Der Microsoft-Prozeß: Wenn zwei sich streiten...

12.02.1999
MÜNCHEN: Der Richterspruch, Microsoft sei Monopolist und verhindere den Wettbewerb, half vielen US-Soft- und Hardwareaktien kräftig auf die Sprünge. Jetzt sind die Kurse überreizt.

Die Kursrallye funktionierte nach dem Muster: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Microsoft und das Gericht werden sich noch einige Zeit beharken. Der Dritte ist in diesem Fall eine Phalanx von hochkarätigen Konkurrenten wie AOL, Apple, Oracle und vor allem Sun Microsystems sowie eine ganze Schar kleinerer Linux-Softwareanbieter mit Red Hat an der Spitze und Applix, Caldera Systems, Linux Care, Turbo Linux oder Unify im Gefolge. Dazu gehören auch die im Settop-Box-Bereich tätigen Liberate Technologies sowie Realnetworks (Software Audio/Video). Red-Hat-Chef Bob Young sprach für die Linux-Gemeinde: "Wir fühlen uns ermutigt." Sun Microsystems’ Vizepräsident Mike Morris begrüßte "den Schritt zu freierem Wettbewerb".

KURSZIELE SCHON JETZT ERREICHT

Sicher wird Microsoft nicht mehr wie früher mit 50prozentigen jährlichen Zuwachsraten bei Umsatz und Ertrag aufwarten können. Dazu ist schon die Ausgangsbasis zu hoch. Für nächstes Jahr rechnen die professionellen Wall-Street-Propheten nur mit 10 bis 15 Prozent besseren Ergebnissen. Aber auch die Konkurrenz in Gestalt von Apple, Oracle und Sun kommt über 20 bis 25 Prozent Plus pro Jahr nicht hinaus. AOL wächst stärker - die Ertragslage könnte jedoch besser sein.

Linux ist wie Microsofts Windows ein Computerbetriebssystem, dem eine große Zukunft vorhergesagt wird. Die Linux-Verkäufe beliefen sich im vergangenen Jahr aber gerade mal auf 38 Millionen Dollar, ohne die kostenpflichtigen Serviceleistungen. Die Erfassungsmethode läßt jedoch allerlei Spielraum. Das sogenannte Open-Source-Betriebssystem Linux gibt es seit 1991. Andererseits kamen die Unix-basierten Softwareumsätze, die eigentliche Microsoft-Konkurrenz, auf 2,5 Milliarden Dollar. Red Hat erzielte mit Linux im vergangenen Geschäftsjahr gerade mal elf Millionen Dollar Umsatz. Die kürzliche Kaufempfehlung des US-Brokers Hambrecht & Quist legt Wert auf die Kooperation mit Computergrößen wie Compaq, Dell oder Siemens. Trotzdem wird es dauern, bis sich Linux wie erwartet etabliert. Das Unternehmen müßte jedoch auf eine halbe Milliarde Dollar Jahresumsatz kommen, um die derzeitige Börsenbewertung (Kurs 110-115 Dollar) von 5,5 bis 6 Milliarden Dollar zu rechtfertigen. Aber phantastische Bewertungen junger High-Tech-Companies sind heute an der Tagesordnung, wie vor allem viele Internet-Titel belegen. Woher diese Ergebnisse jedoch kommen sollen, erscheint angesichts der mächtigen Konkurrenz unklar.

Kurzfristig erscheinen die Kurse der Konkurrenz ausgereizt. Binnen Jahresfrist haben Apple, Oracle und Sun 300 bis 500 Prozent zugelegt. Sun kommt seit 1995 sogar auf ein Plus von 3.700 Prozent. Die Börsenpreise sind dem Ertragswachstum weit vorausgeeilt und haben jetzt schon die erst kürzlich für 2001 anvisierten Kursziele erreicht. Erst auf 20 bis 30 Prozent niedrigerem Niveau sind die Papiere wieder kaufenswert.

Die Microsoft-Aktien werden trotz der Probleme zum Kauf empfohlen. Ob die mit derzeit 35 Prozent äußerst üppigen Gewinnmargen Bestand haben, erscheint aber sehr fraglich. Die Aktivitäten in den Bereichen Internet und TV-Settop-Boxen werden von den Wall-Street-Experten unter Hinweis auf die gewichtige Microsoft-Präsenz in allen neuen Märkten der Nach-PC-Ära ausdrücklich gelobt. Ausgesprochen gut kommt auch die Beteiligungsstrategie weg (AT&T, Nextel). "Der enorme Reichtum", meinen die Aktienspezialisten unisono, "läßt Microsoft jeden Weg offen." Vorläufig werden die Papiere aber nichts oder nicht viel bringen, was nach dem zehnjährigen strammen Anstieg um 16.560 Prozent (von 0,60 auf 100, derzeit 90 Dollar) nicht verwundert. (kk)

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