Die Digitalkopierer genießen nicht den Stellenwert, den sie verdienen

17.02.2000
Die Digitalisierung stellt die traditionellen Kopierer-Hersteller und -Händler vor neue Herausforderungen. Auf Einladung der Konica Business Machines GmbH in Hamburg diskutierten vor einigen Wochen ein Kreis von Marktteilnehmern und Beobachtern über die Chancen und Gefahren dieser Entwicklung. ComputerPartner veröffentlicht das Gespräch in Auszügen.

Schreibert: Herr Rittershofer, wie sieht es bei ABB in Mannheim beim Thema Digitalkopierer aus?

Rittershofer: Die Hälfte der Kopiersysteme, die wir in den vergangenen eineinhalb Jahren angeschafft haben, ist digital. Allerdings sind davon 80 Prozent nicht vernetzt.

Schreibert: Welche Rolle, Herr Berchtenbreiter, spielt das Thema Digitalkopierer im Handel?

Berchtenbreiter: Von 100 Kopierern, die unser Haus verlassen, sind bereits 80 Digitalkopierer. Ich sehe diese Entwicklung ungemein positiv. Wir haben endlich mal wieder ein Thema, über das wir mit unseren Kunden sprechen können. Jetzt haben wir wieder Argumente, können über echte Leistungsverbesserungen sprechen, wir können Visionen aufzeichnen, die sich für den Kunden ergeben. Bei den Analogkopierern hat sich ja in den vergangenen Jahren so gut wie nichts verändert, da lief doch alles nur noch über den Preis. Und Dienstleistungen waren so gut wie gar keine zu verkaufen. Diese Situation hat sich jetzt durch die Digitalisierung stark gewandelt, und damit können wir Fachhändler etwas anfangen. Ich sehe das absolut positiv.

Schreibert: Ist das Unternehmen Reitzner typisch für die Branche, Herr Sicking?

Sicking: Sicher nicht. Nach meiner Beobachtung hat der Handel, und zwar der klassische Kopierer- wie auch der IT-Handel, das Thema Vermarktung von Digitalkopierern noch nicht so angenommen, wie es ratsam wäre. Damit vergibt er eine gute Geschäftschance. Vor allem lässt er die Möglichkeit ungenutzt, den Kunden an sich zu binden, indem er ihm eine Möglichkeit aufzeigt, Kosten einzusparen. Ein Beispiel: In einer beliebigen Abteilung in unserem Verlag steht ein 32-Seiten-Kopierer und direkt daneben ein 24-Seiten-Drucker. Das ist unnötig. Ein digitaler Kopierer, an das PC-Netz eingebunden, würde völlig ausreichen. Der Kopierer wird regelmäßig von einem Fachhandelstechniker gewartet. Aber glauben Sie, dass dieses Fachhandelsunternehmen schon einmal auf uns zugekommen ist und uns vorgeschlagen hat, Kopierer und Drucker in ein Gerät zu integrieren? Das war nicht der Fall. Das ist unverständlich, aber leider wohl kein Einzelfall.

Woschniak-Fingerhut: Wer beschafft bei Ihnen den Drucker, und wer beschafft den Kopierer? Ist das dieselbe Person?

Sicking: Da bin ich überfragt.

Woschniak-Fingerhut: Ich vermute, dass es sich um zwei unterschiedliche Einkäufer handelt. Der IT-Manager trifft in der Regel die Entscheidung über die anzuschaffenden Drucker und der Organisationsleiter beschafft die Kopierer. So ist es jedenfalls heute noch in vielen Unternehmen geregelt. Eine Abstimmung findet dort oftmals nicht statt.

Sicking: Gut, einverstanden. Vielleicht ist aber auch das Bewusstsein in den Unternehmen über die Möglichkeiten der digitalen Kopiertechnik noch nicht so stark entwickelt. Was ja auch nicht weiter verwunderlich ist. Denn das Thema findet in den Medien nicht statt, auch nicht in der Fachpresse. Ich denke, dass hier auch die Hersteller gefragt sind, gemeinsam mit dem Handel natürlich, dieses Thema massiv nach vorne zu treiben.

