Der Web-Server-Markt nach der Konsolidierungsphase

27.05.1999

MÜNCHEN: Mit dem Web-Server als isoliertes Produkt ist kein Geld zu verdienen. Erst Zusatzmodule und Mehrwertleistungen machen das Geschäft lohnend.Als die Web-Technologie im Jahr 1993 das Kernforschungslabor CERN verließ, war der sofort einsetzende Siegeszug dieses multimedialen Internet-Dienstes nicht vorhersehbar. Ursprünglich nur als plattformübergreifende Möglichkeit zur Darstellung und Verknüpfung von reinen Texten gedacht, entwickelte sich das Web innerhalb von fünf Jahren zu einem weltweiten Forum für den Transport von Bildern, Videos und Audiodateien.

Was 1993 mit gerade ein paar Dutzend Web-Servern angefangen hatte, ist zum explosionsartig wachsenden Moloch mit mittlerweile mehr als 50 Millionen Hosts mutiert. Und auf all diesen Rechnern muß die spezielle Software laufen, die Anfragen von Clients mit den gewünschten Texten und Bildern befriedigen kann.

Zu Anfang der Web-Euphorie gab es nur eine Handvoll von diesen Web-Server-Programmen. Am bekanntesten waren dabei der in den CERN-Labors entwickelte "httpd" sowie der "NCSA" vom gleichnamigen National Center for Computing Applications. Die Server-Software war noch im Internet frei erhältlich, kommerzielle Verwertung hat sich seinerzeit offenbar noch nicht gelohnt.

Microsoft entfachte den Browser-Krieg

Das änderte sich schlagartig als Microsoft relativ spät, nämlich erst Jahre 1995, das Internet auch für sich "entdeckte". Bis zu diesem Zeitpunkt befand sich der Web-Markt in einem relativ unschuldigen Stadium, denn es gab auch nur einen bedeutenden grafisch orientierten Web-Browser, den Netscape Navigator. Er löste den Mosaic-Browser ab, der einigen Web-Veteranen noch bekannt sein dürfte.

Doch nun trat Microsoft auf den Plan und trieb seinen "Internet Explorer" mit aller Macht nach vorne. Nach und nach eroberte sich dieser Browser Marktanteile, natürlich auf Kosten von Netscape.

Sogleich entbrannte zwischen den beiden ungleichen Unternehmen der sogenannte "Browser-Krieg", der schließlich in diversen weltweit beachteten gerichtlichen Auseinandersetzungen vor dem Washingtoner Bundesrichter kulminierte.

Momentan hat Microsofts Internet Explorer mit 48 Prozent Marktanteil die Nase vorn, Netscapes Browser wird nur noch von 38,5 Prozent der Web-Surfer verwendet. Der genaue Stand dieses Wettkampfes läßt sich

jederzeit unter der URL browser watch.internet.com/ verfolgen.

Mit dem Engagement von Software-Giganten wie Microsoft oder Oracle, aber auch von Hardware-Herstellern wie Sun oder IBM verlor das Web endgültig seine "Unschuld". Es gilt nun nicht mehr, lediglich einige Unternehmensinformationen oder ein paar Werbebroschüren ins Netz zu stellen, sondern die Großen wollen tatsächliche Geschäfte über das Web abwickeln. Im "Business-to-Business"-Bereich ist dies schon seit zwei bis drei Jahren gang und gäbe. Das beste Beispiel hierfür bietet der Netzwerkkrösus Cisco, der nach eigenen Angaben bereits heute 80 Prozent seines laufenden Umsatzes über das Internet generiert. Dieses Jahr sollen dies acht Milliarden, im kommenden Jahr gar 15 Milliarden Dollar werden.

Bis es in Europa oder gar in Deutschland soweit ist, dürften sicherlich noch einige Jahre vergehen. Nichtsdestotrotz eröffnen sich hier Internet-Service-Providern und Systemhäusern neue Geschäftsfelder. Denn am Verkauf oder Betrieb eines Web-Servers ist kein großes Geld zu verdienen. Erst mit der Einbindung von Warenwirtschaftssystemen in die IP-Infrastruktur läßt sich ein tatsächlicher Mehrwert schaffen.

