Die aktuelle Marktentwicklung bei Handheld-Computern

29.07.1999

BAD FRIEDRICHSHALL: Handheld-Computing wie wir es heute kennen, wird sich schon bald verändern. Um ihre Geräte für ein Massenpublikum richtig interessant zu machen, haben die Hersteller vor allem in puncto Formfaktor und Anwenderfreund- lichkeit noch Hausaufgaben zu machen. Wolfram Herzog* wirft einen Blick auf die aktuelle Marktsituation und gibt eine Einschätzung zu zukünftigen Trends ab.Der Markt für Handheld-Geräte ist in aller Munde, es werden von den Marktforschern (schon seit Jahren) horrende Wachstumsraten prognostiziert. Gleichzeitig hält sich aber die Begeisterung im Fachhandel in engen Grenzen, denn der Abverkauf der Geräte ist doch eher schleppend. Zwar ist die Nachfrage stabil, aber es ist kein signifikantes Wachstum zu erkennen.

Entwicklung bei der Hardware

Seit etwa zwei Jahren ist erhebliche Bewegung in den deutschen Hardwaremarkt für Handheld-Computer gekommen. War er zuvor fest in der Hand von Casio, Sharp und Psion, so ist mittlerweile der Markt durch eine Vielzahl von Herstellern gekennzeichnet. Dabei ähneln sich die angebotenen Geräte in ihren Leistungsmerkmalen teilweise sehr stark.

Derzeit sind im wesentlichen die folgenden Produktgruppen im deutschen Markt vertreten:

- einfache Datenbanken und Low-End Organizer (Casio, Sharp und diverse Fernosthersteller)

- PC-Companion Geräte (beispielsweise "Palm" von 3Com und Windows-CE-Geräte)

- klassische Palmtops (etwa Psion "Serie 3" und "Serie 5")

- Handheld-PC-Subnotebooks (beispielsweise "Jornada 820" von Hewlett-Packard)

- sogenannte Kommunikatoren (wie etwa Nokia "9110")

Der Markt für einfache Datenbanken und Low-End-Organizer ist seit Jahren auf hohem Niveau stabil, wird aber nahezu ausschließlich über die Retail-Massenkanäle vermarktet. Da in diesem Markt aber keine gravierende Änderung zu erwarten sind, soll an dieser Stelle eine eingehende Betrachtung der übrigen Gerätegruppen erfolgen.

Betrachtet man die geänderten Arbeitsweisen in der modernen Bürowelt und die daraus resultierenden Wünsche der Anwender, so ergibt sich folgendes Bild:

Erstens: Der PC hat sich als persönliche, zentrale Wissensbasis etabliert. Dort werden Texte geschrieben, Nachrichten gesendet und empfangen, im Internet gearbeitet, wichtige Adressen, Termine und vieles mehr gespeichert. Nun möchte der Anwender auf diese Informationen aber auch zugreifen können, wenn er seinen Schreibtisch verläßt. Er möchte diese Informationen mit sich herumtragen können.

Anbindung noch zu kompliziert

Damit fällt der Qualität der PC-Anbindung eines Handheld-Gerätes eine zentrale Rolle zu. Leider sind jedoch die meisten Systeme zur PC-Anbindung viel zu kompliziert bei der Installation oder Inbetriebnahme und im täglichen Gebrauch zu umständlich für den Benutzer.

Zweitens: E-Mail wird immer wichtiger. Mittlerweile werden in Deutschland jeden Tag erheblich mehr E-Mails als Faxe verschickt. Die geschäftliche Kommunikation ist immer stärker von der elektronischen Post abhängig. Damit wird auch die Möglichkeit mit einem mobilen Gerät E-Mails zu senden oder zu empfangen von zentraler Wichtigkeit.

Dadurch gewinnt dann auch der Mobilfunk eine völlig neue Bedeutung. Durch das GSM-Netz kann der Nutzer theoretisch immer und überall

online gehen und seine Mails abrufen. Daher wird die Qualität der GSM-Datendienst-Integration ganz entscheidend für den künftigen Erfolg der Handheld-Computer sein (die Möglichkeit, mit dem Gerät auch zu telefonieren, ist dabei schon fast eine Selbstverständlichkeit).

