Die Evolution optischer Netze

19.09.2002
Die jüngsten Pleiten von Worldcom und KPN Qwest gingen durch sämtliche Nachrichten und haben das Vertrauen in die Telekommunikationsbranche schwer erschüttert. Wie ist es um die Branche insgesamt bestellt? Die alte und jetzt wieder neue Hoffnung heißt Glasfaser.

Die Insolvenzen der Telcos Worldcom und KPN Qwest und viele andere Negativmeldungen haben die Branche insgesamt massiv getroffen. Aktienkurse setzten in der Folge zur Talfahrt an, das Vertrauen war auf ein Minimum gesunken, und die Investitionsbereitschaft der Kunden ging gegen null. Im Markt ist daher eine Rückkehr zu den Oligopolen zu verzeichnen. So zählen die Deutsche Telekom sowie Colt und British Telecom zu den führenden Carriern in Europa, und die gehen im Markt wesentlich konservativer vor. Vor allem Worldcom zählte zu den experimentierfreudigen Carriern und galt lange Zeit als Motor der Innovation im Bereich Wave Division Multiplexing (WDM). Das auf Langstrecken fokussierte Unternehmen war stets an neuen Technologien interessiert und hat diese auch in der Praxis eingesetzt.

Diese neuerliche Oligopolisierung führt auch zu einer wesentlich realistischeren Einschätzung der kommerziellen Möglichkeiten auf Seiten der Hersteller. So markierten Themen wie Optical Cross-Connect, All Optical Networks und Intelligent Optical Networks interessante technologische Ideen. Doch es ist sowohl um Startups als auch um große Unternehmen, die sich diesen Technologien widmen, ruhig geworden. Für die Kunden im Bereich Optical Networking hat die kommerzielle Realisierbarkeit derzeit absolute Priorität.

Zurück zu den Wurzeln

Der Markt beschäftigt sich daher wieder verstärkt mit WDM und den Basistechnologien für optische Netze im Allgemeinen, sodass die Entwicklung quasi wieder in jene Richtung geht, wo sie vor zwei bis drei Jahren begonnen hat. Dennoch steigt die Nachfrage nach bandbreitenintensiven Anwendungen stetig. Die Sicherung und intelligente Verwaltung von Unternehmensdatenbeständen, beispielsweise durch die Auslagerung von Backup- und Massenspeicher-Kapazitäten, oder die Vernetzung von Unternehmensstandorten ist heute auch für kleinere und mittelständische Unternehmen von großer Bedeutung, um den aktuellen Kommunikations- und Datensicherungsanforderungen gerecht zu werden. Auch die Verbreitung von großvolumigen Applikationen im Internet wie Video-Downloads oder der Austausch von anderen großvolumigen Inhalten nimmt stark zu.

Die wichtigsten Anforderungen bestehen zurzeit darin, Bandbreite kostengünstig, aber trotzdem sicher bereitzustellen und für diverse Anwendungen transparente Dienste zu bieten. Der Fortschritt der vergangenen Jahre zeigt sich im Wesentlichen darin, dass bestehende Technologien heute kostengünstiger realisiert werden können.

Ralph Humberg, Direktor Asien-Pazifik bei Adva Optical Networking, sieht innerhalb der Telekommunikationsbranche den Bereich des Transport-Layers, in dem sich auch eine neue Denkweise etabliert hat, weiterhin wachsen. In der Vergangenheit bestand das Ziel darin, mehr Intelligenz in deneinzelnen Knotenpunkten zu ermöglichen. Aus den reinen Transport-Pipelines in Form von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen sollten intelligente optische Switching-Netze aufgebaut werden.

Sowohl Analysten als auch Hersteller hatten damit gerechnet, dass sich derartige Netze und damit das Switching sehr stark durchsetzen würden. Heute jedoch besteht ein wesentlicher Teil der Installationen aus Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, die im Gegensatz zu Netzen mit optischen Switches einfach strukturiert und damit kosteneffizienter und robuster zu realisieren sind.

