Die Bedürfnisse des Anwenders richtig einschätzen

12.10.1998

MÜNCHEN: Seit gut einem Jahr wird der deutsche Markt mit Flachbettscannern überschwemmt. Jetzt hat zusätzlich ein ruinöser Preiswettbewerb eingesetzt. Produkte mit Auflösungen von 300 x 600 dpi und 24 Bit Farbtiefe werden dabei zusehends von hochwertigen 600 x 1.200-dpi-Geräten mit 36 Bit verdrängt. Welcher Scanner für welchen Kunden der richtige ist, beschreibt Klaus Lippert* in seinem Beitrag.Im Privatbereich beschränkt sich die Anwendung von Scannern zum großen Teil auf (Urlaubs-) Fotos, die zum Teil verändert und anschließend auf modernen Farb-Tintenstrahldruckern ausdruckt werden. Ein zweiter großer Bereich ist die Erstellung von Einladungen, der Einsatz für Vereinszeitschriften und die Briefgestaltung beziehungsweise Texterfassung. Noch relativ unbekannt ist dagegen die Verbindung mit einem Drucker. Der Kunde erhält so einen preiswerten digitalen Kopierer. Spezielle Tools erzeugen dabei das Gefühl des Einsatzes eines echten Kopierers.

Damit der Scanner diese vielfältigen Anwendungen optimal löst, muß der Anwender, neben den normalen technischen Daten, auch auf den Funktionsumfang von Twain-Treibern und beiliegender Anwendungssoftware achten. Aber auch Service, Hotline und Online-Support sind für den Endkunden besonders in der Anfangszeit wichtig, da dort die meisten Probleme bei Installation und Kompatibilitäts-schwierigkeiten auftreten. Ob Food-Märkte wie beispielsweise Aldi oder Lidl den entsprechenden Service bieten können, ist fraglich. Aber auch die Hotline des jeweiligen Herstellers, der teilweise innerhalb kürzester Zeit zehntausende Scanner verkauft, dürfte bei solchen Schnäppchen völlig überlastet sein. Eine zeitaufwendige und nervenaufreibende Installation ist damit programmiert. Genau darin liegt die Chance des Fachhändlers.

Welche Technik für welchen Kunden?

Hochwertige 600-dpi-Flachbettscanner bieten die Hersteller zur Zeit ab 200 Mark an. Mit dieser relativ hohen Auflösung taugen die Geräte für alle Heim- und semiprofessionellen Anwendungen. Bei 300 dpi ist die Grenze für ein Herauszoomen und Vergrößern von Bildern schnell erreicht. Daher sollten Geräte mit einer optischen Auflösung von 600 x 1.200 dpi bei der Beratung - mal ganz abgesehen von der besseren Spanne - bevorzugt werden. Die interpolierte maximale Auflösung, die normalerweise bei 9.600 dpi oder auch höher liegen kann, stellt jedoch keinen Richtwert dar. Solch hohe Auflösungen finden nur bei speziellen Einsatzgebieten Verwendung. Will ein Kunde beispielsweise seine Urlaubsdias einscannen, so empfiehlt sich als Sonderzubehör eine sogenannte Durchlichteinheit. Bei dieser Anwendung empfiehlt sich eine Auflösung von mindestens 600 dpi.

Ein weiterer Richtwert ist die Farbtiefe. Der Unterschied zwischen 30 und 36 Bit ist nur im Detail erkennbar. Wenn das Foto weiter bearbeitet werden soll, ist ein Einstieg in die 36-Bit-Farbwelt sinnvoll. Jede Grundfarbe (Rot, Grün, Blau) liest der Scanner anstatt mit 1.024 Farbnuancen (bei 30 Bit) mit 4.096 Farbnuancen (36 Bit) ein. Ein Unterschied, welcher sich besonders leicht bei Farbverläufen erkennen läßt.

Die Frage der richtigen Schnittstelle

Die Schnittstelle gehört mit zu den wichtigsten Auswahlkriterien beim Scannerkauf. Die Auswahl besteht zwischen einer parallelen, SCSI- und USB-Schnittstelle. Die parallele Variante ist die am meisten verbreitete, um Peripherie-Produkte am PC anzuschließen, da jeder Rechner über diese Schnittstelle verfügt. Daher ist dieses Interface auch meistens durch einen Drucker oder einen Massenspeicher (beispielsweise Zip-Laufwerk) schon belegt. Es bliebe also nur die Möglichkeit, den Scanner in Reihe zu den schon vorhandenen Peripherie-Geräten zu schalten. Es handelt sich jedoch nicht um eine sonderlich stabile Lösung, da es unterschiedliche Übertragungsmodi für die parallele Schnittstelle gibt (EPP, ECP, SPP). Außerdem ist die Datenübertragungsgeschwindigkeit nicht sonderlich hoch.

