Abschied vom Kollektivgeist

Der "Sozial-Kitt" bricht weg - na und?

11.03.2009
Wenn die Geschäfte schlecht gehen, zeigt sich, dass Unternehmen keine liebevollen Familien sind, sondern reine Zweckgemeinschaften. Die "Wir-Ideologie" ist am Ende. Doch das ist kein Problem, sagt Dr. Georg Kraus*.

Sätze wie "Wir sind ..." "Wir machen ..." prägen die Leitlinien und Führungsgrundsätze fast aller (Groß-)Unternehmen. Und auch ihre Führungskräfte appellieren im Gespräch mit den Mitarbeitern oft an das kollektive "Wir" - gerade so, als hätten die Inhaber der Unternehmen sowie deren Führungskräfte und Mitarbeiter identische Interessen und säßen alle im selben Boot.

Doch dann brechen wie in der aktuellen Wirtschaftsflaute die Umsätze weg und die Erträge sinken. Und die Unternehmensleitung muss die Vorgaben erhöhen sowie Sozialleistungen streichen - und im Extremfall sogar Mitarbeiter entlassen. Dann entpuppt sich das kollektive "Wir" meist als ideologische "Seifenblase", die schnell platzt, wenn die Sonne nicht mehr scheint.

Unternehmen sind Zweckgemeinschaften

Dann wird zudem deutlich: Unternehmen sind keine (Groß-)Familien, in denen alle gemeinsam durch dick und dünn gehen. Unternehmen sind vielmehr Zweckgemeinschaften - also soziale Gebilde, in denen sich Personen mit unterschiedlichen Interessen zeitweise zusammenschließen, um wechselseitig voneinander zu profitieren. Und wenn ein oder mehrere Beteiligte aus der Zusammenarbeit keinen oder nur noch wenig Nutzen ziehen? Dann trennen sich die Wege wieder.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Welchen Nutzen haben Unternehmen davon, sich in den Mitarbeitergesprächen und -publikationen so zu präsentieren, als seien sie soziale Einrichtungen? Keinen! Denn hierdurch werden nur die Interessengegensätze verschleiert, die zwischen den "Stakeholdern" bestehen - angefangen bei den Unternehmensinhabern, über die Führungskräfte bis hin zu den einfachen Angestellten. Also werden sie in den Mitarbeitergesprächen auch nicht erörtert. Deshalb können auch keine tragfähigen Kompromisse ausgehandelt werden, wie die Interessen aller Beteiligten im Arbeitsalltag angemessen berücksichtigt werden können.

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