Kreye: Ich kann das nur bestätigen. Wir von Konica haben einige Anstrengungen unternommen, um auf diesem Sektor weiterzukommen. Wir haben allein in München fünf Redaktionen besucht, darunter auch die "Computerwoche". Überall haben wir die dieselbe Reaktion erlebt: "Das ist ja ein hoch interessantes Thema, das wir bisher vernachlässigt haben, da müssen wir was tun." Nur veröffentlicht hat bis auf die "Information-Week" keiner etwas. Warum kann ich einfach nicht sagen.

Berchtenbreiter: Ich möchte noch einmal auf die Bemerkung von Frau Woschniak-Fingerhut zurückkommen, also das Problem, dass es in den Unternehmen verschiedene Beschaffungsstellen gibt für Informationstechnik und Kopiertechnik. Im Handel ist die Situation ja ähnlich. Bei uns im Haus gibt es traditionellerweise auch eine EDV-Abteilung und eine Kopierabteilung. Und jede Abteilung hat ihren Aufgabenbereich, ihre Kunden, ihre Ansprechpartner gehabt. Der EDV-Spezialist und der Kopiererspezialist haben auch bei uns - überspitzt formuliert - nichts miteinander zu tun. Und beim Kunden schon gar nicht. Da gibt es sogar so etwas wie ein Konkurrenzverhalten. Aber dieser Zustand ist untragbar! Wir müssen eine Regelung finden, bis hin zum Bezahlungssystem, dass wir nach außen einheitlich auftreten und dem Kunden die Ideallösung bieten, völlig wurscht ob Kopierer oder Drucker.

Auf Kundenseite stellen wir allerdings schon fest, dass sich hier etwas tut und sich, ich sage einmal, die Machtverhältnisse verschieben. Wenn wir beim Kunden über Netzwerkanbindung eines digitalen Druckers sprechen, dann sitzt dort mit am Tisch der Einkäufer, mit dem wir seit Jahren die Kopierverträge gemacht haben, und dann sitzen da noch zwei, drei Leute aus der IT-Abteilung, die jetzt die Gesprächsführer sind, die für die Tests zuständig sind und so weiter. Der Einkäufer der Vergangenheit, der bleibt eigentlich außen vor.

Rittershofer: In einigen, auch großen Unternehmen ist tatsächlich zu beobachten, dass man das gesamte Beschaffungswesen dem IT-Bereich zuordnet. Für das Systemhaus ist es natürlich ungemein wichtig zu wissen, wie in den Unternehmen die Entscheidungsprozesse stattfinden.

Schreibert: Herr Professor Welker, entspricht das auch Ihrer Beobachtung, dass der IT-Leiter, der eine andere Sprache spricht als der klassische Bürotechnik-Einkäufer...

Rittershofer: Der bewusst eine andere Sprache spricht!

Schreibert: ...dass der IT-Leiter mehr und mehr in die Rolle des verantwortlichen Entscheiders für den gesamten Prozess des Informationsmanagement im Unternehmen herein wächst?

Welker: Ja, ich sehe das aber sehr kritisch, weil wir es hier mit einer besonderen Ausprägung von Technikern zu tun haben. Das heißt, der klassische IT-Mann ist halt Diplom-Informatiker und kommt aus der IT-Technik, der denkt in Bits und Bytes. Und das sehe ich kritisch. Weil ich immer deutlicher sehe, dass die Technologien sich integrierter darstellen, komplexer werden. Der IT-Leiter sieht diese Entwicklung immer nur durch die technische Brille. Es geht hier aber um Geschäftsprozesse, um strategische, um kaufmännische Entscheidungen, und hier hat der IT-Leiter in der Regel nicht die erforderliche Kompetenz. Die IT-Abteilung hat eine technische Unterstützungsfunktion, die Entscheidungen selbst aber müssen Chefsache sein für den Vorstand oder die Geschäftsführung

Woschniak-Fingerhut: Herr Prof. Welker, wieweit beschäftigen sich Unternehmen eigentlich schon mit dem Thema Informationsmanagement? Ich meine damit den Prozess der Information. Also wo entsteht Information, wo wird Information gehandelt, wo wird sie archiviert, wie wird auf Information zugegriffen, wie wird sie vervielfältigt, wie gelangt sie letztendlich an den Kunden? Ist man in den Unternehmen schon so weit, dass man wirklich das als Problem erkennt und versucht, das Informationsmanagement zu optimieren?