Die SCSI-Schnittstelle ist dagegen die schnellste Übertragungsvariante. Dies merkt man besonders bei umfangreichen Bilddaten. Durch die Installation einer SCSI-Karte ist dieser Scannertyp nicht ganz so einfach in der Handhabung. Die mitgelieferte SCSI-Karte muß, je nach Kartentyp, entweder in einem ISA- oder PCI-Slot des PCs eingesetzt werden. Wer schon einen SCSI-Controller besitzt, kann meistens seinen Scanner über ein Adapterkabel direkt anschließen. Da auch hier kein einheitlicher Übertragungsstandard existiert, sind Probleme vorprogrammiert. Daher sollte der Scanner grundsätzlich über die beiliegende Karte betrieben werden. Ein SCSI-Gerät ist jedoch durch die zusätzliche Karte etwas teurer als herkömmliche Parallel- oder USB-Versionen.

Die neueste Schnittstellentechnik ist das USB-Interface. Seit rund zwei Jahren besitzen fast alle Motherboards diese Schnittstellenvariante. Die Vorteile hierbei sind: Entlastung der parallelen Schnittstelle, einfachere Installation gegenüber SCSI, gute Übertragungsraten (liegen zwischen Parallel- und SCSI-Version), Hot-Plug-Funktionalität, bis fünf Meter lange Kabel und verwechslungssichere Stecker. Windows 98 ist beim Einsatz von USB-Produkten sinnvoll, jedoch nicht zwingend erforderlich.

Für professionelle Anwender, bei denen jede Minute Geld kostet, bleibt die SCSI-Schnittstelle weiterhin das Nonplusultra. Alle anderen Anwender sollten bei einer schon durch andere Produkte belasteten parallelen Schnittstelle zur USB-Version greifen.

Wichtigstes Handwerkszeug: Der Twain-Treiber

Der Twain-Treiber gehört mit zu den wichtigsten Features eines Scanners. Hier werden die höchsten Ansprüche gestellt: Einsteiger sollten sofort in der Lage sein, ausreichend gute Scans zu erstellen, ohne sich vorher mit Faktoren wie Farbtiefe, Auflösung und Kontrast beschäftigen zu müssen. Die Einstellmöglichkeiten müssen dabei auf ein Minimum reduziert werden. Andererseits sollte der Anwender nach einer Einarbeitungsphase in der Lage sein, professionelle Ergebnisse zu erzielen. Hier kommt es auf eine große Anzahl von Scanwerkzeugen an: Steuerung der Tonwertkorrektur oder die Definition von Farbton und Sättigung, sollten ebenso zum Leistungsumfang der Software gehören wie die Einstellung von Helligkeit, Kontrast, Tiefen- und Gammakorrektur.

Das Ziel muß sein, zwei Treiber mit unterschiedlichen Anforderungen in einem zu integrieren.

Nach dem Scan

Nach der elektronischen Erfassung der Bilder stellt sich die Frage der Weiterverarbeitung. Viele Hersteller bündeln ihre Scanner daher mit einem ganzen Korb von Software. Da die Anwendungsbereiche recht vielfältig sein können, sollte auch die Software entsprechend großzügig ausgelegt sein. Ein vernünftiges Paket sollte daher aus folgenden Komponenten bestehen:

- Bildberarbeitungsprogramm

- Archivierungssoftware

- Texterkennungssoftware (OCR)

Wer jedoch die Scandaten für eine spätere professionelle Verwendung benötigt, muß auf hochwertige Bildbearbeitungssoftware - wie beispielsweise Photoshop von Adobe - zurückgreifen. Gleiches gilt für Archivierungs und OCR-Programme. Vorteilhaft ist ein Manager-Tool, das den Umgang und die Verwaltung der Bilddaten erleichtern soll.

Nach dem rasanten Preisverfall für Low-end-Produkte wird sich der Preis bei rund 100 bis 200 Mark einpendeln. Qualität (Farbtiefe und Auflösung) und Geschwindigkeit werden bei den hochwertigen Scannern weiter zunehmen. Aktuell versuchen die Hersteller, besonders die Bedienung der Produkte zu vereinfachen: durch optimierte Scan-Software sowie durch eine einfachere Bedienung (Installation, USB). Schnelle Scanner wird es auch in absehbarer Zukunft nicht im Low-cost-Segment geben, da die Hersteller ab einer gewissen Geschwindigkeit nicht unerhebliche Urheberrechts-Abgaben bezahlen müssen. Jedoch wird im Preissegment von rund 400 Mark in Zukunft das Scan-Tempo beträchtlich zunehmen.

Scanner werden dieses Jahr zum bevorzugten Weihnachtsgeschenk bei PC-Besitzern. Durch die immer günstigeren Preise und die schwindende Marge ist es für den Händler wichtig, ohne großen Beratungsaufwand schnell die richtigen Empfehlungen aussprechen zu können.

*Klaus Lippert ist für das Produkt-Marketing beim Scannerhersteller Umax Systems GmbH in Willich zuständig.

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