Avnet-Chef Roman Rudolf

"Die Cloud gefährdet nicht das Infrastrukturgeschäft"

06.05.2013
Selten ging eine Übernahme dieser Größenordnung im Distributionsumfeld hierzulande derart still über die Bühne. Dabei Avnet hat mit dem Neuzugang noch viel vor.
"Wir sehen im Geschäftsverlauf erste Integrationserfolge", Roman Rudolf, Vice President & Managing Director Avnet Technology Solutions Central Region
"Wir sehen im Geschäftsverlauf erste Integrationserfolge", Roman Rudolf, Vice President & Managing Director Avnet Technology Solutions Central Region

Selten ging eine Übernahme dieser Größenordnung im Distributionsumfeld hierzulande derart still über die Bühne wie die Akquisition von Magirus durch Avnet. Es gab keine Gerüchte oder gar Meldungen über Entlassungen, keinen Massen-Exodus von Mitarbeitern.
Die neue Managementstruktur stand bereits wenige Monate nach Bekanntwerden der Akquisitionspläne fest. Die Zahl der Top-Manager, die das Unternehmen verließen, war überschaubar: Fabian von Kuenheim, Chief Executive Officer von Magirus, kündigte seinen Rückzug aus dem Tagesgeschäft an und hat inzwischen das Unternehmen verlassen.

Sepp Blank, seit Anfang 2011 Deutschland-Geschäftsführer von Magirus, hat sich ebenso verabschiedet wie Jörg Speikamp, der zuletzt als VP Sales für den Gesamtvertrieb in der Region Central verantwortlich war und zuvor viele Jahre das Magirus-Integrations- und -Logistikzentrum in Straßburg leitete. Ähnlich wie schon bei der Übernahme des IBM- und HP-Geschäfts von Magirus im Juli 2007 wechselte damit fast die komplette Mannschaft zum neuen Arbeitgeber. So weit die Außenbetrachtung.

Intern hat sich seit der im Juli 2012 angekündigten Übernahme von Magirus durch Avnet allerdings einiges getan. Im ersten Quartal 2013 fiel der Brand "Magirus", Anfang April wurden die Vertriebseinheiten von Magirus Deutschland in die neue Muttergesellschaft integriert, Mitte April zogen rund 120 Magirus-Mitarbeiter in Leinfelden-Echterdingen in die ausgebauten Avnet-Räumlichkeiten um und verdoppelten damit das bestehende Team.
"Die Business Units auf Herstellerebene werden bestehen bleiben, inklusive der Inside-Sales und Services-Teams, die wir teilweise noch ausgebaut haben", berichtet Avnet-DACH-Chef Roman Rudolf. "Wir sehen im Geschäftsverlauf erste Integrationserfolge."

Lösungsgeschäft gestärkt

Hauptgrund, weshalb diese Teams fast naht- und geräuschlos integriert werden konnten: Im Portfolio beider Value Added Distributoren gibt es in Deutschland - mit Ausnahme von Datacore - keine Überschneidungen. Im Gegenteil: Mit VMware, Cisco, EMC und Open-Source-Spezialist Red Hat beispielsweise angelte sich Avnet begehrte Hersteller, die das bestehende Angebot ergänzen, insbesondere im Kerngeschäft rund um die Infrastruktur. "Wir haben die Lücken im Portfolio geschlossen. Die Magirus-Übernahme war ein wichtiger Schritt für unseren Lösungsvertrieb", so das Fazit des Avnet-Chefs.

Magirus International wird es aus organisatorischen Gründen noch einige Zeit geben, um die bestehenden Herstellerverträge zu managen.

Ein Filetstück aus dem Magirus-Erbe: das Assemblierungs- und Logistikzentrum Straßburg mit Demo-Center und Schulungsräumen.
Ein Filetstück aus dem Magirus-Erbe: das Assemblierungs- und Logistikzentrum Straßburg mit Demo-Center und Schulungsräumen.
Foto: Avnet

Außerdem übernahm Avnet mit Magirus auch ein zweites Integrationszentrum in Straßburg, zusätzlich zum bestehenden im belgischen Tongerem - ein Vorteil angesichts der steigenden Nachfrage nach vorkonfektionierten Referenzarchitekturen und integrierten Systemen, die Server, Storage, Netzwerk und Virtualisierung in einer Lösung bündeln. "Das sind die Themen, die wir aktiv vorantreiben werden", erklärt Rudolf, "Bei der Installation dieser Infrastrukturen können Partner auf zertifizierte Servicemitarbeiter von Avnet zurückgreifen - in allen Phasen des Projekts."

Magirus war der erste Distributor, der basierend auf Cisco, EMC und VMware integrierte Referenzarchitekturen für SMBs entwickelte: die vBundles.
Magirus war der erste Distributor, der basierend auf Cisco, EMC und VMware integrierte Referenzarchitekturen für SMBs entwickelte: die vBundles.

Die von Magirus 2010 entwickelten kleineren Geschwister der hierzulande kaum verkaufbaren Vblocks - die vBundles -, basierend auf Cisco, EMC und VMware, will Avnet weiterpflegen. Die vBundles wurden im Gegensatz zu den Vblocks von Anfang an auf den Bedarf mittelständischer Unternehmen zugeschnitten und sind zudem in der Konfektionierung variabler als die äußerst standardisierten Vblocks. Gerade Mittelstandskunden setzen daher verstärkt auf diese integrierten Systeme und Referenzarchitekturen, um ihre Infrastruktur zu modernisieren und damit die Basis zu legen, auch Dienste aus der Cloud mit einbinden zu können.
Entsprechend laufe auch das Geschäft mit den NetApp-basierten FlexPods sehr gut, so Rudolf, "zumal wir alles assemblieren können". Dazu zählt auch SAP Hana auf Cisco, für das es derzeit weltweit nur zwei zertifizierte Distributoren gibt: Magirus und Avnet. "Dieses Geschäft ist enorm im Kommen", berichtet der Manager.

Cloud gefährdet kein Infrastrukturgeschäft

Im Gegensatz zu Arrow und Tech Data plant Avnet in Europa vorerst keine eigene Cloud-Plattform aufzusetzen. "Wir beschäftigen uns eher damit, Partner für das Geschäft fit zu machen, beispielsweise mittels der Rundumausbildung im Rahmen des von Avnet entwickelten SolutionPath-Programms und der Unterstützung, die wir als Partner des HP Cloud Center of Excellence anbieten können", führt der Distributionschef aus.

Magirus allerdings war vor rund zwei Jahren mit dem Provider Colt damit gestartet, Resellern über eine selbst gepflegte Plattform IaaS-Lösungen zum Weiterverkauf bereitzustellen. Ob dieses Projekt fortgesetzt wird, ist noch unklar. "Wir evaluieren das gerade. Die Nachfrage ist noch verhalten", sagt Rudolf, der aber überzeugt ist, dass das Cloud-Geschäft kommen wird: "Es wird jedoch das klassische Infrastrukturgeschäft nicht gefährden."
Im laufenden Jahr will sich Avnet vorrangig um den Abschluss der Integration kümmern und Partner mit europaweiten Ausbildungsangeboten, Service- und Installationsdienstleistungen beim Ausbau des Lösungsgeschäfts unterstützen". (rb)

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