Der Terminal-Markt richtet sich an Spezialisten

19.07.1996
MÜNCHEN: Terminals und vor allem X-Terminals, denen noch 1994 eine große Zukunft nachgesagt wurde, fristen mittlerweile ein Randdasein in der Planung von Unternehmen. Ihre Absatzzahlen stagnieren, große Anbieter haben sich aus dem Markt verabschiedet oder kämpfen mit Newcomer um Marktanteile. Und da auch Softwareanbieter längst PC- und X-Anbindungen für alle Desktopvarianten anbieten, scheint der Hardware-Markt endgültig in Nischenmärkte abgewandert zu sein. Trotzdem propagieren die Hersteller unter dem werbewirksamen Etikett "Netstations" ihre Lösungen und versprechen Händlern vergleichsweise gute Margen und Anschlußgeschäfte.Noch wartet Christine Hees, Europa-Produktmanagerin X-Terminals bei Hewlett-Packard in Böblingen, auf "die Welle, die von den USA aus auf Europa überschwappt" und die hauseigenen X-Terminals Envizex und Entria auf Intranet-Erfolgskurs bringen soll. Immerhin will sie hierzulande schon "erste Ausläufer" für das "zweifellos spezialisierte Geschäft, wie es X-Terminals darstellen", ausgemacht haben.

MÜNCHEN: Terminals und vor allem X-Terminals, denen noch 1994 eine große Zukunft nachgesagt wurde, fristen mittlerweile ein Randdasein in der Planung von Unternehmen. Ihre Absatzzahlen stagnieren, große Anbieter haben sich aus dem Markt verabschiedet oder kämpfen mit Newcomer um Marktanteile. Und da auch Softwareanbieter längst PC- und X-Anbindungen für alle Desktopvarianten anbieten, scheint der Hardware-Markt endgültig in Nischenmärkte abgewandert zu sein. Trotzdem propagieren die Hersteller unter dem werbewirksamen Etikett "Netstations" ihre Lösungen und versprechen Händlern vergleichsweise gute Margen und Anschlußgeschäfte.Noch wartet Christine Hees, Europa-Produktmanagerin X-Terminals bei Hewlett-Packard in Böblingen, auf "die Welle, die von den USA aus auf Europa überschwappt" und die hauseigenen X-Terminals Envizex und Entria auf Intranet-Erfolgskurs bringen soll. Immerhin will sie hierzulande schon "erste Ausläufer" für das "zweifellos spezialisierte Geschäft, wie es X-Terminals darstellen", ausgemacht haben.

Mit dieser Ansicht steht sie nicht allein. So sieht auch Gerd Büttgen, Geschäftsführer der deutschen Dependance Devices Systems des amerikanischen Herstellers Network Computer Corporation in München, ein Ende der stagnierenden Marktzahlen für X-Terminals: "Wir haben ein kräftiges Wachstum bei Terminals in diesem Jahr erreicht. Die Akzeptanz in Firmen ist sehr hoch, da der Netcomputing-Bereich wieder greift." (Siehe Kasten "X-Terminals in Europa: In der Talsohle) Zwar will Büttgen keine Zahlen für seine Anfang 1996 eigenständig gewordene Hardwareabteilung nennen, doch er berichtet: "Wir haben über 50 Prozent mehr als voriges Jahr umgesetzt und liegen über dem Forecast." Das könnte ihm den dritten Platz in der europäischen Rangliste der X-Terminal-Hersteller sichern, doch da NCD bis 1994 Marktführer war, ist dieses Ergebnis nur bedingt erfreulich.

Und um ein letztes Beispiel für eine optimistische Marktbeurteilung für Terminals heranzuziehen, sei die von X-Terminal Hersteller Tektronix, derzeit auf Rang zwei der Terminal-Liga plaziert, herangezogen: "Im Business-Umfeld spielt die Zeit für uns. Intranets beziehungsweise Netstations werden Client-Server-Konzepte überholen", freut sich Walter Puschner, Europadirektor Marketing der Video and Networking Division (VND) bei Tektronix Europe in Ismaning bei München.

Terminals und X-Terminals in der Talsohle

Mit "Netstations" (siehe Kasten "Was sind Netzstations"?) ist dann auch das Zauberwort gefallen, das die Terminal-Hersteller wieder auf die gewinnträchtige Route zurückbringen soll. "Unsere Verkaufsstrategie beruht darauf, daß wir ein Konzept verkaufen, nicht Hardware", beteuert HP-Managerin Hees stellvertretend für die Branche. Ohne Konzept waren zwar auch früher die Terminals wohl nicht zu verkaufen, doch damals, als in Unix-Umgebungen der Terminal zum Host so selbstverständlich dazu- gehörte wie heute der PC zum Client-Server-Ansatz, fiel der Konzeptverkauf mangels Alternative den Terminal-Anbietern gewiß viel leichter. Wer an Desktops arbeitete, blickte auf bernsteinfarbene oder grüne Zeilen, die auf ASCII- und ANSI-Terminals leicht vor sich hin flackerten.

