Die Fusionitis grassiert wie die Grippewelle

11.11.1999
Kleinere Systemhäuser werden ihre Daseinsberechtigung behalten.

Der Chefredakteur des "Manager-Magazins", Wolfgang Kaden, hat in der November-Ausgabe seines Heftes ein sehr gescheites Editorial geschrieben. Deshalb zitieren wir an dieser Stelle gerne einmal ausführlicher. "Geradezu aberwitzig erscheint", schreibt Kaden, "was sich gegenwärtig in der Unternehmensszene abspielt. Ein Vorstandschef, der derzeit nicht einen ,Merdcher’ oder eine ,Äkwisischen’ laufen hat, muß sich schon wie ein Versager vorkommen; wie einer, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat."

Der Mann hat ja so recht. In diesem Jahr sind es in der IT-Branche vor allem die großen Systemhäuser, bei denen die Fusionitis grassiert. Neben zahlreichen kleineren Zusammenschlüssen und Übernahmen sorgten namentlich die Elefantenhochzeiten von Hancke & Peter/Ascad sowie Bechtle/SDV für Schlagzeilen. Doch damit nicht genug: Jetzt teilte die MSH AG (Memorex Telex) überraschend mit, das Systemhaus STS Spectrum GmbH in Sulzbach zu übernehmen. Überraschend deshalb, weil STS-Chef Hartmut Wenzel gegenüber wohlmeinenden Branchenkennern immer die Notwendigkeit von Allianzen abgestritten hat. Daß er jetzt dennoch sein Unternehmen verkauft hat, dürfte mit der Stagnation des Systemhauses in den vergangenen Jahren zu tun haben. Offenkundig hat Wenzel aus der Tatsache die Konsequenz gezogen, daß viele ehemalige Wettbewerber, die noch vor kurzer Zeit kleiner waren als STS, an seinem Haus vorbeigezogen sind und ihm die Butter vom Brot nehmen.

Die Konzentrationsbewegung in der Systemhauslandschaft hält also weiter an. Ob sich allerdings die Erwartungen der Unternehmen immer erfüllen, daran darf man aufgrund der Erfahrungen aus zahlreichen Fusionen und Übernahmen berechtigte Zweifel anmelden. Um noch einmal "Manager-Magazin"-Chefredakteur Kaden zu zitieren: " (...) ob die allfälligen Fusionen die Unternehmen im Hyperwettbewerb wirklich stärken - das muß sich erst noch erweisen. (...) Zusammenschlüsse schaffen bei den Belegschaften in allen Rängen Ängste, absorbieren Managementressourcen, lenken vom Kunden ab. Das ist ein hoher Preis, der in keine der wunderbaren Merger-Rechnungen eingeht."

Wie wahr, wie wahr. Die Fusionitis bei den großen Systemhäusern führt aber auch dazu, daß sich immer mehr Geschäftsführer und Gesellschafter kleinerer und mittlerer Sytemhäuser besorgt fragen, ob sie allein überhaupt noch dauerhaft überlebensfähig sind oder ob sie sich nicht beizeiten nach einem Käufer ihres Unternehmens umsehen sollten. Die Frage ist sicher berechtigt, aber zur Panik besteht überhaupt keine Veranlassung.

Auch kleinere Systemhäuser werden ihre Daseinsberechtigung behalten. Natürlich: Wer glaubt, unbedingt Deutschlands Großunternehmen auf seiner Kundenliste haben zu müssen, der muß selbst eine gewisse Größe aufweisen. Aber die deutsche Wirtschaft besteht eben nicht nur aus den Big Playern. Im Gegenteil. Und die vielen kleinen und mittleren Firmen benötigen einen Ansprechpartner, der sie versteht und ihre Sprache spricht. Es gilt nun einmal nach wie vor und wird auch so bleiben: Groß kauft bei groß, und klein kauft bei klein. Größe allein ist noch kein Wettbewerbsvorteil. Gut muß man sein.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

Zur Startseite