Deutschlands Top-Distributoren rüsten für den Kampf um Marktanteile

20.02.1998

MÜNCHEN: Nachdem in der hiesigen Disti-Landschaft nach den zahlreichen Übernahmen der letzten Zeit weitestgehend Ruhe eingekehrt ist, gehen die großen Distributoren nun daran, ihre Strukturen zu ordnen. CHS, die mit dem Kauf von Merisel, Frank & Walter (F&W) und Karma am häufigsten in den Schlagzeilen war, hat sich eine Holding verpaßt. Macrotron, die unter das Dach von Tech Data geschlüpft ist, muß sich von der Börse zurückziehen. Und Computer 2000 will vor allem durch die Erschließung neuer Wachstumsmärkte Anschluß an die Spitze halten.

Für Frank Garrelts, Geschäftsführer des Distributors Microteam GmbH, liegen die Vorteile der Merger und Zusammenschlüsse unter den Distributoren auf der Hand:

"Durch die Konzentration auf wenige große Distributoren wird der Preisvergleich für den Händler immer einfacher. Die kapitalstarken Broadliner werden auch 1998 um Marktanteile kämpfen und damit dem Händler manchen Einkaufsvorteil gewähren." Ganz so euphorisch beurteilt Margot Lehmair, Geschäftsbereichsleiterin Computer/Bürotechnik bei Schulz Bürozentrum GmbH, die neue Situation jedoch nicht. "Natürlich reduzieren sich durch den Zusammenschluß der Distributoren meine Ansprechpartner, und ich brauche dadurch nicht mehr so viele Preise zu vergleichen. Ob sich aber qualitativ und preislich etwas ändert, bin ich mir nicht sicher", so Lehmair.

Doch wie auch immer: Im Moment haben die hiesigen Top-Distributoren erst einmal ganz andere Probleme, nämlich ihre Strukturen neu zu ordnen und Geschäftsfelder zu sortieren. Für CHS bedeutete das die Gründung einer Holding. So bündelt die CHS Electronics Holding in Fürstenfeldbruck künftig für den deutschsprachigen Raum die administrativen Bereiche, wogegen die operativen Bereiche weiterhin firmenspezifisch geführt werden (siehe Grafik). Die DNS Network Solutions und der Spezialdistributor Karma bleiben von dieser Neustrukturierung unberührt. CHS-Deutschland-Chef Helmut

Schmitt hofft dadurch, Geschäftsabläufe zu optimieren, Kosten zu minimieren und dem Fachhandel verstärkte Preisvorteile zu bieten.

Überhaupt fühlt sich CHS für die Zukunft gut gerüstet. Mit der Muttergesellschaft CHS Electronics Inc. im Rücken geht man auch in diesem Jahr auf erneute Einkaufstour. Ganz oben auf der Wunschliste stehen dabei US-amerikanische Großhändler, wie CHS-Chef Claudio Osorio verriet. "Eine oder mehrere Firmen" habe CHS im Visier. Um den US-Markt wirklich ernsthaft angehen zu können, brauche man aber Distributoren mit einem Umsatzvolumen von mindestens 2,5 Milliarden Dollar. Und damit nicht genug: Laut Schmitt müssen die anvisierten Unternehmen unbedingt profitabel sein. Betont der Deutschland-Chef mit Blick auf die Ameriquest-Pleite von Computer 2000: "Wir wollen nicht den gleichen Fehler machen."

Trotz der neuen Holdingstruktur werden alle CHS-Zukäufe laut Schmitt auch künftig selbständig und eigenfinanziert bleiben. "Es ist für uns sehr wichtig, daß wir die beiden Modelle von CHS und F&W beibehalten, damit wir keine Kunden verlieren", so Schmitt. Angst, daß die Geschäftstätigkeit der einzelnen Firmen damit aus dem Ruder laufen könnte, hat er nicht: "Wir haben für alle Bereiche konkrete Business-Pläne und ein strenges Reporting. Und daran müssen sich alle halten."