Doch diese Zeiten sind bekanntlich vorbei. "Heute ist der PC Standard. Das Verhältnis zwischen PCs und Desktop-Alternativen beläuft sich auf zirka 80 zu 20. Daran wird sich vorerst nichts ändern", gibt Bernd Lenz, Marketing-Manager bei Tektronix, zu. Da an diesem Verhältnis schon länger niemand mehr zweifelt, fand in den letzten Jahren auch der große Ausverkauf bei den Terminal-Hersteller statt.

Beispielsweise sind von dem einstigen Marktführer und Standardsetzer Wyse gerade mal Monitore und die Terminal-Neuschöpfung Winterm übriggeblieben; DEC verkaufte im vorigen Jahr seine VT320-Terminals komplett an den amerikanischen Hersteller Sunriver und bereitete gerade seine PC-Hybrid-Lösung Multia das Hardwareende (siehe Unteraufmacher Seite 1); IBM hat gerade noch ASCII- und ANSI-Terminals für die Host-Anbindung an AS/400 im Programm, kooperiert aber ansonsten mit NCD bei X-Terminals, und Workstation-Hersteller SUN vertreibt in Deutschland die X-Terminals von Tektronix.

"Es ist auffallend", kommentiert NCD-Manager Büttgen nicht ganz uneigennützig dieses Szenario, "daß nur Hersteller überlebt haben, die im Terminal-Markt schon länger produzieren. Workstation-Hersteller, die in diesen Markt erst eingestiegen sind, als die Zeit der hohen Margen und großen Volumen vorbei war, tun sich sehr schwer." Konzentration in diesem Markt ist also angesagt: "Der Markt ist limitiert auf große Hersteller", bestätigt X-Terminal-Managerin Hees von Marktführer HP.

Aber daß das noch lange nicht heißt, daß diese vier auf der komfortablen Gewinnerseite sich ausruhen können, machen die absoluten Zahlen deutlich: Insgesamt stagnierte der Absatz von Terminals, es wurden 1995 in ganz Europa gerade 76.000 X-Terminals verkauft, und auch optimistische Marktforscher wie Zona Research gehen von einem maximalen Umsatzzuwachs von sechs bis acht Prozent für die nächsten zwei Jahre aus.

Daß die Branche damit kaum leben kann und es auch schwer fällt, Distributoren und Händler für die Produkte zu begeistern, wird offen zugegeben. "Der Markt geht verloren. X-Terminals werden durch billige Workstation- oder NT-

Clients ersetzt", ist sich Jörg Levine, Geschäftsführer des Distributors Adiva in Bad Homburg, sicher. Ähnlich sieht das Distributor C 2000 GmbH in München: "Alles geht in Richtung Arbeitsplatzrechner. Für die Anbindung an den Host wird eine Terminal-Emulation verwendet", umreißt Matthias Selic, Produktmanager X-Server, die Situation. Und von Unix-Distributor ComputerLinks war zu erfahren: "X-Terminals verkaufen wir nicht mehr, nur noch X-Software", so Geschäftsführer Richard Hellmeier.

Terminals und X-Terminals in Nischenmärkten

Ein erstes Fazit muß also lauten: Terminal- und X-Terminal-Markt sind mittlerweile eine Angelegenheit für Nischenmärkte und bleiben auch dort angesiedelt. "Es gibt einen großvolumigen Bereich, nämlich Banken, Versicherungen und Finanzanbieter. Dort sind Terminals sehr gefragt", skizziert NCD-Manager Büttgen zuversichtlich die bedeutendste Zielgruppe. Denn "diese Unternehmen haben hohe Anforderungen an Datensicherheit und -verfügbarkeit. Das ist nur über einfache und zentrale Administration und ausbalancierte Netze zu erreichen", erklärt er. Tektronix steuert eine weitere Gruppe bei: "Wo hohe Grafikanforderungen verlangt sind, wird nach

3D-Terminals gefragt", erklärt Marketier Lenz. Das unterschreibt auch HP. Allerdings gibt Produktmanagerin Hees zu, daß auch in diesem Bereich Intel-basierende PCs eine ernste Konkurrenz darstellen: "Die neuen PCs werden immer schneller. Unserer Frage an die Kunden lautet deshalb: Welche Hardware ist installiert? Was will der Kunde erreichen? Wenn er niedrige Betriebskosten bei überschaubarer Administration haben will, lautet unsere Antwort fast immer: Terminals."

