Die Anbieter können zufrieden sein

25.06.1998

MÜNCHEN: Norbert Rech, Inhaber der Dr. Rech Industrieberatung GbR in Haar bei München, ist seit vielen Jahren im CAD-Markt aktiv. Bevor er 1979 sein eigenes Unternehmen gründete, war er für die CAD-Anbieter Applicon und Control Data aktiv. Er berät Unternehmen bei der System-Evaluation von CAD-Systemen und beschäftigt sich vor allem mit Schnittstellen für den Datenaustausch (STEP, IGES, VDAIS und andere). Das Interview führte CP-Mitarbeiter Ulrich Kramer.

Sie sind Unternehmensberater für den Einsatz von CIM-Systemen? Wie entwickelt sich der Markt zur Zeit, welche Trends sind erkennbar?

RECH Es sind eine Reihe von Trends erkennbar. Ein Aspekt, der immer mehr Bedeutung erlangt, ist der Austausch von Daten in jedweder Form, innerhalb von Unternehmen und Konzernen, zwischen Geschäftspartnern, aber auch zwischen einzelnen Programmen oder Programmteilen. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die Schnittstelle STEP. Fast alle Anbieter testen zur Zeit den Austausch von Informationen mit anderen Systemen via STEP oder befinden sich in der Programmierphase. Endlich steht auf internationaler Ebene eine Schnittstelle für den Austausch von Daten zur Verfügung, die monatlich besser wird, aber letztendlich noch nicht ganz fertig ist. Wurde früher ein eher monolithischer Ansatz verfolgt, möglichst alle Probleme mit nur einer Software erschlagen zu wollen, so trägt der verbesserte Datenaustausch auch dazu bei, daß in unterschiedlichen Bereichen auch unterschiedliche CAD-Lösungen zugelassen werden.

Darüber hinaus sind die Schnittstellen IGES, VDAFS, und DXF für viele CAD-Systeme vorhanden und haben einen solchen Reifegrad erreicht, daß der Austausch von Geometriedaten meistens möglich ist.

Ein weiterer Trend ist die Verwendung von Standards. Product Data Management sowie die Verfügbarkeit von Bibliotheken - seit einiger Zeit auch im 3D-Umfeld - werden die Effizienz von CAD-Systemen zunehmend verbessern. Die mehrfache Nutzung von Daten steht hierbei im Vordergrund.

Die stetig sinkenden Hardwarekosten bei weitestgehend stabilen Softwarepreisen tragen dazu bei, daß CAD-Systeme auch für immer mehr kleine und mittlere Firmen interessant werden. Ingenieurbüros, Architekten, aber auch andere Bereiche wie zum Beispiel Einrichtungshäuser, die ihre Kunden schon vor dem Möbelkauf über Optik und Stellmöglichkeiten mit Hilfe derartiger Systeme informieren möchten, werden von dieser Entwicklung profitieren. Der verbesserte Austausch von Daten, die immer leistungsfähigere Hard- und Software werden dazu beitragen, daß neue oder umfangreiche Prozeßketten realisiert werden können, die bisher kaum denkbar waren. Denken Sie nur an die Möglichkeit, komplexe Baugruppen auf der Basis einmal konstruierter und gespeicherter Einzelteile im System abzubilden. Virtual Mock-Up, also der Zusammenbau von Komponenten, Einzelteilen und Baugruppen noch vor der Erstellung von Prototypen im Rechner, wird große Bedeutung erlangen. Das Internet wird die Zusammenarbeit von Projektteams bei der Entwicklung neuer Produkte verbessern. Eine sehr gute Möglichkeit für Ingenieurbüros und virtuelle Unternehmen für die gemeinsame Arbeit. Sofern die Files nicht zu groß sind, lassen sich diese Möglichkeiten schon heute sehr gut nutzen. Mit der Erhöhung der Bandbreiten dürfen wir in Zukunft sogar noch einiges mehr erwarten.

Neue Installationen gelten im CAD-Markt eher als die Ausnahme. Welche Lösungen fragen Kunden heute nach?

RECH Viele Systeme, die sich heute bei den Unternehmen im Einsatz befinden, sind in die Jahre gekommen und werden abgelöst und ersetzt durch 3D-Systeme, die jetzt erschwinglich geworden sind. Neue Installationen sind vor allem bei kleinen Firmen zu verzeichnen, die sich früher aus Kostengründen nicht für ein CAD-System entscheiden konnten. Ich denke da an Ingenieur- und Architekturbüros, aber auch an die schon bereits erwähnten Einrichtungshäuser und Küchenstudios, die dank CAD und von den Herstellern bereitgestellter Bibliotheken neue Möglichkeiten haben, ihre Kunden zum Beispiel vor dem Kauf einer Küchenzeile den Aufbau darzustellen. Als Ergebnis einer solchen Beratung kann der Kunde dann schon ein Bild seiner Küche mit nach Hause nehmen.

Unternehmen, die bereits die neueste Technologie im Bereich der Konstruktion und Produktentwicklung einsetzen, nutzen verstärkt EDM-/PDM-Systeme, um Ordnung in ihre Daten zu bringen, um überhaupt zu wissen, welche Daten sind vorhanden. Damit wird eine aufwendige und kostenintensive Neukonstruktion oftmals vermieden. Man kann hier auch von einer ordentlichen Buchhaltung für die Konstruktion sprechen.

