Desktop-PCs kommen frühestens im nächsten Jahr

20.08.1998

MÜNCHEN: Bereits vor knapp zwei Jahren betraten die Japaner den amerikanischen PC-Markt. Doch das Deutschland-Debüt wurde immer wieder verschoben. Die Cebit Home dient jetzt als offizieller Auftakt zur Markteinführung der ersten Produkte."Für Sony ist der Eintritt in das PC-Geschäft genauso wichtig, wie damals die Einführung des Walkman vor 25 Jahren", will Andreas Ditter, Senior Manager Personal Computer Department bei Sony Information Technology in Brüssel, wissen. Stellt sich allerdings die Frage, warum sich der japanische Megakonzern erst zwei Jahre nach dem Start in den USA mit seinen PCs in den deutschen Markt traut. Der Grund für die Verzögerung, so vermuten Marktbeobachter, habe bisher an dem eher gebremsten Interesse gelegen, daß die "Vaio"-Rechner in den USA erregten. Gänzlich falsch ist diese Annahme offensichtlich nicht. So bestätigt der Sony-Manager gegenüber ComputerPartner, daß sich das Unternehmen ausreichend Zeit nehmen wolle, eine Strategie zu entwickeln, wie es gerade den Unwegsamkeiten des deutschen PC-Marktes am geschicktesten begegne. "Deutschland nimmt eine ganz besondere Rolle im PC-Geschäft ein. Hier einen Fuß auf den Boden zu bekommen, ist kein leichtes Unterfangen. Der Wettbewerb ist beinhart", so Ditter gegenüber ComputerPartner. Nun soll der Name "Vaio" zum Programm werden. Vaio steht für "Video Audio Integrated Operation" und soll Synonym sein für die von Sony wahrgenommene Konvergenz digitaler Produkte.

Doch Branchenkenner wissen auch, daß Sony unter Druck ist und man den Deutschlandstart nicht noch weiter in die Zukunft hätte verschieben können. Denn die Umsätze mit elektronischen Consumer-Produkten sind rückläufig und der UE-Handel - neben den Großflächenvermarktern Sonys wichtigster Vertriebskanal - steht schon seit längerem mit dem Rücken an der Wand. Neue Umsatzbringer stehen deshalb hoch im Kurs. "Insofern ist der Zeitpunkt günstig. Zudem gehen wir davon aus, daß, hervorgerufen durch den starken Preisverfall bei den PCs, ein Massenmarkt entstehen wird. Und das ist ein Terrain, auf dem wir uns wohlfühlen", fügt Ditter hinzu. Außerdem habe man abwarten wollen, bis Windows 98 verfügbar ist: Denn erst damit sei es möglich, die Hochgeschwindigkeits-Schnittstelle IEEE-1394 - bekannt unter dem Namen "Firewire" oder "i.Link" (Sony-Jargon) - optimal zu unterstützen. Und dieser ist im Vermarktungskonzept der Sony-Rechner eine Schlüsselrolle zugedacht.

Produkte nicht im Vordergrund

Die Japaner gehen davon aus, daß in naher Zukunft eine Vielzahl von Geräten der Kategorie Unterhaltungselektronik mit dieser Technologie verziert werde. Von der Video- und Digitalkamera über DVD-, Audio-CD- und Minidisk-Laufwerke (Sony-Entwicklung) bis hin zu Mobilfunktelefonen. "Wir wollen mit unseren Rechnern eine Plattform anbieten, die es erlaubt, diese Geräte miteinander zu verbinden. Und die heißt Vaio. Das Produkt steht bei uns nicht im Vordergrund. Wir sind kein klassischer PC-Hersteller und wollen auch keiner werden. Unser Ziel wird es sein, den in seiner Bedienung immer einfacher werdenden PC ins Zentrum aller digitalen Produkte zu rücken", erklärt der Sony-Marketier. Herauskommen solle dabei aber nicht die tausendste "Multimediageschichte", auch glaube man nicht daran, daß der PC in die heimischen Wohnzimmer Einzug halten werde. Es gehe vielmehr darum, den Nutzen eines PC dadurch zu erweitern, daß digitale Peripheriegeräte möglichst einfach angekoppelt werden können. "Der Vernetzungsgrad nimmt stetig zu. Es wird nicht mehr lange dauern, bis selbst Privathäuser und Wohnungsräume miteinander vernetzt werden. Das ist ein Trend, den wir sehr aufmerksam verfolgen, denn wir können uns vorstellen, daß wir die geeigneten Endgeräte dafür anbieten werden", blickt der Manager in die Zukunft.

