Deutsche IT- und TK-Infrastruktur hui - Nutzung des Potenzials pfui

13.02.2003
Trotz teilweise bester Technologieausstattung ist Deutschland noch lange keine führende Informationsgesellschaft. Eine aktuelle Studie des Bitkom zeigt die Stärken und Schwächen Deutschlands im internationalen Vergleich.

Der Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien) hat die Ergebnisse einer internationalen Studie vorgestellt, die den jeweiligen Reifegrad der verschiedenen Länder als Informationsgesellschaft darstellt. Auf der einen Seite errang Deutschland in einigen Bereichen wie etwa der Telekommunikations-Infrastruktur beste Ergebnisse. Auf der anderen Seite zeigt der Bitkom erhöhten Handlungsbedarf auf, etwa im Bildungswesen sowie im Gesundheitssystem und bei der öffentlichen Verwaltung.

Ganz weit vorn liegt Deutschland beispielsweise in Sachen GSM. Weltweit überstieg die Zahl der Mobilfunkteilnehmer im vergangenen Jahr erstmals die Marke von einer Milliarde. 70 Prozent nutzen den in Europa und Deutschland entwickelten GSM-Standard. Das Internet wird inzwischen von mehr als 600 Millionen Menschen weltweit genutzt, das sind 100 Millionen mehr als noch im Jahr zuvor. 54 Millionen Internetzugänge laufen bereits über Breitband-Anschlüsse. Dieses Wachstumstempo wird sich im Jahr 2003 nicht verlangsamen, sondern auf dem hohen aktuellen Niveau fortsetzen.

Die Bitkom-Studie zeigt aber auch, dass das stationäre Internet auf PC-Basis weiterhin im angelsäch-sischen Raum und in den skandinavischen Ländern den stärks-ten Zuspruch findet. Bei der PC-Ausstattung wird Deutschland auch längerfristig zu diesen Ländern nicht aufschließen können. "Die große Chance Deutschlands liegt im Zusammenwachsen von Mobilfunk, Breitband und Internet", kommentiert Bernhard Rohleder, Vorsitzender der Bitkom-Geschäftsführung, die neuen Daten. "Dieser Technologietrend hin zum mobilen, breitbandigen Internet kommt Deutschland entgegen."

Deutschland ist führend bei ISDN-Technologie

In einigen Bereichen hat Deutschland aber schon heute die Nase vorn. So wird ISDN immer mehr zum Standard in der festnetzbasierenden Telekommunikation. Jeder fünfte ISDN-Kanal der Welt liegt in Deutschland. Gut 25 Millionen ISDN-Kanäle sind hier zu Lande geschaltet. Im vergangenen Jahr wuchs die Zahl der Anschlüsse mit einem Plus von 15 Prozent abermals dynamisch. Damit sind die Zeiten durchgängig zweistelliger Wachstumsraten allerdings vorbei. Ab 2005 dürfte der deutsche ISDN-Markt zunehmend gesättigt sein.

Der Trend geht eindeutig hin zu breitbandigen Anschlüssen auf DSL-Basis. Die DSL-Technologie in Deutschland bietet Privatkunden zurzeit Übertragungsraten von bis zu 1,5 Mbit pro Sekunde im Down-load. Im vergangenen Jahr wurde in Deutschland zusätzlich eine Million DSL-Anschlüsse geschaltet. Bis zum Jahr 2005 soll sich die Zahl der DSL-Anschlüsse verdoppeln, von heute 3,2 auf dann 6,3 Millionen. Damit liegt Deutschland deutlich vor den USA weltweit in der Spitzengruppe.

Führend sind Südkorea und Dänemark. In den USA wird nur jeder dritte Breitbandanschluss über DSL realisiert. Jenseits des Atlantiks basieren stattdessen knapp elf Millionen Breitbandanschlüsse auf Kabelmodems. Jeder zehnte US-Haushalt nutzt das TV-Kabelnetz, um ins Internet zu gehen.

In dieser Beziehung erscheint Deutschland wie ein Entwicklungsland. Hier liegt die Anschlussrate bei mageren 0,2 Prozent, also um den Faktor 50 niedriger als in den USA. In keinem anderen Bereich hinkt Deutschland seinen Wettbewerbern so weit hinterher wie bei der Ausstattung mit Kabelmodems. Lediglich 0,4 Prozent der weltweit 23 Millionen Kabelmodems sind in Deutschland installiert.

