Der Triumph der Form über den Inhalt?

15.07.2004

ComputerPartner

TallyGenicom Computerdrucker GmbH

Geschäftsführung

Herrn Bengt Stahlschmidt

Heuweg 3

89079 Ulm

Der Triumph der Form über den Inhalt?

Sehr geehrter Herr Stahlschmidt,

die Frage ist die: Wie brüllt man am lautesten, wenn man nur Papier zur Verfügung hat? Ganz einfach: Man verschickt eine Pressemitteilung nicht im üblichen DINA4-Format, sondern in einer Länge von 1,20 Meter. Das haben Sie in der vergangenen Woche getan, und wie man auf dem beiliegenden Foto sieht, könnte sich unsere Redaktionsassistentin Bärbel Zöger mit Ihrer Pressemitteilung bei kühler Witterung sogar zudecken.

Laut brüllen oder übergroße Pressemitteilungen zu verschicken, bedeutet aber noch nicht zwangsläufig, dass man auch etwas Substanzielles zu sagen hat. Was Ihre Presseinfo betrifft, bin ich mir noch nicht so ganz sicher. Die Headline - "TallyGenicom stellt sich völlig neu auf" - kommt sehr gewichtig daher. Das macht neugierig. Auch der erste Satz klingt spannend: "Mit alten Hüten kommen wir heute auf dem Druckermarkt nicht weiter. Neue Ideen sind gefragt", beginnt der Text sofort mit einem knackigen Zitat von Ihnen. Und dann erfahren wir, dass TallyGenicom kein reiner Druckerhersteller mehr sein will, sondern ganz im Trend der Zeit ein "Solution Provider". Oder, wie Sie es nennen: ein "Ideenpartner". Klingt toll!

Aber was bedeutet das Ganze jetzt in der Sache? Nun, da erfahren wir dann doch sehr schnell, dass auch TallyGenicom nur mit Wasser kocht. Ihre "neuen Ideen" finde ich nicht so unglaublich beeindruckend. Dass bei TallyGenicom "nicht mehr nur der Drucker im Mittelpunkt" steht, "sondern der gesamte Druckprozess, vom Output-Management bis hin zur wirtschaftlichen Versorgung mit Verbrauchsmaterialien", ist jetzt wirklich keine Erfindung Ihrerseits. Für TallyGenicom mag es neu sein, nicht aber für die Branche. Andere Hersteller tun dies bereits seit ein paar Jahren.

Aber sei's drum. In unserer Redaktion haben Sie mit Ihrer übergroßen Pressemitteilung jedenfalls eine rege Diskussion entfacht. Die einen fanden sie gut ("Wir diskutieren darüber, also hat Stahlschmidt sein Ziel bereits erreicht"), die anderen nicht ("Es kommt auch hier nicht auf die Länge an"). Ich gestehe, dass ich zur ersten Gruppe zähle, hoffe aber, dass Ihre Aktion bei den Herstellern jetzt nicht Schule macht. Sonst müssten wir mindestens noch einen weiteren Papiercontainer bestellen. Denn nach wie vor landen 90 Prozent der Pressemitteilungen im Müll.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

PS: Bin schon gespannt darauf, was Sie sich einfallen lassen, um bei einem Versand der Pressemitteilung per E-Mail aufzufallen.

Zur Startseite