So verwundert es kaum, daß das in Deutschland von Ex-C2000-Manager Karl Pohler geführte Unternehmen seinen Markteinstieg auf die konsumgüterträchtige Cebit Home verlegt hat. "Wir wollen in den Consumer-Markt. Dort zeigen wir unsere ganze Palette an digitalen Produkten und wollen den Besuchern zeigen, wie sie verknüpft werden können", rechtfertigt denn auch Ditter die säumige Produktvorstellung anläßlich der Cebit im März diesen Jahres.

Das auf den Privatkundenmarkt zugeschnittene Vermarktungskonzept trägt den Namen "Vaioworld". In dieser virtuellen Welt soll die Kundschaft erfahren, wie digitale Produkte miteinander kommunizieren können. Einfache Software soll es beispielsweise selbst Laien ermöglichen, per Handy und Notebook Kurznachrichten zu verschicken oder von der digitalen Videokamera heruntergeladene Filmsequenzen zu bearbeiten. Besitzer von Sony-Notebooks werden alsbald Mitglied im

"Club Vaio" und mit Hilfe eines im Internet eingerichtete Forums spezielle Dienste und Betreuung in Anspruch nehmen können (eine "Vaio-World für Händler wird ebenfalls angedacht).

Bis zu drei Jahren Garantie

Auch in puncto Garantie haben sich die Brüsseler (dort ist die IT-Abteilung von Sony Europe beheimatet) etwas einfallen lassen. Sie beträgt zwölf Monate. Wer sich allerdings binnen 14 Tage bei Sony registrieren läßt, bekommt zwei weitere Jahre Anspruch auf Gewährleistung "geschenkt".

"Wir haben diese Option im amerikanischen Markt getestet. Die Registrierungsquote liegt bei über 70 Prozent. Damit haben wir natürlich auch ein probates Werkzeug an der Hand, festzustellen, wie die Nachfrage im Markt tatsächlich ist. Der Filter Distributor entfällt, und wir wissen genau, wer sich ein Notebook gekauft hat", freut sich Ditter. Zudem werde die Lagerhaltung und die Kapazitätsplanung der in Japan produzierten Geräte vereinfacht (die Lokalisierung der Geräte übernehmen die Brüsseler).

Im Falle einer Reparatur verspricht das Unternehmen einen kostenlosen "Pickup-and-delivery-Service". Ein Kurier holt das defekte Gerät ab und stellt es dem Kunden nach der Reparatur wieder zu. Und auch im Support will das Unternehmen glänzen. Vom branchenüblichen Outsourcing dieser Dienstleistung will Sony nichts wissen. Im ebenfalls in der Europazentrale stationierten Callcenter ist nach Aussage von Ditter nur Sony-Personal tätig. "Wir gehen sogar so weit, daß jeder Kunde im Problemfall einen festen Ansprechpartner genannt bekommt. Dieser Mitarbeiter übernimmt für die gesamte Lebensdauer

des Produktes die Betreuung. Damit wollen wir dem Kunden das Gefühl geben, daß sich jemand persönlich um ihn kümmert", erklärt Ditter die Absichten.

Hinsichtlich des Vertriebs will der Anbieter keine "geschlossene Distribution" (Ditter) betreiben. Dahinter steckt, daß Sony mit einigen Retailern direkt in Geschäftsbeziehung steht und diese auch direkt beliefert. "Diese Verträge werden auch weiterhin ihre Gültigkeit besitzen", so Ditter gegenüber ComputerPartner. Als Distributoren, die vorwiegend den IT-Fachhandel beliefern, hat man die Dornacher Macrotron Distribution GmbH sowie den Willicher Notebook-Grossisten RFI Elektronik GmbH auserkoren. An einen ernst

haften Einstieg ins Projektgeschäft oder gar eine spezielle Betreuung von VARs oder Systemhäusern, die sich auf den Vertrieb mobiler Lösungen spezialisiert haben, ist jedoch nicht gedacht. Immerhin sollen aber einige "Motivationsprogramme" aufgelegt werden, um auch den PC-Fachhandel für die Sony-Produkte zu begeistern.

Ditter glaubt aber nicht, daß Sony im deutschen Notebookmarkt binnen der nächsten zwei Jahre unter die Top-Fünf aufsteigen werde. Für den Fall eines Fehlstarts will sich Ditter offensichtlich schon heute ein Hintertürchen offenhalten: "Wir sind sehr vorsichtig, denn wir wissen, daß der PC-Markt nicht nur hart umkämpft ist, sondern wir auch den Status des Neulings haben. Das wird sehr schwer werden, da machen wir uns nichts vor." (cm)

Mit dem "Vaio-Notebook" der 500er Serie soll der Markt für Subnotebooks neue Impulse bekommen. Die großen Brüder der 700er-Modellreihe sind auf Multimedia-Anwendungen getrimmt.

Sony-Deutschland-Chef Karl Pohler: Will die nächste PC-Welle in die hiesigen Haushalte schwappen lassen.

Zur Startseite