Welker: Hier besteht nach meiner Beobachtung ein großes Defizit. In einigen wenigen Unternehmen gibt es jetzt ja sogenannte CIOs, also die Chief Information Officer, aber das sind Aushängeschilder. Was Sie ansprechen, Frau Woschniak-Fingerhut, lässt sich auch vielleicht besser mit dem Ausdruck "Publikationsmanagement" beschreiben. Auch so etwas gibt es in den Unternehmen nicht. Dies wäre ein Ansatzpunkt für ein Unternehmen wie Konica, sich zu positionieren, indem man sich als Berater anbietet, der unter anderem auf folgende Fragen antwortet: Wie kann ich am besten internes Wissen verteilen, distribuieren und wo sollte es an welcher Stelle als Printdokument rauskommen?

Schreibert: Welche Folgen hat die Digitalisierung eigentlich auf der Hersteller- und auch auf der Handelsseite? Sind Allianzen, sind strategische Kooperationen ein Weg?

Sicking: Wenn Sie sich die Zusammenschlüsse oder Übernahmen im vergangenen Jahr anschauen, sehen Sie, wohin der Hase läuft. Xerox kauft Tektronix, Kyocera kauft Mita, Minolta kauft QMS - da haben sich ja jeweils ein Drucker- und ein Kopiererhersteller zusammengetan. Die Kopiererhersteller und die Kopiererhändler müssen sich umstellen, und zwar schnell. Man kann diese Situation vergleichen mit der vor zehn Jahren im Schreibmaschinengeschäft. Was der PC damals den Schreibmaschinen angetan hat, das tut heute die Digitalisierung den analogen Geräten und damit auch den analogen Kopierern an. Technisch gehört der Analogkopierer ja schon zum alten Eisen. Jetzt müssen die Hersteller und Händler aufpassen, dass es ihnen nicht ebenso geht.

Kreye: Unser Ziel als Hersteller, der aus der Kopierertradition kommt, besteht darin, dass wir als wirklicher Komplettanbieter am Markt auftreten wollen. Wir haben dazu den ersten Schritt getan, wir haben die Vertriebsabteilung "Sys-teme" ins Leben gerufen, die eben als Anbieter des gesamten IT-Bereiches oder fast des gesamten IT-Bereiches, mit Schwerpunkt natürlich Papieroutput, an den Markt geht. Wir haben hier einige Kooperationspartner gewinnen können, sowohl Hardware als auch Software, aber wir wollen natürlich der Käptn in diesen Allianzen sein. Der Kunde soll alles aus einer Hand bekommen, und diese Hand heißt Konica.

Sicking: Aber so können Sie Deutschland nicht abdecken. So können Sie einen Teil Deutschlands abdecken, nämlich die ABBs dieser Welt. Nun besteht aber Deutschland aus 2,5 oder 3 Millionen Unternehmen, und die Mehrzahl davon ist klein. Die können Sie ja gar nicht alle erreichen. Das ist das Geschäft von Herrn Berchtenbreiter und einiger anderer. Hier ist dann auch nicht die Firma Konica oder welcher Hersteller auch immer, sondern die Firma Reitzner der Kapitän. Wie stellt sich die Firma Konica denn da die Zusammenarbeit vor?

Kreye: Gut, da haben wir die Weichen ja insoweit gestellt, als wir versuchen, diese Händler in die Lage zu versetzen, als Kapitän aufzutreten. Wir bilden entsprechend aus, wir stellen Hilfe zur Verfügung, der Händler kann auf uns zurückkommen, es gibt eine Hotline und all diese Dinge, die damit zusammenhängen. Das heißt, wir versetzen unsere Vertriebspartner in die Lage, diese Systeme anzubieten, als Kapitän aufzutreten. Das ist ein ganz, ganz wichtiges Programm in unserem Haus.