Dafür gibt es aber einen triftigen Grund: Das hier zu Lande geringe Interesse am Internetzugang über TV-Kabel liegt an der fehlenden Leistungsfähigkeit deutscher Kabelnetze. Nur in wenigen Regionen sind die Netze überhaupt in der Lage, wesentlich mehr als nur Rundfunk- und Fernsehprogramme zu übertragen. Zumeist fehlen die Rückkanal-Fähigkeit und die Bandbreite für Datenanwendungen. In dieser Hinsicht hat Deutschland gegenüber den USA, aber auch einigen europäischen Nachbarländern wie den Niederlanden, Belgien und Österreich starken Nachholbedarf.

Dies ist in den Augen der Bitkom-Verantwortlichen umso bedauerlicher, als das Kabelnetz bei uns sehr eng geknüpft ist. 54 Prozent der deutschen Haushalte verfügen über einen Kabelanschluss. Aber erst wenn die Kabelnetze technisch aufgerüstet seien, würden sie als Infrastruktur für multimediale und sonstige Internetdienste wirklich attraktiv.

Vor diesem Hintergrund ruft der Bitkom gerade die strukturschwachen Bundesländer auf, den Strukturentwicklungsfonds der Europäischen Union stärker als bisher in Anspruch zu nehmen, um die notwendigen Aufbauleistungen zu unterstützen.

Nutzungsgrad des Internet steigt weiter

Im Jahr 2003 wird in der Internetnutzung ein wichtiger Meilenstein erreicht werden: Jeder zweite Deutsche wird dann regelmäßig im Internet unterwegs sein. 2002 lag die Internetrate noch bei 44 Prozent. Knapp fünf Millionen Deutsche sind im vergangenen Jahr erstmals online gegangen. Bis 2005 sollen jährlich weitere vier bis fünf Millionen hinzukommen. Die deutsche Internetgemeinde wächst somit bis dahin auf 50 Millionen Mitglieder. In absoluten Zahlen gesehen stellt Deutschland nach den USA und nur knapp hinter Japan weltweit den drittgrößten Internetmarkt.

Eine deutlichere Diskrepanz zum US-Markt zeigt sich bei den installierten PCs. In Deutschland sind inzwischen 29 Millionen PCs in Gebrauch, und im Jahresverlauf 2003 soll die 30-Millionen-Marke überschritten werden. Damit verfügt jeder zweite deutsche Haushalt über einen eigenen Rechner. Deutschland liegt hier leicht über dem europäischen Schnitt, allerdings deutlich hinter den USA. Jahr für Jahr vergrößert sich die installierte Basis um etwa 1,5 Millionen Geräte. Diese Werte klingen nicht schlecht, man muss sie aber in Relation zu anderen Ländern sehen. Sehr viel stärkere Wachstumsraten weist zurzeit insbesondere Japan auf. Allein im Jahr 2001 wurden dort zehn Millionen zusätzliche PCs installiert, 2002 waren es fünf Millionen.

Zweite Chance dank UMTS

In der Mobilkommunikation hat Deutschland eine einzigartige Aufholjagd hinter sich. Im Jahr 2000 hatte sich die Zahl der mobilen Anschlüsse auf 48 Millionen verdoppelt. Und die Zahl der Mobilfunkteilnehmer steigt weiter. Bis Ende 2005 darf mit 70 Millionen Anschlüssen gerechnet werden, zurzeit liegen wir bei knapp 60 Mil-lionen. Inzwischen gibt es mehr mobile als Festnetzanschlüsse.

UMTS bringt zusätzliche Spannung in den Markt. Mit diesem Übertragungsstandard eröffnet die Mobilkommunikation nach Ansicht des Bitkom jenseits der Übertragung von Sprache und Kurznachrichten völlig neue Möglichkeiten für hochleistungsfähige Anwendungen. Rohleder gibt sich optimistisch: "Nachdem in den 90er-Jahren Festnetzkommunikation und Internet verschmolzen, wachsen nun Mobilkommunikation und Internet zusammen. 2003 wird damit zum Startpunkt in die mobile, digitale Internetwelt." Nachdem Deutschland in den 90er-Jahren den Internetzug zunächst verpasst hatte, "bekommen wir nun im Zuge von UMTS eine zweite Chance. Wenn wir diese nicht nutzen, wird der Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig dort landen, wo der Bildungsstandort Deutschland heute leider ist - am unteren Ende der Skala", so Rohleder.