Drittens: Der Formfaktor, das heißt Größe und Gewicht, ist der Schlüsselfaktor für den Verkaufserfolg eines Gerätes schlechthin. Um die beiden zuvor genannten Wünsche der Anwender auch tatsächlich im täglichen Gebrauch erfüllen zu können, muß der Benutzer das Gerät ständig mit sich führen. Hier sind Größe und Gewicht die entscheidenden Punkte für die Akzeptanz. Zwei prominente Beispiele: Der Erfolg der Palm-PDAs von 3Com liegt nicht zuletzt an dem hervorragenden Formfaktor, der Mißerfolg der ersten Generation der Windows-CE-Geräte zu einem nicht unerheblichen Teil an deren hohem Gewicht und den viel zu großen Abmessungen.

Zukunftsaussichten

In Zukunft wird sich der gehobene Markt im wesentlichen auf zwei Segmente konzentrieren: Zum einen auf kleine, sehr handliche Geräte mit sehr guter Integrationsfähigkeit, um einen nahtlosen Datenaustausch mit dem Desktop-PC zu erlauben. Zum anderen auf Geräte die alle Merkmale eines Telefons und eines Palmtops in einem Gerät vereinigen werden. Hier werden E-Mail und Internet im weitesten Sinne die treibenden Kräfte sein. Der große Erfolg des neuen Nokia Communicator 9110 in den letzten Wochen seit der Markteinführung zeigt beispielhaft, wohin die Entwicklung in diesem Segment gehen wird.

Die von einigen Herstellern angepriesene Zwei-Geräte-Lösung, also High-End-Palmtop und ein Handy, wird sich kaum in großen Stückzahlen am Markt behaupten können, denn hier stimmen Formfaktor und Bedienungsphilosohie einfach nicht. Der wirklich mobile Einsatz dieser Systeme, am Flughafen, auf der Messe usw. und nicht nur in der abendlichen Ruhe des Hotelzimmers, zeigt schnell die Grenzen der Praktikabilität einer solchen Two-Box-Solution auf.

Und damit steht fest, daß es der klassische Palmtop, so wie man ihn heute kennt, in Zukunft sehr schwer haben wird. Die Gewinner werden die PC-basierten, lokal zu aktualisierenden Geräte und die mit GSM-Funktionen ausgestatteten Profigeräte sein.

Software-Trends

Aus den oben genannten Anforderungen wird außerdem klar, daß der Kunde in Zukunft klare Aufgabenstellungen mit dem Einsatz von Handheld-Geräten lösen will.

Deshalb müssen Softwareprodukte für Handheld-Geräte dem Kunden einen klaren, sofort erkennbaren Vorteil bieten, um sein spezifisches Problem zu lösen.

Dies wird Software erfordern, die modular aufgebaut ist und sich möglichst flexibel an die Bedürfnisse der Anwender anpassen läßt. Gleichzeitig wird die Installation und Inbetriebnahme solcher Systeme erheblich mehr Know-how erfordern, da solide Kenntnisse über die mobilen Systeme, die eingesetzten Kommunikationskanäle und die anzubindenden Host-Systeme von Nöten sind.

Dies bietet dem engagierten Fachhandel die Chance, sich von den preisaggressiven Kanälen durch qualifizierte Beratung und einen hohen Kundennutzen abzuheben.

Das größte Potential liegt zur Zeit eindeutig in der Verbesserung des Informationsflusses zwischen Zentrale und Außendienst in Unternehmen. Schlüsselkriterium ist auch hier die Geschwindigkeit, mit der Daten und Vorgänge zwischen Außendienst und Zentrale ausgetauscht werden können.

Dieser Trend bestätigt sich auch durch die sehr große Nachfrage nach entsprechenden nutzenorientierten Systemlösungen.

*Wolfram Herzog ist Geschäftsführer der Yellow Computing Computer-systeme GmbH in Bad Friedrichshall, einem Unternehmen, das den Fokus auf die Entwicklung von branchenspezifischen Softwarelösungen für Handheld-Systeme legt. Dabei werden sowohl Standardsoftware als auch branchenspezifische Systemlösungen entwickelt.

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