Diese Aussage ist gewissermaßen das Standardargument aller Hersteller. Begründet wird es mit den sogenannten "Cost of ownership", bei denen Netz-PCs weit schlechter abschneiden als die entsprechenden Terminal-Lösungen. So wirbt beispielsweise Wyse für die Winterm genannten NT-Terminal-Lösung mit einem Kostenvorteil von 60 Prozent gegenüber PCs in gemischten Netzen.

(siehe Grafik "Cost of ownership")

Nun lassen sich für gemischte Netze die Vorteile, die Terminals gegenüber PCs haben, wie folgt zusammenfassen: " Zugleich transaktionsorientierte Applikationen und Anwendungen unter der grafischen Benutzeroberfläche Windows zu verwenden und die Vorteile von Terminals, nämlich zentrale Administration des Arbeitsplatzes, Multiuser-Zugriff auf Windows-Applikationen, keine Aufrüstproblematik und signifikant reduzierte Netzwerk-Administrationskosten machen Windows-Terminals zur interessanten Alternative für Unternehmen", ist sich Peter Engerisser, Marketingleiter bei der Wyse Technologie GmbH in Grassbrunn bei München, sicher.

Doch diese Vorteile allein, auch wenn sie im Bündel mit den Betriebskosten für Terminals sprechen, machen die Terminal-Hersteller trotzdem nicht reich. Denn die Argumente für PCs spielen eine ebenso wichtige Rolle: "Die Client-Server-Welt hat alle Benutzer an grafische Oberflächen und PCs gewöhnt. Das Rad ist nicht mehr zurückzudrehen", glaubt Computer Links-Geschäftsführer Hellmeier. Und selbst HP-Managerin Hees schätzt, daß "die große Verbreitung von PCs vorerst nicht zu ändern ist".

"Die PCs sind überall, und es ist nicht realistisch, daß die Unternehmen jetzt wieder alles rausschmeißen, um Netstations zu installieren, die ja auch Kosten für das Netz nach sich ziehen. PC-Netze funktionieren trotz aller Mängel, und man muß sehr genau vorrechnen, wie die Cost of ownership in einem Unternehmen tatsächlich entstehen", erklärt Adiva-Geschäftsführer Levine. "Unternehmen ziehen nach den Erfahrungen der letzten Jahre vor, homogene Umgebungen einzurichten, die sie verwalten und benutzerfreundlich einrichten können", weiß er zu berichten.

Die VAR-Strategien der Hersteller

Die Strategie der Terminal-Hersteller kann deshalb nur heißen: Die Nischenmärkte konsequent zu besetzen und dann aus den Nischen heraus zu demonstrieren, daß Terminals, die mittlerweile je nach Hersteller zu "Netstations", "Thin Clients" oder "Universal Desktops" mutiert sind, für Unternehmen "die bessere Intranet-Lösung als PCs darstellen", so Tektronix-Manager Lenz. Vorsichtiger ausgedrückt, heißt das: "Sie sind nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu vernetzten PCs zu sehen", erklärt Marketier Engerisser.

Für die Nischenmärkte, die vorrangig im Banken- und Versicherungswesen zu finden sind, haben deshalb alle Hersteller spezifische VAR-Konzepte entwickelt, mit denen über die eigene kleine logistische Basis "ein Maximum an Reichweite, Marktpenetrierung und Qualifikation geschaffen werden soll", wie Tektronix-Manager Puschner erklärt.

Für die VARs gilt dabei, wie stellvertretend NCD-Manager Büttgen sagt, daß sie "Kenntnisse von Netzen, Legacy-Anwendungen und Unix haben. Sie sollten mit Multiuser-Umgebungen vertraut sein, denn in diesen Bereichen kommen die Unternehmen aus dieser Tradition. Sie haben diese Basis".

Technisch gesprochen sollten VARs also die Möglichkeiten von TCP/IP, IBM-, DEC und Unix-Applikationen aus dem Bereich der Finanzdienste, Warenwirtschaftssysteme und transaktionsorientierter Software kennen. Und außerdem "Windows-NT-Kenntnisse haben, da NT immer häufiger gefordert wird", so Büttgen. Dann stehen ihnen bei allen Herstellern die Türen weit offen.

"Erfüllt ein VAR diese Voraussetzungen, kann er in diesem Markt gute Geschäfte machen: Bei den Margen, die deutlich über den PC-Margen liegen, vor allem aber bei den Anschlußgeschäften", ist er sich sicher.

So haben HP, NCD, Tektronix und Wyse auch Programme für VARs aufgelegt. So zielt etwa NCD "auf Häuser ab zehn Mann hoch beziehungsweise branchenspezifische Lösungsanbieter ab" erklärt er.

