Der Markt für elektronische Zeiterfassung wartet auf den qualifizierten Händler

16.08.1996
MÜNCHEN: Sie werden immer noch verkauft - die Stempeluhren, mit denen schon Großvaters Kommen und Gehen überwacht wurde. Die Computertechnik bietet modernere Lösungen, und der Markt ist noch lange nicht gesättigt. Im Gegenteil: Die aktuelle Diskussion um flexible Arbeitszeitmodelle macht elektronische Arbeitszeiterfassung auch für die Unternehmen interessant, die bisher durch das grobe Raster des Direktvertriebs gefallen sind.Bis zu 15.000 Stempeluhren werden in Deutschland noch immer Jahr für Jahr verkauft. Die Vorteile der mechanischen Dinosaurier liegen auf der Hand: Sie sind einfach zu bedienen, jeder Mitarbeiter kann nachvollziehen, was erfaßt wird, und auch gleitende, unregelmäßige oder Schichtarbeitszeiten lassen sich leicht festhalten. Größeren Unternehmen reicht dies aber schon seit Jahren nicht mehr:

MÜNCHEN: Sie werden immer noch verkauft - die Stempeluhren, mit denen schon Großvaters Kommen und Gehen überwacht wurde. Die Computertechnik bietet modernere Lösungen, und der Markt ist noch lange nicht gesättigt. Im Gegenteil: Die aktuelle Diskussion um flexible Arbeitszeitmodelle macht elektronische Arbeitszeiterfassung auch für die Unternehmen interessant, die bisher durch das grobe Raster des Direktvertriebs gefallen sind.Bis zu 15.000 Stempeluhren werden in Deutschland noch immer Jahr für Jahr verkauft. Die Vorteile der mechanischen Dinosaurier liegen auf der Hand: Sie sind einfach zu bedienen, jeder Mitarbeiter kann nachvollziehen, was erfaßt wird, und auch gleitende, unregelmäßige oder Schichtarbeitszeiten lassen sich leicht festhalten. Größeren Unternehmen reicht dies aber schon seit Jahren nicht mehr:

Die bedruckte Stempelkarte muß für die Lohn- und Gehaltsabrechnung manuell übertragen werden. Bei Hunderten von Mitarbeitern mit den unterschiedlichsten Wochenend-, Feiertags- und Nachtzuschlägen, Urlaubs- und Fehlzeiten wird's dann schnell kompliziert bis chaotisch. Die Lösung: die Stempeluhr kann selber rechnen und liefert der EDV-gestützten Personalwirtschaft automatisch die fertigen Daten. Solche elektronischen Arbeitszeiterfassungssysteme werden seit Ende der siebziger Jahre angeboten.

Wirtschaftskrise führt zu Nachfrageschub

Betriebe mit mehr als 250 Mitarbeitern setzen bereits zu über 90 Prozent elektronische Zeiterfassungssysteme ein. Diese Zielgruppe ist es auch, die von Marktführern wie Interflex, Hengstler und Bosch Telecom bisher in erster Linie bedient wurde, und das fast ausschließlich im Direktvertrieb. Kleinere Unternehmen wurden vernachlässigt. Schließlich war mit den Großkunden jahrelang genug Geld zu verdienen. Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen geändert: Zum einen sind die Systeme trotz größerem Leistungsumfang billiger geworden. Zum anderen suchen in der seit Jahren kriselnden Wirtschaft immer mehr Unternehmen nach Wegen, Personalkosten einzusparen. "Arbeitszeitflexibilisierung" heißt das Zauberwort. Dabei werden immer kompliziertere Modelle wie Jahres- oder Lebensarbeitszeitkonten diskutiert, die auch kleinere Betriebe ohne elektronische Zeiterfassung nicht mehr bewältigen können.

Um Entlassungen zu vermeiden, geben sich auch die Betriebsräte kooperativer als in früheren Jahren, in denen elektronische Zeiterfassung meist als Versuch der Arbeitgeber, den gläsernen Beschäftigten zu schaffen, mißtrauisch beäugt wurde.

Bisher fast nur Direktvertrieb

Nach Angaben diverser Anbieter verdoppelte sich auf der CeBIT '96 die Zahl der Interessenten an der Zeiterfassung gegenüber dem Vorjahr. Immerhin verfügen in Deutschland eine Million Betriebe mit fünf oder mehr Beschäftigten über gar kein oder ein veraltetes Zeiterfassungssystem. Das Wachstum des Marktes wird von den Unternehmen mit fünf bis sieben oder 15 Prozent angegeben, je nachdem welchen Vertriebsweg die Quelle benutzt.

