Deutsche Sprache - schwere Sprache

11.04.1999
Wir Redakteure ringen tagtäglich um Worte, sind des korrekten Sprachgebrauchs aber in der Regel mächtig. Doch manchmal wissen auch wir nicht weiter: Bei ComputerPartner beschäftigen wir uns mit Informationstechnologie - oder doch eher mit Informationstechnik? Diese Frage ließ uns nicht mehr los. Glücklicherweise bekamen wir Antwort aus berufenem Munde, nämlich von Jochen Bär von der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden:

Deutsche Sprache - schwere Sprache. Vor allem, wenn es um ähnliche Wörter geht. Was ist der Unterschied zwischen senden und schicken? Antwort: "Monsieur ist ein Gesandter", sagte Bismarck, "aber kein geschickter". Was ist der Unterschied zwischen Bänken und Banken? Antwort: Lieber bei diesen sein Geld hinterlegen als auf jenen. Was ist der Unterschied zwischen einem Informanten und einem Informanden? Antwort: Der erste liefert Informationen, der zweite soll welche erhalten.

Und der Unterschied zwischen Informationstechnik und Informationstechnologie? - Einem der großen Wörterbücher der deutschen Gegenwartssprache, dem achtbändigen "Duden" zufolge befaßt sich die Informationstechnik mit den Möglichkeiten zur Übermittlung und Verbreitung von Information durch die Technik (die Maßnahmen, Einrichtungen und Verfahren, die dazu dienen, die Erkenntnisse der Naturwissenschaften für den Menschen praktisch nutzbar zu machen). Informationstechnologie hingegen ist die Technologie (das technische Wissen, die Gesamtheit der technischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Möglichkeiten) der Gewinnung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen.

Fragt man nach den Grundbestandteilen beider Wörter, so findet sich einerseits das lateinische Substantiv informatio (>Auskunft, Nachricht, Belehrung<), das von einem Verb informare (>formen, gestalten, unterrichten<) abgeleitet ist (darin wiederum steckt forma >Form, Gestalt<), andererseits das griechische Substantiv techne (>Handwerk, Kunst, Kunstfertigkeit<). Beide Wörter, Informationstechnik und Informationstechnologie, sind Wortbildungen, deren identisches Bestimmungswort Information ist. Die Differenz liegt im Grundwort: In Technologie steckt zusätzlich das griechische logos (>Wort, Geist<) beziehungsweise logia (>Reflexion, Wissenschaft<). Wenn also Technik die Kunst ist, Wissen umzusetzen, so ist Technologie die Lehre von der Technik, das Wissen von der Kunst, Wissen umzusetzen. Der Unterschied ist der von Tun und Nachdenken, Praxis und Theorie.

Der theoretische Unterschied. In der (sprachlichen) Praxis nämlich läßt er sich kaum noch finden. Spätestens seit den 60er Jahren wird Technologie - wohl unter dem Einfluß des englischen technology - zunehmend mit Technik gleichgesetzt. Der Mainzer Sprachwissenschaftler Peter Schmitt führte dies 1987 auf eine qualitative Differenz der sogenannten "neuen Technologien" zu den herkömmlichen Techniken zurück: Während letztere vor allem "Erweiterung der physischen Fähigkeiten des Menschen, also im Grunde >Werkzeuge<" gewesen seien, würden mit den neuen Technologien "erstmals auch seine >Denkzeuge< artifiziell projiziert und ersetzt", so Schmitt in der Zeitschrift "Muttersprache". Sie seien damit "reflexiver Natur", und dieser Unterschied verwische die traditionelle Trennung zwischen Wissenschaft und Technik, Ingenieur und Techniker und den Begriffen Technologie und Technik.

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