Im Bereich der Carrier, die zu den wesentlichen Kunden für optische Netztechnologie gehören, ist ebenfalls eine Fokussierung auf kostengünstige Lösungen bei hoher Auslastung der einzelnen Wellenlängen zu beobachten. Insofern besteht hier der Trend, WDM-Technologie mit TDM-Lösungen auf einer einzelnen Wellenlänge zu kombinieren. Als Beispiel dafür führt Humberg an: "Man kombiniere Wellenlänge 1 mit einem 2,5-Gbit/s-Signal und Wellenlänge 2 mit einem 4:1-TDM. Dadurch ließe sich Wellenlänge 2 vollständig nutzen."

Im Zuge der Marktkonsolidierung werden also weiter Produkte im Bereich der Punkt-zu-Punkt-Verbindungen sowie verstärkt TDM-Integration in WDM nachgefragt.

Doch auch Fibre Channel als Interface vor allem für Storage-Anwendungen setzt sich durch. Damit gewinnen Storage Area Networking (SAN) und Connectivity zwischen zwei Standorten zunehmend an Bedeutung. Ausgehend von diesen Punkt-zu-Punkt Verbindungen werden nun auch optische Ringstrukturen sowie die Integration mit bestehenden SDH-Netze angegangen.

Auf der Seite der Anwendungen gibt es wenige wesentliche Neuerungen. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren sind heute jedoch viele Anwendungen weit kostengünstiger verfügbar. Im optischen Bereich besteht in erster Linie Nachfrage nach schnellen Datendiensten für Unternehmenskunden. Für Stadtnetze werden verstärkt Fast Ethernet und Gigabit Ethernet verwendet, und im Bereich Storage setzen sich Fibre Channel und Ficon gegen das derzeit übliche Escon-Protokoll mehr und mehr durch.

Nicht zu viele Schritte auf einmal

Humberg sieht die Firmenphilosophie bestätigt: "Adva Optical Networking war über die Jahre hinweg immer konservativ, was die Ankündigung von Hype-Technologien angeht. Und die aktuelle Marktentwicklung gibt uns jetzt Recht." Bedarf besteht heute für robuste und einfache Lösungen, während die komplizierte Integration von Network-Layer-Produkten mit optischen Netzen kaum nachgefragt wird.

Allgemein sehen sich die Hersteller derzeit mit der Frage konfrontiert, wie weit der Markt mittelfristig überhaupt wachsen wird. In den vergangenen Jahren ist der Sektor der optischen Netzwerke nicht in dem Maß gewachsen, wie es von Analysten prognostiziert wurde. "Adva Optical Networking wird heute von führenden Marktbeobachtern als die Nummer drei im weltweiten Markt für optische Stadtnetze eingestuft", so Humberg.

Nach den Schlagzeilen im Zusammenhang mit den Insolvenzen von Worldcom und KPN Qwest kann sich zwar zurzeit noch kein Hersteller aus der Großwetterlage der Telekommunikationsbranche befreien, aber die Evolution der optischen Netze geht stetig weiter.

www.advaoptical.de

ComputerPartner-Meinung:

Nach den Pleiten der Dotcoms ist der Markt für optische Netze schwer eingebrochen. Doch die Lethargie wird nicht ewig anhalten, und neue Verbindungen müssen unbedingt gebaut werden, soll das bestehende Netz nicht eines Tages kollabieren. Und die optischen Verbindungen bieten nun mal die zurzeit höchsten Transferraten, gekoppelt mit relativer Störsicherheit. Die Pleiten und Pannen der jüngsten Zeit werden den Siegeszug optischer Netze zwar verlangsamen, aber nicht stoppen können. Mit neuen optischen Technologien werden sich in Zukunft noch mehr Daten auf einer einzelnen Faser übertragen lassen. In puncto Kosten ist die Faser zwar teurer, bietet dafür aber auch mehr Leistung. (jh)

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