Die Fronten verhärten sich

22.10.1998

FRANKFURT/MAIN: Bei Sage KHK kehrt einfach keine Ruhe ein. Immer mehr Wettbewerber machen Jagd auf die Marktanteile des Unternehmens (siehe Artikel Seite 116). Und jetzt hätte fast ein Gerichtsentscheid die weitere Auslieferung der aktuellen Version der Classic Line verhindert.Bei der Sage KHK platzte mitten in die Systems-Vorbereitungen eine einstweilige Verfügung wie die sprichwörtliche Bombe: Der Hersteller dürfe sein Software-Paket Classic Line 2000 nicht weiter ausliefern. Und das gelte so lange, bis das Vorgänger-Produkt, die Classic Line 97, nicht fit für Euro und Jahrtausendumstellung wäre. Weiter hieß es als Bedingung, die aktualisierte Version von CL '97 "muß an den Vorsitzenden des KHK-Händlerverbandes ausgeliefert werden".

"Diese aktualisierte Version, die Classic Line 97 C, haben wir hier im Unternehmen bereits seit September im Test. Natürlich haben wir aufgrund der Verfügung aus allen Bereichen des Unternehmens Leute abgezogen, damit sie die Sache vorantreiben können - und wir sind heute fertig geworden", meldete sich ein etwas entnervter Christoph Michel am vergangenen Freitag bei ComputerPartner. Der Geschäftsführer der Sage KHK ließ die Version direkt an den Initiator der einstweiligen Verfügung schicken und zeigte sich zuversichtlich, das Produkt wie geplant auf der Systems anbieten zu können.

Von Samthandschuhen keine Spur

Auch wenn es so aussieht, als ob Michel sich damit dem Druck seiner verärgerten Partner beugt, weist er diesen Verdacht weit von sich: "Es gibt zwei Möglichkeiten, auf eine einstweilige Verfügung zu reagieren: Man legt Berufung ein - aber das wäre in diesem Fall viel zu langwierig, uns liegt ja noch nicht einmal die Begründung des Richters vor. Die zweite Möglichkeit: Man gibt ihr statt, was wir getan haben." Aber damit ist die Sache für ihn nicht abgeschlossen. Dem Sage-KHK-Chef reißt langsam der Geduldsfaden, deshalb will er von seiner Seite nun rechtliche Schritte einleiten. "Und die ziehe ich durch bis zur letzten Instanz", grollt er.

KHK-Händlerverband plant weitere Aktionen

Die Vertriebspartner des Unternehmens, die sich durch die Abkehr des Herstellers von der langjährig propagierten Free-Licence-Politik um ihre hohen Investitionen geprellt sehen, haben sich bislang in ihrer Kritik keinen Maulkorb angelegt. So ließ uns jetzt beispielsweise ein KHK-Sourcecode-Entwickler wissen, daß "weitere Aktionen des KHK-Händlerverbandes gegen KHK initiiert" seien, da "bei dem sturen Verhalten des KHK-Geschäftsführers davon auszugehen ist, daß sich KHK an der neuen Lizenzpolitik selber ruiniert und wohl in absehbarer Zeit der Vergangenenheit angehören wird."

Das kann Michel nicht schrecken, er gibt sich - zumindest nach außen hin - gelassen. Doch auch sein Ton wird zusehends schärfer. In einer eilig herausgegebenen Pressemitteilung läßt er den KHK-Händler Active Business zu Worte kommen: "Die Klage über die Einzellizenz ist die Klage über das eigene Unvermögen oder der Mangel an Einfallsreichtum, die neue Lizenzpolitik zu vertreten und die Produkte zu vertreiben." Auf die Frage, ob das nicht etwa zu scharf formuliert sei - schließlich werden damit langjährige und oft erfolgreiche KHK-Partner angegriffen - beruft er sich darauf, daß auch die KHK-Gegner einen ausgesprochen personenorientierten Kampf führen würden.

"Nach 15 Jahren Free Licence ist der Markt schlauer"

Die Vertriebspartner hätten lange Zeit gehabt, sich auf die neuen Gegebenheiten in der Vertriebspolitik nach der Übernahme durch Sage einzustellen, wehrt er Vorwürfe ab. Er habe aktuell 1.200 Vertriebspartner, die gut mit dem Einzellizenz-Verfahren leben können, die anderen "gehören inzwischen zur Minderheit". Er wolle sich - auch im Hinblick auf den Wettbewerb, der sich derzeit im Aufwind sieht - auf einem anderen Spielfeld agieren: "Wir argumentieren nicht auf der Personenebene, sondern über unsere Produkte - mit Qualität, Funktionalität und Support." Noch sei man schließlich Marktführer, und das derzeitige FreeLicence-Revival bei Konkurrenz-Unternehmen wie Aparis oder Lexware ist laut Michel einfach nicht mehr zeitgemäß. "Die Free Licence wurde vor 15 Jahren eingeführt. Jetzt ist der Markt 15 Jahre schlauer." (du)

Sage-KHK-Chef Christoph Michel hat vor der Systems einen Streifen mitgemacht...

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