Eine Chance für den VAR

Nur wenn man dem Kunden eine Komplettlösung für das elektronische Geschäft liefert, haucht man dem vielstrapazierten Begriff E-Commerce Leben ein. Hersteller wie Inprise (vormals Borland), Novell oder IBM bieten zwar einschlägige "E-Commerce"-Module an, doch die eigentliche Arbeit fängt für den Wiederverkäufer erst nach Auslieferung der Software beim Kunden an. Die Anpassung an das vorhandene Warenwirtschaftssystem und die IP-Infrastruktur kann sich leicht zu einem mehrmonatigen Projekt auswachsen.

Die Hamburger IS Internet Services GmbH (www.is-europe.net) bietet beispielsweise ihren Geschäftkunden eine VPN-gestützte (Virtual Private Network) Fernzugriffsmöglichkeit auf die unternehmensinternen SAP-R/3-Anwendungen. Dabei verspricht der Dienstleister, alle kundenspezifischen Sicherheitskriterien beim Online-Zugang zu erfüllem.

Aber es geht auch eine Nummer kleiner. Die Oldenburger Ecce Terram Internet Services GmbH (www.ecce-terram.de) berät vorwiegend mittelständische Kunden. Nach einer gründlichen Analyse des Online-Potentials erstellt der Internet-Dienstleister dem Kunden ein Konzept für den Web-Auftritt, den er dann auch technisch realisiert. Zusätzlich richten die Oldenburger auch Katalog- und Warenkorbsysteme für den elektronischen Vertrieb ein.

Der Apache liegt ganz klar vorne

Auf die Frage, welche Web-Server-Software dabei zum Einsatz kommt, erhält man vom Geschäftsführer Frank Simon eine eindeutige Antwort: Apache (www.apache.org). Dieser Web-Server belegt auch unangefochten die Nummer Eins in der Rangfolge der weltweit eingesetzten Server-Software (www.netcraft. com/Survey).

Warum das so ist? "Apache arbeitet nun mal am perfomantesten und kann leicht mit Zusatzmodulen bestückt werden", so Simon gegenüber ComputerPartner. "Wir haben es auch mit Netscapes Produkten versucht, aber die Browser-Oberfläche eignet sich nicht unbedingt zum Konfigurieren und Warten eines Web-Servers. Da tun wir es doch lieber mit unseren eigenen Scripts", umreißt der Firmengründer seine Geschäftstrategie.

Bei den ISPS hat Windows schlechte Karten

Stellvertretend für zahlreiche andere Internet-Service-Provider setzt Ecce-Terram auf Unix als Web-Server-Betriebssystem. "Unter Windows NT gibt es einfach zu viele Sicherheitslücken, durch die Hacker in unsere Server einbrechen könnten", erläutert Simon seine Abneigung gegenüber den Microsoft-Produkten. Statt dessen setzt er auf Hard- und Software von Sun. "Zwar ist auch Solaris selbstverständlich nicht ganz sicher, aber im Gegensatz zu Windows kennen wir hier all die Hintertüren, über die ein unerlaubter Zugriff möglich wäre. Mit diesen Gefahren können wir umgehen", wiegelt der Firmenchef ab. Auch mit den Rechnern von Sun ist Simon sehr zufrieden: "Unserer Meinung nach bieten die Sparc-Workstations das mit Abstand beste Preis-Leistungs-Verhältnis".

Zur Programmierung von Web-Server-Zusatzmodulen benutzen die Entwickler bei Ecce Terram Perl, Java und C. Linux kommt bei dem Internet-Dienstleister bisher nur als Spielwiese der Programmierer vor. "Sie setzen es zu Hause ein und bringen es anschließend ins Büro", schildert Simon die momentane Situation. Die weitere Portierung der damit entwickelten Anwendungen auf die Sun-Plattform ist nach Ansicht des Geschäftsführers ein Kinderspiel.

Linux auf dem Vormarsch

Überhaupt erfreut sich Linux einer zunehmenden Beliebtheit in der Internet-Szene. Zählt man zu den Web-Servern auch noch die News- und ftp-Hosts hinzu, so ist hier Linux mit 31,3 Prozent Marktanteil das eindeutig führende Betriebsystem, wie dies der Internet Operating System Counter leb.net/hzo/ioscount belegt. Erst dahinter folgen mit 24,3 Prozent die gesamten Windows-Versionen. Nimmt man gar alle Unix-Derivate zusammen, so beherrschen diese den Internet-Server-Markt zu über 70 Prozent. (rw)

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