Der Push zum Kunden

07.11.1997
MÜNCHEN: Broadcast-Technologien sind nicht nur der letzte Schrei im World Wide Web, sie sind auch ein neuer Vertriebsweg zum Kunden. Doch diese Distribution muß nicht am Handel vorbeigehen. Im Gegenteil: Es entstehen neue, komplizierte Produkte, deren Mehrwert dem Kunden erst einmal näher gebracht werden muß.Die Internetgemeinde sieht sich derzeit mit einem Umbruch konfrontiert. Das Netz wuchert unkontrollierbar. Mehr als 400 Anmeldungen neuer Sites täglich erhält beispielsweise der deutsche Netzindex Web.de. Wer soll da noch den Überblick behalten? Wie sollen die potentiellen Kunden auf die Websites aufmerksam werden? Nehmen sich die Surfer überhaupt noch die Zeit, nach neuen Angeboten zu fahnden oder werden sie von aufwendigen Werbemaßnahmen bereits kurz nach dem Onlinegehen abgefangen?

MÜNCHEN: Broadcast-Technologien sind nicht nur der letzte Schrei im World Wide Web, sie sind auch ein neuer Vertriebsweg zum Kunden. Doch diese Distribution muß nicht am Handel vorbeigehen. Im Gegenteil: Es entstehen neue, komplizierte Produkte, deren Mehrwert dem Kunden erst einmal näher gebracht werden muß.Die Internetgemeinde sieht sich derzeit mit einem Umbruch konfrontiert. Das Netz wuchert unkontrollierbar. Mehr als 400 Anmeldungen neuer Sites täglich erhält beispielsweise der deutsche Netzindex Web.de. Wer soll da noch den Überblick behalten? Wie sollen die potentiellen Kunden auf die Websites aufmerksam werden? Nehmen sich die Surfer überhaupt noch die Zeit, nach neuen Angeboten zu fahnden oder werden sie von aufwendigen Werbemaßnahmen bereits kurz nach dem Onlinegehen abgefangen?

Das Paradigma, daß der User nach Informationen sucht, die ihn interessieren, gilt zwar unvermindert weiter, doch in den meisten Fällen kippen die kleinen Websites aus den Ranglisten, weil sie sich eben die angesprochenen Werbemaßnahmen nicht leisten können. Jetzt taucht ein neues Paradigma am virtuellen Himmel auf: Broadcast-Technologien. Die Information sucht den Rezipienten und nicht umgekehrt. Statt darauf zu warten, bis ein User auf der Website vorbeischaut, um Informationen oder Software abzugreifen, gehen die meisten amerikanischen Anbieter zur Zeit in die Offensive. Sie tragen sich in ein Register ein, aus dem der Benutzer die für ihn nützlichen Informationen abonniert. Diese Informationen werden ihm dann ohne eigenes Zutun und auf Wunsch auch zu kostensparenden Nachtzeiten zugeschickt.

Software statt News

Das ganze läuft unter dem Namen Push-Technologien ab. Die bekanntesten Vertreter dieser neuen Branche heißen Pointcast und Marimba. Pointcast wurde dadurch bekannt, daß die Firma der erste Push-Anbieter überhaupt war und bis heute noch das nutzenorientierteste Angebot liefert. Es handelt sich bei diesem Produkt um eine Art Bildschirmschoner, der regelmäßig ins Web abdüst, um die neuesten Nachrichten, Wetterinformationen, Börsenkurse oder Sportergebnisse abzufragen. Sobald der Benutzer die Hände von den Tasten nimmt, wird der Bildschirmschoner aktiv und zeigt diese News in ansprechender Form auf dem Bildschirm.

Marimba machte durch zweierlei Umstände auf sich aufmerksam: Zum einen geisterte die Marimba-Chefin Kim Polese in Deutschland durch die Gazetten und traf die Deutschen an ihrem wundesten Punkt, der Geldbörse: "Deutschland ist das ideale Land für Push-Technologien, weil die Telekomtarife so teuer sind." Mit Push kann der User Online-Informationen auch zu Zeiten abrufen, zu denen die Abkassierer von Ron Sommer ihre Häupter niedergelegt haben.

Der zweite wichtige Aspekt bei Marimba ist die Basistechnologie des Systems. Diese heißt Java. Das verwundert kaum, wenn man weiß, daß Marimba als Unternehmen aus einer Abspaltung der Java-Company Sun hervorgegangen ist. Spätestens hier müssen aufmerksame Leser aufhorchen: Java ist eine Programmiersprache. Somit sind Push-Technologien nicht nur dazu in der Lage, banale Textinformationen zum Leser zu schieben. Auch Programme und Programmteile lassen sich auf diesem Weg an den Mann bringen.

Von der Box zum Software-Abo

In der Tat überträgt Marimba beziehungsweis deren Push-Plattform Castanet gerne kleine Programme etwa zum "Schiffe versenken" oder "Minen suchen". Das Flaggschiff derzeit ist freilich Corels Office for Java. Es handelt sich hierbei um eine Büro-Software, die ausschließlich in Java geschrieben wurde. Sie besteht aus einzelnen Bauteilen, die nur bei Bedarf aus dem Netz nachgeladen werden. Corel will damit dem Trend zur überfrachteten, speicherintensiven Office-Anwendung entgegenwirken.

