Der Richtfunk ist tot - es lebe der Richtfunk

07.06.2001
Zwei Insolvenzen belasten die noch vor kurzem so gepriesene Richtfunkbranche. Die verbliebene Gruppe der Anbieter krempelt die Ärmel hoch und sucht nach Vertriebspartnern.

Allen Unkenrufen zum Trotz wollen sich die Richtfunkbetreiber von der jüngsten Pleitewelle in ihrer Branche nicht verunsichern lassen: "Die Insolvenzverfahren von Callino oder Winstar sind nicht auf technologische Mängel, sondern auf die Finanzmärkte zurückzuführen, die den Telcos momentan nicht eben wohl gesonnen sind", heißt es unisono in Frankfurt, München oder Potsdam.

Und auch die Verbände melden sich zu Wort: Breko-Geschäftsführer Lüddemann (Bundesverband der regionalen und lokalen Telekommunikationsgesellschaften) ver- hieß dem Richtfunk vor allem wegen seiner kurzen Bereitstellungszeit eine große Zukunft als alternative Zugangstechnologie. Eine ähnliche Meinung vertritt auch Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiens-ten (VATM). Er betonte jedoch gegenüber ComputerPartner, dass auch das Richtfunkgeschäft derzeit noch von der Deutschen Telekom AG behindert werde: "Rund die Hälfte der Richtfunkanbieter muss auf die Mietleitungen der Deutschen Telekom zurückgreifen, die noch immer den Wettbewerb im Ortsnetz behindert." Grützner forderte denn auch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) zum wiederholten Mal zum Handeln auf: "Die RegTP muss reagieren, denn WLL hat nur dann eine Chance, wenn es der Telekom nicht auf Dauer gelingt, mit Dumpingpreisen Märkte zu belegen."

Provisionen für Verkauf und Airtime

Währenddessen feilen die verbliebenen Richtfunkanbieter an ihren Vertriebsprogrammen. Kerstin Dau- dert beispielsweise, seit 1. Februar dieses Jahres Leiterin Field-Marketing und Marcom bei Broadnet, kündigte für das zweite Halbjahr ein Partnerprogramm an: "Wir suchen ausgewählte Partner wie beispielsweise IT- und TK-Systemhäuser, die vor allem im überregionalen Bereich unsere Produkte vermarkten", verrät die ehemalige D-Plus-Marcom-Leiterin. Robert Pelzel wiederum, bei BT Ignite als Commercial-Manager in Lohn und Brot, konnte mittlerweile 230 Partner für den Vertrieb seines PMP-Angebots "Enfrastruktur" gewinnen: "Wir wollen die Anzahl unserer Vertriebspartner verdoppeln", so die Pläne von Pelzel. Er lockt mit einer einmaligen Verkaufsprovision und einer Airtime-Provision zwischen vier und sechs Prozent. Das Partnerprogramm der Münchener ist zweigeteilt. Es gibt Händler, die sich nur auf den Vertrieb konzentrieren. Die zweite Gruppe führt auch die Gebäudequalifizierung durch und überprüft, ob der Kunde überhaupt an das Richtfunknetz angeschlossen werden kann (siehe Technik-Kas-ten). Andreas Lindner, einer der BT-Ignite-Vertriebspartner der ers-ten Stunde, plant in Kürze auch diese so genannten Line-of-Sight-Tests durchzuführen; bislang konzentrierte man sich vor allem auf den Vertrieb und konnte rund 15 Kunden aus allen Branchen von "Enfrastrukur" überzeugen. Tendenz: steigend (siehe Interview).

Die potenziellen Vertriebspartner, da sind sich alle Anbieter einig, sollten sich vor allem aus der Sys-temhausebene rekrutieren. "Unsere Partner müssen eine in technischer und vertrieblicher Hinsicht kompetente Kundenberatung durch- führen können und dies auch nachweisen", betont der BT-Ignite-Mann Pelzel.

ComputerPartner-Meinung:

Die Vorteile des Richtfunks sind klar: Sprach-Datendienste mit skalierbarer Bandbreite aus einer Hand, und das zu vergleichsweise günstigen Konditionen. Im Visier haben die PMP-Anbieter vor allem den Mittelstand, der von der neuen Technologie allerdings erst noch überzeugt werden will - und das möglichst mit Unterstützung der Händler. Für diese macht es sicherlich wenig Sinn, sich ausschließlich auf den Richtfunkverkauf zu konzentrieren, dazu ist der Markt noch zu klein und auch zu eng. Doch als Zusatzgeschäft taugt es allemal. (wr)

Richtfunktechnik

Facts & Figures

Als Richtfunksystem wird eine drahtlose Verbindung zwischen zwei (Point-to-Point) oder mehreren Punkten (Point-to-Multipoint/PMP) via Richtstrahlantennen über zumeist größere Entfernungen hinweg bezeichnet. Richtfunksysteme eignen sich deshalb besonders gut für den so genannten Wireless Local Loop (WLL) den drahtlosen Teilnehmeranschluss an das Verbindungsnetz. Die maximal überbrückbaren Entfernungen sind frequenzabhängig. Bei einer 2-GHz-Frequenz liegen sie beispielsweise zwischen 40 und 100 Kilometern - je höher die Frequenz, desto geringer die Reichweite. Der Vorteil der Richtfunktechnologie: Man erreicht mit Richtfunk höhere Bandbreiten zu günstigeren Konditionen als mit DSL. Nachteil: Sender und Empfänger müssen in Sichtverbindung (Line of Sight) installiert werden, da sie mit Spiegeln arbeitet. (wr)

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