Jahresrückblick 2017

Der Star des Jahres: Künstliche Intelligenz

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Macht - Chinas Fünf-Jahres-Plan für KI

Das Thema KI spielt längst auch in politischen Überlegungen eine wichtige Rolle. Dabei dreht es nicht mehr nur um die Frage, inwieweit die Technik Arbeitsplätze und Gesellschaften verändert. Vielmehr stehen Überlegungen im Vordergrund, welche Vorteile Staaten aus KI-Technik ziehen könnten. Beispielsweise plant China einen regelrechten Investitionsschub in diesem Segment. Bis 2025 will das Reich der Mitte international eine führende Rolle im Bereich KI spielen, lautet die Vorgabe des Staatsrats. Dafür sollen grenzübergreifende Kooperationen vorangetrieben werden, hieß es. Konkret in Zahlen: Von 2020 bis 2015 soll sich der Wert der chinesischen KI-Industrie von 19 auf über 50 Milliarden Euro mehr als verdoppeln, so der Fünf-Jahres-Plan der kommunistischen Parteikader.

Die chinesische Straatsführung hat sich das Thema KI ganz groß auf die Fahnen geschrieben.
Die chinesische Straatsführung hat sich das Thema KI ganz groß auf die Fahnen geschrieben.
Foto: Gang Liu - shutterstock.com

Auch Russlands Präsident Wladimir Putin beschäftigt sich mit KI. Wer hier einen Durchbruch erziele, könne damit die Welt beherrschen, glaubt der Autokrat. KI eröffne "kolossale Möglichkeiten und Gefahren, die sich schwer vorhersagen lassen", sagte Putin vor Studenten. "Wer in diesem Bereich die Führung übernimmt, wird Herrscher der Welt". Es sei daher nicht wünschenswert, dass jemand in diesem Bereich eine Monopolstellung erreiche. Sollte Russland ein solcher Durchbruch gelingen, werde sein Land diese Technik aber mit dem Rest der Welt teilen, versicherte der einstige KGB-Chef.

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Darum geht es bei Artificial Intelligence

Machine Learning: Anbieter und Trends auf einen Blick

Während Staaten wie China die KI-Entwicklung offensiv angehen, treten andere Institutionen erst einmal auf die Bremse. Das Europaparlament forderte in einer Resolution umfassende Gesetze für Roboter und KI auf EU-Ebene. Wenn Maschinen Entscheidungen treffen, müsse geklärt werden, wer haftet, wenn etwas schief geht. Gerade selbstlernende Roboter müssten reglementiert werden, hieß es. Einzelne Parlamentarier brachten eine Art Pflichtversicherung ins Spiel. Außerdem müsse eine Art Verhaltenskodex entwickelt werden. Diskutiert wurde zudem über eine Art Not-Abschaltfunktion. Die Abgeordneten forderten eine eigene Behörde für Robotik und KI.

Auch die grüne Ex-Verbraucherschutzministerin Renate Künast forderte die Politik auf, sich intensiver mit der Macht von Algorithmen auseinanderzusetzen. Der nächste Bundestag sollte fraktionsübergreifend vor allem "ethische Fragen der digitalen Transformation" untersuchen. Es gelte Spielregeln und Leitplanken aufzuzeigen. Der noch amtierende Bundesjustizminister Heiko Maas von der SPD hat sich angesichts des zunehmenden Einflusses von Algorithmen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik ebenfalls für klarere und schärfere Regeln für Programmierer und Unternehmen ausgesprochen.

Hoffnung - auf bessere Geschäfte

Während die Politik noch diskutiert - und dies vermutlich noch eine ganze Weile tun wird, schaffen Hersteller und Anbieter Fakten. In ihren Strategien spielt das Thema Künstliche Intelligenz eine immer wichtigere Rolle - nicht zuletzt weil sie sich davon natürlich auch mehr Geschäft erwarten. Beispielsweise will Intel seinen Kurs mehr in Richtung Data-Center-Geschäft trimmen und damit seine Abhängigkeit vom nach wie vor schwierigen PC-Markt verringern. Dafür hat der weltgrößte Halbleiterhersteller im Frühjahr die Artificial Intelligence Products Group gegründet. Geleitet wird die neue Einheit von Neveen Rao, Gründer des AI-Startups Nervana, das im August 2016 von Intel aufgekauft worden war. Nervana hatte an einem speziell für KI-Aufgaben ausgelegten Chip gearbeitet. Unter der Ägide Intels soll diese Arbeit fortgesetzt werden. Geplant ist Hardware und Software, um die immer größer werdenden Datenmengen analysieren zu können. Rao bezeichnete dies als eines der größten rechenintensiven Probleme unserer Zeit.