Viel mehr ist aber heute noch nicht dahinter. Auch bei Pointcast ist hinsichtlich Software-Verteilung nicht viel los. Ganz anders dagegen beim Konkurrenten Back Web. Die vom israelischen Softwarehaus BRM abgespaltene Tochter entwickelte zusammen mit McAfee, einem der bedeutendsten Hersteller von Virenscannern, das Konzept eines Software-Abos. Hierbei geht es nicht mehr darum, eine einzelne Schachtel beim Händler zu erwerben, die dann zusehends veraltet, sondern um ein System, das dem User garantiert, daß er ständig die neuesten Virenprofile auf seinem Rechner hat. Schließlich geht es um die Sicherheit seiner Daten.

Zur Vorgeschichte: Virenprofile eignen sich bestens für den Vertrieb via Internet. Zum einen verändern sie sich fast täglich, je nachdem wie viele neue Viren entdeckt werden. Somit gibt es ständigen Updatebedarf. Die herkömmlichen viertel- oder halbjährlichen Rhythmen anderer Software machen hier keinen Sinn. Zweitens lassen sich diese Profile bestens durch das Netz verteilen, denn es handelt sich hierbei um kleine Datenpäckchen. Darum verwundert nicht, daß alle namhaften Hersteller von Virenerkennungssoftware die Downloadmöglichkeit via Internet anbieten.

Doch SecureCast - so der Name des McAfee-Systems - geht einen Schritt weiter. Die Downloadbereiche stehen grundsätzlich allen registrierten Benutzern zur Verfügung. Bei der Standard-Edition von Virus-Scan 3.0 gehört der freie Zugriff auf diese Archive für ein Jahr zum Lieferumfang. In der Deluxe-Version ist dieser Zugriff zwei Jahre lang möglich, dafür ist diese Version des Virenscanners auch 50 Mark teurer (Version 3.0 99 Mark, Version Deluxe 149 Mark). Das zusätzliche Abo schlägt also mit rund vier Mark monatlich zu Buche, das entspricht fast einem Zeitschriften-Abonnement.

Der technologische Kern

SecureCast funktioniert wie folgt: Der Benutzer erhält im Bundle mit VirusScan '95 einen speziell konfigurierten Back Web Klienten. Die Installation geht zumindest unter Windows 95 völlig reibungslos vonstatten. Andere Betriebssysteme zu testen, ist überflüssig, da es SecureCast bislang nur für dieses System gibt. Unmittelbar nach der Einrichtung geht der Client direkt ins Netz und nimmt Verbindung mit der Web-Site von Back Web auf. Dort werden die Benutzerdaten in eine Datenbank aufgenommen, die die Geltungsdauer des Abos überwacht.

Sodann sucht sich der Client die neuesten Viren-Profile von selbst. Ab sofort kann er für ein Jahr (beim Standard-Paket) ins Netz gehen und die neuesten Profile abrufen. Der Benutzer selbst braucht sich nicht darum zu kümmern, sofern der Client überhaupt ins Netz kommt.

Back Web arbeitet nicht mit dem World-Wide-Web-Protokoll HTTP, sondern benutzt proprietäre Datenformate für seine Infopacks. Deshalb muß man dem Programm auch die genauen Daten zur Verbindung mit dem Internet anbieten können. Mit Firewalls tut sich das System schwer. Auch mit den deutschen Standardzugängen T-Online, AOL und Compuserve funktionierte Back Web und damit Secure Cast erst nach erheblichem Konfigurationsaufwand. Im Falle T-Online blieb das System bis zum Schluß stumm. Egon Wilcsek, Teamleader der deutschen Systemingenieure von McAfee gab unumwunden zu, daß das System ihm persönlich wenig nutzt: "Wenn ich online bin, kann ich auch direkt zu McAfee, gehen und die Virenprofile herunterladen. Für den HeavyUser bringt das keinen Vorteil."

Erhebliches Potential in Deutschland

Erst mit der vollen Funktionalität eines Offline Readers ausgestattet, hat SecureCast in Deutschland ernstzunehmende Marktchancen. Und diese Funktionalität steht noch aus. Für den amerikanischen Markt, wo die Benutzer sich direkt einwählen können und nicht auf ihre Online-Zeiten achten müssen, eignet sich das System jetzt schon. Doch die Entwicklung geht Wilcsek nicht schnell genug: "Derzeit arbeiten wir bei Back Web mit einer One-Man-Show zusammen. Es gibt noch keine vollständige Integration der Online-Dienste und die sind für Deutschland sehr wichtig. Unserer Schätzung zufolge benutzen in den USA 50 Prozent der Endanwender von McAfee-Software bereits SecureCast. Auch in Deutschland ist erhebliches Potential da. Die Virenprofile werden von rund 200 Benutzern täglich heruntergeladen. Derzeit ist SecureCast noch ein Give-Away zur Erzeugung eines Mehrwerts für das Produkt, aber im Corporate-Markt steckt das Geschäft."

Zur Startseite