Schreibert: Herr Berchtenbreiter, fokussieren sich Unternehmen wie Konica zu sehr auf Großunternehmen, vergessen sie den Mittelstand mit seinen Sorgen, der ja Ihre Klientel im Wesentlichen darstellt?

Berchtenbreiter: Das weiß ich nicht. Ich hoffe nicht. Denn, das behaupte ich jetzt mal, das Geld verdient Konica dort nicht, hat Konica in der Vergangenheit nicht verdient, und wird es auch in Zukunft nicht verdienen. Das Geld verdient Konica, wie übrigens wir auch, mit den kleineren und mittleren Kunden, und deswegen bin ich überhaupt nicht scharf auf Großkunden, denn da bringt der Handel Geld mit.

Kreye: Ich darf Ihnen versichern, lieber Herr Berchtenbreiter, dass Konica im Großkundengeschäft durchaus Geld verdient. Das war nicht immer so, das ist richtig, aber wir haben darauf reagiert, und heute verdienen wir hier auch Geld. Natürlich haben Sie Recht: Reichtümer kann kein Hersteller in diesem Kundensegment anhäufen.

Schreibert: Herr Berchtenbreiter, was würden Sie sich von Unternehmen wie Konica noch an Unterstützungsleitungen erwarten, was fehlt Ihnen da noch?

Berchtenbreiter: Also da gibt es sicherlich Kollegen, die für diese Frage besser wären als wir, denn wir haben inzwischen ein sehr gutes Know-how im IT-Bereich aufgebaut, ein Niveau, das sehr viele unserer Kollegen nicht haben. Und ich habe überhaupt keine Idee, wie diese Unternehmen die Zukunft packen wollen. Ich denke, dass die Hersteller diesen Händlern auch nur begrenzt helfen können.

Schreibert: Also das sind die Dinosaurier der Branche, die aussterben?

Sicking: Wer sich nicht anpasst, der stirbt aus, das ist klar. Manche Händler rufen aber immer laut nach Unterstützungsleistung der Hersteller, wenn sie sie dann aber bekommen, wird sie nicht genutzt. Ein typisches Beispiel sind Kunden-Leads. Wie viele Leads werden einfach gar nicht weiterverarbeitet. Der Handel ist ja ein ganz eigenartiges Wesen. Wenn ein Markt noch jung ist und noch hohe Margen zu erzielen sind, dann geht er oftmals nicht da rein, weil er sagt, das ist mir zu viel Arbeit, das kostet mich zu viel Geld, ich muss Know-how aufbauen, ich habe die Leute nicht, und ich weiß nicht, ob sich das lohnt. Wenn der Markt sich entwickelt hat und eine große Nachfrage da ist, ist er auch nicht zufrieden, weil dann der Wettbewerb groß ist und er kein Geld mehr damit verdienen kann.

Das ist so eine groteske Situation, die nach meiner Beobachtung typisch ist für viele Handelsunternehmen. Diese Unternehmen werden immer Probleme haben. Weil sie kein Risiko eingehen, und Sie kennen ja den Spruch "No risk, no fun".

Die erfolgreichen Handelsunternehmen gehen anders vor. Sie identifizieren frühzeitig ein Marktsegment, in dem heute Geld verdient werden kann, morgen vielleicht auch noch, übermorgen wird es schon schwierig werden. Und diese Unternehmen brauchen natürlich Unterstützung vom Hersteller. Unterstützung vom Hersteller in Bezug auf Know-howTransfer, Unterstützung vom Hersteller in Bezug auf Präsenz beim Kunden und Unterstützung vom Hersteller auch beim After-Sales-Support. Das wichtigste aber sind wettbewerbsfähige Produkte und eine klare und zuverlässige Vertriebsstrategie.

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