Viel zu tun gibt es auch bei Macrotron. Neben dem Bau eines neuen Logistikzentrums und der Vereinheitlichung des EDV-Systems

(vgl. ComputerPartner 1/98, Seite 12) steht dem Konzern eine neue Rechtsform und damit verbunden der Rückzug von der Börse ins Haus. Nach der geplanten Verschmelzung der Macrotron Distribution GmbH auf die Macrotron AG und deren anschließende Umwandlung in eine GmbH & Co. KG wird Macrotron allem Anschein nach von der Börse verschwinden. Michael Kaack, Vorstandsvorsitzender der Macrotron AG, läßt keinen Zweifel daran, das dieser Weg der richtige ist. "Das Kapital, was wir auch künftig benötigen werden, kann uns unsere Mutter Tech Data in den USA leichter und günstiger beschaffen", erklärt Kaack. Außerdem sei es nicht üblich, daß europäische Tochtergesellschaften von US-amerikanischen Unternehmen einzeln als AGs am Markt agieren würden.

Macrotron auf dem Weg zum "Global Player"

Auch für die Kunden eröffne die Integration in den Tech Data-Konzern neue Potentiale. Betont Kaack: "Die starke Marktposition von Tech Data als zweitgrößtem IT-Distributoren weltweit erlaubt die Nutzung von gemeinsamen Lieferantenverträgen und Einkaufsmöglichkeiten, globaler Finanzierung und weltweiter Kundenbeziehungen auch für die deutsche Gesellschaft."

Mit der Unterstützung von Tech Data will sich Macrotron nun endlich zum "Global Player" aufschwingen. Nur wer diesen Weg einschlage, könne künftig überleben, so Kaack.

Daher plane man auch die Akquisition und Gründung neuer Tochtergesellschaften im europäischen Ausland. Abgesehen von diesen Expansionsgelüsten weiß Kaack genau, wohin sein Unternehmen steuern muß. "Die Leistung eines Distributors liegt zunehmend in der Betreuung des Kunden. Dinge wie Logistik, DV, E-Commerce und Channel-Assembly werden daher immer wichtiger", konstatiert Kaack.

Wer ist die Nummer eins im deutschen Disti-Zirkus?

Im Vergleich zu Macrotron und CHS geht es bei der Computer 2000 GmbH in München relativ ruhig und gelassen zu. "Wir haben ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr 1996/97 hinter uns und werden auch in diesem Jahr mit einem Rekordergebnis unserer Muttergesellschaft eine Freude gemacht", meint Joachim Prinz, Sprecher der Geschäftsführung. Zurückzuführen sei die knapp 30prozentige Umsatzsteigerung im vergangenen Geschäftsjahr vor allem auf den Erfolg der Business-Units. Erklärt Prinz: "Wir können mit den Business-Units das Know-how eines Nischendistributors mit den Kostenvorteilen eines Broadliners verbinden." Ein Vorteil, der sich sowohl im vergangenen Geschäftsjahr als auch im ersten Quartal positiv ausgewirkt habe. "Wir konnten dadurch beispielsweise den Umsatz im Softwarebereich um 25 und im PC-Bereich um 80 Prozent steigern", so Prinz. Die Konsequenz: "Auch künftig wollen wir in jedem Bereich mindestens genauso gut sein wie ein Nischenanbieter, aber das unter dem Dach eines Broadliners."

Daß das Wachstum trotzdem nicht gereicht hat, um CHS vom Thron der deutschen Top-Distributoren zu stoßen, stört den C2000-Statthalter wenig. Prinz: "Wir glauben, daß sich qualitatives Wachstum mehr und mehr als Erfolgsstrategie herausstellt und nicht die Addition von Umsätzen." Und obwohl Computer 2000 in der Tat quantitativ nicht mehr die Nummer eins ist, beanspruchen die Münchner die "qualitative Marktführerschaft" (Prinz) für sich. Was er unter "qualitativer Marktführerschaft" versteht, erklärt Prinz so: "Neben der Erhöhung der Produktverfügbarkeit und der Erreichbarkeit haben wir es geschafft, daß wir bei mehr als der Hälfte unserer 20 Top-Hersteller auf Platz eins stehen. Und wenn bei mir eine Firma Microsoft am Tisch sitzt und mir sagt, daß ich bei ihnen die Nummer eins bin - was will ich dann noch mehr?" Doch dieses Argument will CHS-Chef Schmitt nicht gelten lassen: "Wir könnten sicher mit ähnlichen Statistiken wie Computer 2000 aufwarten." Und fügt hinzu: "Natürlich sind wir durch Zukäufe gewachsen, aber auch die Ex-Merisel hat in all den Jahren ordentlich zugelegt."