Auch Wyse stützt sich mit dem abgestuften VAR-Programm ganz auf den indirekten Kanal. "Unsere Händler, die vor allem aus dem Windows-NT-Bereich kommen, können mit guten Margen rechnen. Dazu kommt das Thema Service und Support von Netzen", verspricht der Wyse-Marketingleiter.

Anders hingegen steht es bei Tektronix und HP, die sich beide Kanäle offenhalten. Zwar geht bei ihnen die "Tendenz in Richtung indirekter Kanal", und wir werden ihn in den nächsten zwei Jahren von derzeit 50 auf 70 Prozent ausweiten", so Tektronix-Manager Puschner, doch im Terminal-Bereich "haben wir es mit Kunden zu tun, die oft den direkten Kontakt zum Hersteller suchen. Doch wir gehen dann gemeinsam mit unseren Partnern zum Kunden" erklärt er.

So ist sich Puschner sicher, daß "es bei dieser Zweiteilung im Terminalmarkt bleiben wird. Unternehmen kaufen unsere Produkte meist für sensible, geschäftsentscheidende Bereiche. Da muß der Hersteller oft Flagge zeigen."

Das sieht HP-Managerin Hees ähnlich. "Zu unserem Konzept gehört vor allem Dienstleistung, also Beratung, Service und Kenntnis der Unternehmensinfrastruktur. Gerade bei letzterem ist es für unsere Partner oft nützlich, wenn wir gemeinsam auftreten."

Im Terminalmarkt, respektive Netstation-Markt, so lautet das zweite Fazit, wird es weiterhin beide Kanäle geben, denn "die Kunden und die Anwendungsbereiche sind sensibel" erklärt Puschner.

Statt Terminals Terminal-Software

Zwar ist konsequenterweise aus den Marketingabteilungen der Terminal-Hersteller zu hören: Die Netstation ist für nahezu alle anstehenden Intranet-Lösungen die bessere Lösung als PCs, doch haben auch alle Hersteller erkannt, daß "sie das anbieten müssen, was der Kunde will", so Distributor Hellmeier. Und deshalb bieten alle Hersteller auch Software an, um Desktops und vor allem PCs für Multiuser-Einsätze tauglich zu machen. Hier allerdings müssen sie mit reinen Softwareanbietern wie etwa Marktführer Hummingbird, Attachmate, Insignia oder WRQ konkurrieren. "Der Markt für Terminal-Emulationen ist natürlich sehr interessant, da man hier in einem großvolumigen Markt agiert", skizziert Joachim Pilke, Geschäftsführer bei Softwarehersteller Hummingbird Commnications in München, seine Klientel.

Dementsprechend sind auch die Lösungen für PC-Emulationen für Unix und umgekehrt Unix für PCs reich gestreut. Und da außerdem der "Zug in Richtung PCs weiterfährt", während laut Marktforscher IDC der Markt für X-Terminals weiterhin abnimmt, sind alle Terminal-Hersteller dabei, mit entsprechender Software neue Marktanteile zu erschließen. Der Markt für ASCII- und ANSI-Terminals hingegen wird "reaktiv behandelt. Im IBM- und DEC-Umfeld gibt es eine massive Installationsbasis, aber da wird nur nachgekauft, aber nicht mehr investiert", berichtet der Adiva-Geschäftsführer.

Die Tendenz geht derzeit also eindeutig in Richtung Software. Und hier werden anstatt Workstations PCs genommen", berichtet C2000 - eine Einschätzung, die Distributor und Systemanbieter GTS-Gral in München teilt: "X-Server Software wird immer mehr gefragt, da die Hardware einfach Intel-dominiert ist", erklärt Produktmanager Alexander von Wachter.

Angesichts dessen sind die Hardware-Hersteller für Terminals fieberhaft am überlegen, wie ihre Hardware in Zukunft aussehen soll. Bei NCD glaubt man eine Lösung bereits gefunden hzu haben: "Die Lösung geht in Richtung Terminal mit einer browserähnlichen Oberfläche. Damit kann man plattformübergreifend auf alle Applikationen im Intranet zu-

greifen", skizziert Büttgen die NCD-Zukunft, die "Web-enabled X" heißen soll.

Ähnliches war bei Tektronix zu hören: "Wir setzen auf Netstations. Sie haben in Unternehmen eine größere Zukunft als Internet-PCs", erklärt Puschner. Und ebenso bei HP: "Im Terminal-Markt gehört die Zukunft dem Universal Client mit Web-Möglichkeiten", so Managerin Hees. In Amerika soll sie schon begonnen haben.

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