Der schnelle Tod des MMX-Chips: Zickzack-Kurs von Intel verwirrt Partner und Distris

22.05.1998

MÜNCHEN: Nur 15 Monate nach der Einführung des Pentium-MMX-Prozessors nimmt die Intel GmbH ihren Multimedia-Chip wieder vom Markt und setzt voll auf die neuen Pentium-II-Generationen. Außer dem Prozessor-Giganten findet allerdings niemand Spaß an dieser Marktstrategie.Etwas mehr als ein Jahr ist es her, als Intel den Pentium-MMX-Prozessor mit einem kaum zu überbietenden Werbeaufwand in den Markt einführte. Selbst PC-Laien konnten sich den bunten Männchen mit MMX-Logo, vorgeführt in den zahllosen Werbespots, nicht entziehen. Marktschreierisch verkündete Intel damals: "MMX ist der größte Fortschritt der Mikroprozessor-Technologie seit Markteinführung des Intel 386 im Jahre 1985." Durch die MMX-Erweiterung sollte zu neuen Ufern der Multimedia-Welt aufgebrochen werden. Mit der neuen Technik sollten anspruchsvolle Rechenoperationen, wie Vollbild-Videodarstellung oder 3D-Grafikanwendungen und Echtzeitanimationen, zum Kinderspiel für den PC werden. Natürlich wollte jeder PC-Hersteller gleich mit der Innovation glänzen und so prangte der Multimedia-Schriftzug alsbald auf einer Vielzahl von Rechnern.

Der große Durchbruch für den MMX-PC blieb jedoch aus. Zwar gaben einige Hersteller die Unterstützung ihrer Produkte für die Multimedia-Technik bekannt, diese stammten jedoch hauptsächlich aus Nischenbereichen wie beispielsweise Videonachbearbeitung oder Grafikbeschleunigung.

Bei der Entwicklung hatte Intel auch die Zielgruppe der Business-Kunden im Auge. Diese konnte sich jedoch kaum für die Neuerung begeistern. Kurz und schmerzlos wurde schließlich am 14. April diesen Jahres von Intel bekanntgegeben, daß die Produktion der MMX-Bausteine eingestellt wurde. Frei nach dem Motto der Pentium ist tot - lang lebe der Pentium, setzt der Prozessor-Krösus nur noch auf den Pentium II. Damit nimmt die Computerindustrie also endgültig Abschied von der ersten Generation des Mikroprozessors, der sich seit 1993 schätzungsweise 200- millionenmal verkauft haben dürfte. Das Prädikat Auslaufmodell gibt MMX-PCs endgültig zum Abschuß frei. Spätestens seit der letzten Aldi-Verkaufsaktion ist die Schallmauer von 2.000 Mark für die neuen Pentium-II-Rechner durchbrochen worden. Media-Markt und andere Retailer haben mit Preisen unter 1.700 Mark für eine P II-Maschine bereits die nächste Runde eingeläutet. Marktexperten gehen davon aus, daß sich noch so viele Alt-Pentium-Maschinen in den Lagern einiger Hersteller und Distris tummeln, so daß diese demnächst zu absoluten Schleuderpreisen in den Markt gedrückt werden. Nach außen geben sich die Broadline-Distributoren gelassen: "Die Nachfrage nach MMX-Prozessoren ist trotz der Abkündigung von Intel nach wie vor so groß, daß wir keinerlei Absatzschwierigkeiten mit den noch vorhandenen Beständen haben", war auf Nachfrage bei der Computer 2000 GmbH in München zu erfahren. Auch der Mitbewerb schlägt in dieselbe Kerbe: "Die Nachfrage nach MMX-Rechnern hat zwar nachgelassen, wir verkaufen solche Systeme aber weiterhin recht gut", so Frank Seibert, Produktmanager für Bauteilgruppen bei der Macrotron Distribution GmbH in Dornach. Doch Experten halten diese Aussagen für Schönfärberei, denn wer gibt schon gerne zu, daß die MMX-Maschinen schnellstens aus dem Lager müssen, um beim weiteren Preisverfall der Geräte nicht noch mehr Geld zu verlieren. Jedoch hat Seibert auch kritische Worte für einen seiner Hauptlieferanten: "Was uns nicht gefällt, sind die immer kürzer werdenden Produktzyklen und die teilweise gravierenden Preissprünge bei Intel-Prozessoren innerhalb kürzester Zeit. Zum Dilemma der Branche meint der Manager: "Der einzige, der von den schnellen Produktzyklen profitiert, ist Intel selbst - weder wir, noch der Kunde haben etwas davon."

Die Abkehr vom Sockel-7- hin zum Slot-1-Standard kam abrupt. Nicht zum ersten Mal fühlen sich Intel-Partner, sogenannte IPIs (Intel Processor-Integrators) unzureichend informiert. "Nicht nur wir als System-Partner, sondern auch der Kunde fühlt sich von Intel veräppelt", beschwert sich Michaela Resinger, Vertriebs- und Marketingleiterin bei der Wulff Systemhaus GmbH in Essenbach. "Wir bekommen von Intel keinerlei Informationen zu solch einschneidenden Produktveränderungen, sondern werden vor vollendete Tatsachen gestellt", klagt Resinger weiter. "Pentium-II-Boards sind inzwischen genauso günstig zu haben, wie die vor kurzem noch aktuellen Sockel-7-Boards und der Kunde liest und hört überall von Pentium II, so daß er natürlich das Neuste haben möchte. Wir gehen davon aus, daß unser Lager an MMX-Komponenten zum toten Kapital wird." (akl)

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