Doch trotz des Optimismus, den Prinz ausstrahlt, weiß er, daß der Wettbewerb unter den Distributoren auch künftig hart sein wird. "Es ist zwar jetzt der Punkt gekommen, an dem nicht mehr so viele Zusammenschlüsse zu erwarten sind. Das heißt aber nicht, daß sich der Wettbewerb nicht weiter verschärfen wird. Im Gegenteil: Das Marktwachstum wird nicht mehr so hoch sein und deshalb werden die Key-Player verstärkt um Marktanteile kämpfen", glaubt er.

Um dafür gerüstet zu sein und um die Scharte mit der eigenen PC-Handelsmarke wieder auswetzen zu können (der C2000-PC wurde in aller Stille wieder aufgegeben), will Computer 2000 nun verstärkt den Assemblierermarkt angehen. "Wir haben mittlerweile alle Produkte der Hersteller an Bord, die unsere Fachhändler zum Assemblieren brauchen", erklärt Prinz. Für den Partner hieße das One-Stop-Shopping vom Gehäuse bis zur Software. "Natürlich sind in diesem Marktsegment schon andere unterwegs, aber ich glaube, daß wir etwas bieten können, was andere nicht haben", gibt sich der C2000-Geschäftsführer zuversichtlich. Immerhin würden hierzulande pro Quartal rund 400.000 PCs geschraubt. Prinz: "Deshalb brauche ich nicht zu betonen, daß ich dort auch dabei sein will." Weitere Wachstumsfelder sieht er in der digitalen Photografie und dem Kommunikationsbereich.

Der Assemblierermarkt lockt Computer 2000

Gespannt sein darf man in jedem Fall, wie sich Computer 2000 in puncto Assemblierung gegen die starke Konkurrenz aufstellt. Denn die, daran lassen weder Macrotron noch Frank & Walter einen Zweifel, werden sich nicht so einfach die Butter vom Brot nehmen lassen. Frank Lehmann, Geschäftsführer der Braunschweiger Frank & Walter, jedenfalls kann nach eigenem Bekunden trotz des C2000-Vorstoßes weiterhin "gut schlafen". Betont Lehmann: "Wir haben auf diesem Gebiet einen Vorsprung und können beruhigt zuschauen, was der Wettbewerb macht."

Und auch Macrotron-Chef Michael Kaack sieht die ganze Sache ge-

lassen. "Wir sind auf diesem Gebiet so gut, daß wir keine zusätzlichen Wettbewerber fürchten müssen. Computer 2000 könnte uns zwar in anderen Bereichen gefährlich werden, aber in der PC-Assemblierung nicht." (sn)

Während CHS-Chef Helmut Schmitt (links) sein Unternehmen unangefochten auf Platz eins der deutschen Distributoren sieht, beansprucht Computer 2000-Geschäftsführer Joachim Prinz (Mitte) die "qualitative Marktführerschaft" für sich. Macrotron-Vorstandschef Michael Kaack (rechts) sieht die Zukunft der Distribution vor allem auch im Channel-Assembly.

Die neue Holding soll die Synergien aus dem Zusammenschluß von CHS Electronics und Frank & Walter stärker nutzen. Daher wurden verschiedene Bereiche in den Ländern Deutschland, Österreich und der Schweiz unter einem Dach zusammengeführt. Nicht betroffen von der neuen Struktur ist die DNS und Karma.

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