatte bisher mit Marketing noch nichts zu tun. Durch die erworbenen Kenntnisse konnte ich bereits die ersten Marketing-Aktionen durchführen. Das war auch für meinen Chef wichtig."

Empfehlung verdient

Als Händler steht man immer wieder vor der Frage, zu welchen Seminaren man selbst geht oder Mitarbeiter schickt. Auf dem Papier machen die Seminarangebote häufig einen guten Eindruck. Wenn man dort war, ist man schlauer und häufig enttäuscht, weil die Verpackung besser als der Inhalt war.

Was die SNI -Ausbildung zum Marketing-Promotor betrifft, so läßt sich hier auch nach kritischer Distanz nur das Prädikat "empfehlenswert" aussprechen. Daß sich die SNI dabei nicht mit einem 08/15-Marketing-Seminar zufrieden gegeben hat, sondern eine komprimierte Seminarreihe mit aktiver Selbstbeteiligung geschaffen hat, kann nur nachhaltig begrüßt werden. Solche Unterstützungsprogramme braucht der Handel und keine esoterischen Schicki-Micki-Veranstaltungen.

* Ulrich Salz ist Geschäftsführer der Firma Stoppek & Salz GbR in Hamm.

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