Die Bosch Telecom GmbH zum Beispiel will am Direktvertrieb festhalten und setzt die Wachstumsrate niedriger an. Horst Günter Emmerich, Leiter des Produkt-Marketings, traut dem indirekten Vertrieb nicht viel zu: "Die Materie ist einfach zu komplex, Plug and Play funktioniert da nicht. Ich sehe einfach keinen qualifizierten Fachhandel, der das bewältigen könnte. Neben den technischen Kenntnissen ist ja auch Knowhow im Bereich Zeitwirtschaft, Arbeitsrecht und Tarifrecht erforderlich." Ähnlich äußert man sich auch bei Interflex und Hengstler: "Kleinere Kunden sind zu beratungsintensiv. Deshalb wurden sie bisher von den Großen vernachlässigt", gesteht Dieter Schworm, Vertriebsleiter bei Hengstler. Auf Händler greift man bei dem schwäbischen Unternehmen nur für das einfache, angeblich sich selbst erklärende Einplatz-PC-System "Alpha 3000" zurück, mit dem gut 15 Prozent des Umsatzes erzielt werden.

Manfred Tigges, Geschäftsführer der Gantner Electronic GmbH Deutschland, glaubt dagegen an den indirekten Vertrieb. Dutzende verschiedene Tarifgebiete und Branchen, Überstunden- und Zuschlagsarten: kein Problem für Fachhändler und Systemhäuser: "Die Marktführer zeichnen von sich selber gerne das Bild einer eierlegenden Wollmilchsau, um die bisherigen Vertriebsstrukturen zu rechtfertigen. Aber das ist Unsinn. Natürlich lassen sich Vertriebspartner schulen".

Mit 75 bis 100 Partnern will Gantner in erster Linie kleinere und mittlere Unternehmen angehen.

An Bord sind bisher 36 kleinere Systemhäuser, mit weiteren 24 wird verhandelt. Das österreichische Unternehmen hat seine deutsche Dependance erst im Januar eröffnet. Im ersten Jahr strebt Tigges einen Umsatz von zwei Millionen Mark an. Seinen Partnern verspricht Tigges eine Marge von stattlichen 25 bis 50 Prozent: "Der Markt für betriebliche Datenerfassung ist nicht durch solche Preisgefechte gekennzeichnet wie andere Bereiche. Außerdem ist Zeiterfassung ein beratungsintensives Produkt. Hier läßt sich sehr gut Schulung mitverkaufen."

Die finanzielle Einstiegshürde für Gantner-Partner liegt nicht sehr hoch: 4.500 Mark für eine Demo-Version und Software, ein Grundseminar und eine Software-Schulung. In erster Linie fordert Gantner von seinen Partnern aber "Learning by doing". Tigges: "Im ersten Jahr begleiten wir unseren Partner komplett von der Akquise bis zum Verkauf." Gantner stellt selber nur die Hardwarelemente her; im Gegensatz zu den Branchengroßen, die ausschließlich Komplettlösungen vertreiben. Zwar vertreibt und empfiehlt Gantner Zeiterfassungssoftware anderer Hersteller, jedoch können sich die Partner die Software frei auswählen. "Unsere Produkte sind reine Peripherie", so Tigges. "Die reine Zeiterfassung ist recht simpel. Was darüber hinaus geht, da können sich die Partner vor Ort weitere Partner suchen, zum Beispiel auch für die notwendigen Schnittstellen zu KHK oder SAP, die ja unterschiedlich kompliziert sind." Was die Wirtschaftlichkeit moderner Zeiterfassung gegenüber den alten Stempeluhren angeht, macht Gantner eine einfache Rechnung auf: Ein System kostet für einen Betrieb mit 100 Mitarbeitern inklusive Hardware, Software und Schulung zirka 10.000 Mark. Die Kosten einer Arbeitskraft für die Bearbeitung der Daten sinken - da das manuelle Erfassen der Daten auf der Stempelkarte entfällt - von 2.000 auf 200 Mark pro Monat. Laut Gantner macht sich die Investition also innerhalb von sieben Monaten bezahlt.

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