Intel hofft mit seinen Chiparchitekturen auf gute Geschäfte mit Künstlicher Intelligenz.
Intel hofft mit seinen Chiparchitekturen auf gute Geschäfte mit Künstlicher Intelligenz.
Foto: g-stockstudio - shutterstock.com

Damit will Intel offenbar gegenüber dem Konkurrenten Nvidia aufholen. Der Spezialist für Graphic Processing Units (GPUs) forciert schon seit längerem seine Entwicklungen rund um KI. Grafikprozessoren eignen sich besonders gut für KI-Berechnungen, da sie stark parallelisiert arbeiten und so viele Rechenaufgaben gleichzeitig abarbeiten können. Seine neue Chiparchitektur Volta hat der Hersteller speziell auf KI- und Machine-Learning-Anforderungen zugeschnitten. Die Erwartungen des Nvidia-Managements sind hoch. Schließlich gebe es eine hohe Nachfrage nach KI-Beschleunigern. Um seine Technik im Markt zu verankern, kooperiert der Chipfertiger mit anderen Unternehmen - neben zahlreichen Automobilherstellern gehören dazu auch SAP und HPE.

Nvidia-Technik steckt auch in den neuen Fahrzeug-Entwicklungen der Deutschen Post.
Nvidia-Technik steckt auch in den neuen Fahrzeug-Entwicklungen der Deutschen Post.

Vor allem die großen Internet- und Cloud-Konzerne haben sich im zu Ende gehenden Jahr das Thema KI ganz groß auf die Fahnen geschrieben. Kaum eine Ankündigung kam ohne dieses Thema aus. Beispielsweise stellte Google-Chef Sundar Pichai KI in den Mittelpunkt der Entwicklerkonferenz I/O im Mai. Entsprechende Funktionen würden in Zukunft elementarer Bestandteil sämtlicher Angebote von Google sein - in der Websuche, den Android-Apps sowie anderen Online-Diensten wie beispielsweise das Office-Paket G-Suite. Als Beispiel präsentierte Pichai "Google Lens", eine KI-Technik, die Anwendern dabei helfen soll, Bilddaten zu analysieren und daraus nützliche Informationen zu ziehen.

Auch Microsoft arbeitet mit Hochdruck an vergleichbaren Technologien. Der Cloud-Anbieter will KI-Dienste wie Bild- oder Gesichtserkennung auf seiner Cloud-Plattform anbieten. Entwickler könnten diese Services dann in die eigenen Cloud-Applikationen integrieren, kündigte der Softwarehersteller auf seiner Entwicklerkonferenz Build im Frühjahr an. Microsoft werde zudem in vielen seiner eigenen Produkte KI-Funktionen einbauen, sagte CEO Satya Nadella auf der DLD-Konferenz im Januar. Auf die Frage, wann er selbst durch einen Bot ersetzt werden könnten, antwortete er gut gelaunt: Er habe so viel zu tun, dass gerne ein paar Aufgaben an KI abgeben würde.

Microsoft-CEO Satya Nadella könnte sich gut vorstellen, ein paar seiner Aufgaben an einen intelligenten Bot abzugeben.
Microsoft-CEO Satya Nadella könnte sich gut vorstellen, ein paar seiner Aufgaben an einen intelligenten Bot abzugeben.
Foto: Microsoft

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Gerade erst im Dezember hat Cloud-Primus Amazon Web Services auf seiner Konferenz re:Invent eine intelligente Kamera inklusive vorkonfigurierter KI-Funktonen vorgestellt, die Entwickler und Anwender ganz einfach in der Amazon-Cloud buchen könnten. Salesforce hat in den zurückliegenden Monaten alles auf Einstein gesetzt. Die KI-Plattform soll den gesamten SaaS-Kosmos des Cloud-Pioniers durchdringen und sämtliche dort angebotenen Softwareservices intelligenter machen, so die Vision der Verantwortlichen.

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