Miserable Noten für Bildung und Gesundheitswesen

Ein Armutszeugnis stellt der Bitkom weiterhin den deutschen Schulen aus. In deutschen Sekundarschulen mussten sich 14 Schüler einen PC teilen, und auf jeweils 25 Schüler kam ein Internetzugang. In Dänemark stand demgegenüber auf jeder Schulbank ein PC mit Internetanschluss. Auch im E-Government sieht der Bundesverband dringenden Handlungsbedarf: Deutschland müsse wegkommen vom aktuellen Flickenteppich unterschiedlichster Modelle, hin zu einem gemeinsamen Ansatz. Rohleder dazu: "Wir brauchen einen Masterplan, der die zahlreichen Einzelinitiativen verknüpft und über ein gemeinsames Online-Portal allgemein zugänglich macht."

Nachholbedarf sieht der Bitkom auch im Gesundheitswesen. Während es in Großbritannien, Schweden und Finnland kaum noch eine Arztpraxis ohne Internetanschluss gibt, arbeiten in Deutschland immer noch 55 Prozent aller Allgemeinmediziner völlig offline. Lediglich sechs Prozent der deutschen Allgemeinmediziner nutzen den PC für den Austausch von Patientendaten. "Damit bilden wir das Schlusslicht in Europa, hinter Irland, Portugal und Griechenland", so Bitkom-Geschäftsführer Rohleder. In deutschen Praxen und Krankenhäusern würden Daten weiterhin überwiegend von Hand eingegeben und konventionell übermittelt. Das sei kostenintensiv und fehleranfällig. Die medizinische Versorgung ließe sich seiner Ansicht nach deutlich verbessern, wenn ein einheitlicher Informations- und Kommunikationsstandard im Gesundheitswesen eingeführt würde. Dieser Standard könnte von Arztpraxen, Krankenhäusern, Apotheken und Krankenversicherungen eingesetzt werden. Ein wichtiger Teil eines solchen Programms sei nach Bitkom-Ansicht die Gesundheitskarte, und deshalb würden diese Themen mit ins Zentrum der aktuellen gesundheitspolitischen Überlegungen gehören.

Wachstum hängt stark von ITK-Technologie ab

Die Investitionen in Informations- und Kommunikationssysteme tragen inzwischen erheblich zum Wirtschaftswachstum der meisten Länder bei. In Deutschland könnte man laut Bitkom aber noch sehr viel mehr aus diesen Technologien herausholen. Anfang der 80er-Jahre lag der ITK-Beitrag zum Wirtschaftswachstum in den großen Industrienationen zwischen 0,2 und 0,4 Prozentpunkten. In den Jahren 1995 bis 2000 hat sich dieser Wert in den meisten Ländern verdoppelt. Durchschnittlich 0,9 Prozentpunkte des gesamtwirtschaftlichen Wachstums in den USA waren ITK-Investitionen zuzurechnen. Deutschland lag mit einem Wert von 0,4 Punkten auf einem Niveau, das in den USA bereits Anfang der 80er-Jahre erreicht worden war. "Informations- und Kommunikationssysteme sind Katalysatoren für die Leistungsfähigkeit eines Landes. Das müssten wir in Deutschland noch stärker in allen Bereichen nutzen", so Rohleder.

www.bitkom.org

ComputerPartner-Meinung:

Im internationalen Vergleich hält sich Deutschland in Sachen Technologie eigentlich ganz wacker. Jedoch haben sich in dieser aktuellen Studie des Bitkom einige markante Schwachstellen gezeigt, vor allem bei der richtigen Ausnutzung der bestehenden Potenziale. Das ist schade, aber andererseits auch eine große Chance für den Fachhandel. Er muss nur diesen Nachholbedarf bei möglichen Kunden - vor allem im Gesundheitswesen und bei der öffentlichen Verwaltung - aufdecken und abstellen. (go)

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