Ein weiterer Bereich ist Concurrent oder Simultaneous Engineering. Hier ist jedoch zu beachten, daß der Workflow zwischen den beteiligten Gruppen oder Teams gewährleistet ist. In vielen Fällen ist es schon vorgekommen, daß die eine Abteilung Unterlagen benutzt, die noch nicht vollständig erstellt und freigegeben wurden. Es können sich Fehler einschleichen, die man jedoch mit Workflow-Systemen, die Auskunft über den Bearbeitungsstand geben, in den Griff bekommt. Meiner Meinung nach müssen die Liegezeiten viel stärker reduziert werden. Diese sind noch immer sehr hoch.

Welche Empfehlungen würden Sie einem Systemhaus oder Händler geben, der CAD-Lösungen im Portfolio hat? Wo lohnt sich nach Ihrer Meinung ein Engagement besonders?

RECH Zunächst einmal ist zu unterscheiden, ob es sich um ein Systemhaus oder einen klassischen EDV-Händler handelt. Der Händler sollte sich Programme aussuchen und in sein Portfolio übernehmen, die relativ einfach zu bedienen und nicht besonders erklärungsbedürftig sind. Auch der Preis spielt eine große Rolle. Kaum ein Kunde geht zum Händler an der Ecke und erwirbt dort eine komplexe CAD-Lösung für 100.000 Mark. Hier dürften drei- bis viertausend Mark die Obergrenze sein. Alles, was darüber hinaus geht, wird in der Regel von den Systemhäusern abgewickelt, die auch Beratungsleistungen und Programmierungen vornehmen können. Bei Systemhäusern gibt es eigentlich derzeit keine Einschränkungen. Der gesamte Markt ist von einem mehr oder weniger starken Wachstum geprägt.

Die CAD-Branche gilt im Gegensatz zu vielen anderen Marktsegmenten als relativ ruhig. Verglichen mit Internet und Co. muß man fast vermuten, sie dümpelt vor sich hin. Doch weist sie Jahr für Jahr ordentliche Wachstumsraten aus.

RECH Im CAD-Markt geht es halt nicht so spektakulär wie in vielen anderen Branchen zu, aber die Wachstumsraten der letzten Jahre sprechen für sich. Nahezu alle Anbieter waren und sind sehr zufrieden. Viele Kunden haben ihre Betriebe in der Vergangenheit ausgebaut und weitere CAD-Systeme integriert. Für Händler und Systemhäuser ergibt sich - sofern er seinen Kunden pflegt und intensiv betreut - immer wieder die Möglichkeit zu Folgegeschäften. Für den Kunden bedeutet die umfassende Betreuung in diesem schnellebigen Markt auch einen Schutz seiner Investition.

Im Projektgeschäft, das auch im CAD-Bereich immer größere Bedeutung erlangt, müssen Händler verschiedene Aspekte - auch vertraglicher Art - berücksichtigen. Welche Ratschläge haben Sie parat?

RECH Zunächst einmal ist es erforderlich, daß der Händler über ein Grundwissen rund um die Applikation verfügt, um das Gespräch mit seinem Kunden überhaupt führen zu können. Sollte schon diese Voraussetzung nicht erfüllt sein, so kann es durchaus passieren, daß beide aneinander vorbeireden. Hat der Händler den Bedarf des Kunden analysieren können, jedoch nicht das Personal, das Projekt durchzuführen, so bieten sich Kooperationen zum Beispiel mit einem Ingenieurbüro an. Der Händler bleibt Generalunternehmer und Ansprechpartner des Kunden. Er kann seinem Geschäftspartner den gewünschten Service bieten, muß jedoch keine neuen Mitarbeiter einstellen, die er nach dem Projekt kaum beschäftigen kann. Er kauft einfach die benötigten Dienstleistungen an und baut auf diese Weise zusätzliche Kompetenz auf.

Können sich Unix-Systeme noch behaupten oder laufen ihnen Lösungen unter Windows NT mittlerweile den Rang ab?

RECH Unix-Systeme haben ihre Berechtigung vor allem dort, wo High-End-Systeme zum Einsatz kommen. In diesem Bereich werden sie

noch lange eine dominierende Rolle spielen.

Anders verhält es sich bei Einzelarbeitsplätzen mit weniger rechenintensiven Anwendungen. Dort, wo CAD-Modelle weniger komplex sind und weniger Rechenleistung verlangen, werden sich NT-Systeme zunehmend durchsetzen. Diese Entwicklung ist bereits in vollem Gange. Dies kann man auch daran erkennen, daß immer mehr Softwarehersteller ihre Produkte unter Windows NT anbieten.

Für viele Händler ist diese Entwicklung vorteilhaft, da sie mit NT-Systemen und deren Adminstration sowie Vernetzung eher vertraut sind als mit Unix-Rechnern.

Viele Hersteller haben inzwischen Programme für weit weniger als eintausend Mark auf den Markt gebracht. Was ist dabei für den Einsatz im industriellen Bereich zu halten?

RECH Es kommt einzig darauf an, welche Aufgabe der Anwender mit Hilfe dieser Programme lösen will. Möchte er nur eine Zeichnung, so kann er bedenkenlos auf diese Software, die ich eher als Zeichenprogramme denn als CAD-Lösung erachte, zurückgreifen. Hier hat er sogar einige Vorteile, denn das Erstellen von Zeichnungen ist oftmals einfacher mit solchen Applikationen als mit reinen Konstruktionsprogrammen. Umgekehrt verhält es sich genauso.

Unternehmensberater Rech: "Unix-Systeme haben ihre Berechtigung nach wie vor dort, wo Highend-Systeme zum Einsatz kommen"

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