Aufstieg, Krisen und Skandale

Die Geschichte der Telekom

Ariane Rüdiger ist freie Autorin und lebt in München.

2012: Krisenbewältigung USA, Kooperation und der Sprung in die Wolke

)) Innovationen sollen die Telekom endlich dauerhaft aus der Defensive bringen. Zuständig dafür: der Leiter des P&I-Bereichs, Thomas Kiessling.
)) Innovationen sollen die Telekom endlich dauerhaft aus der Defensive bringen. Zuständig dafür: der Leiter des P&I-Bereichs, Thomas Kiessling.
Foto: Telekom

Nachdem Ende 2011 klar geworden war, dass die Krisenbewältigung USA nicht funktionieren würde wie geplant, verkündete die Telekom im Februar zunächst, man werde den zukunftsträchtigen Bereich P&I neu strukturieren, um die Umsatzgewinnung jenseits des bröckelnden Kerngeschäfts zu intensivieren: Kommunikationsdienste, Medien/Unterhaltung, Cloud-Dienste, Werbung, Anzeigengeschäfte und Bezahldienste heißen jetzt die sechs erklärten Zukunftsfelder unter Chefinnovator ist Thomas Kiessling. Kooperationen, intern wie extern, sollen zukünftig eine größere Rolle spielen. Dazu wird im März anlässlich der Cebit das Programm "Easy-to-Partner" für Software- und Serviceanbieter aus der Taufe gehoben. Außerdem entsteht die offene Entwickler-Community Developers Garden.

Das Partnerprogramm ist vor allem für das Cloud-Geschäft relevant, das die Telekom im Lauf des Jahres unter anderem mit einem Business Marketplace, ebenfalls zur Cebit präsentiert, vorantreibt. Weitere Marktplätze entwickelt man zusammen mit Fraunhofer-Instituten. Dienste wie das im Lauf des Jahres freigeschaltete De-Mail, Cloud-basierende Sicherheit, Conferencing und Software für Standard-Business-Aufgaben wie Finanzwesen oder Auftragsabwicklung sollen neue Kunden locken und alte binden. Sogar SAP-Daten analysiert die Telekom in der Cloud, die Ergebnisse wandern aufs Smartphone, wenn der Kunde das wünscht. Die Telekom-Cloud mit Services fürs breite Volk wird erweitert. Auch der Online-Kiosk PagePlace stellt seinen Reader auf Cloud-Betrieb um.

Noch Wüstenei, bald Deutschlands größtes Rechenzentrum: Bei Magdeburg baut die Telekom neue Ressourcen fürs Cloud-Geschäft.
Noch Wüstenei, bald Deutschlands größtes Rechenzentrum: Bei Magdeburg baut die Telekom neue Ressourcen fürs Cloud-Geschäft.
Foto: Telekom

In Magdeburg und Biere (Sachsen-Anhalt) legt T-Systems den Grundstein für ein riesiges Telekom-Zwillingsrechenzentrum, nach Telekom-Angaben das bisher größte Deutschlands, um Ressourcen für die erwartete Wolken-Kundschaft zu schaffen. Und gegen Jahresende verkündet Boss Obermann sogar, man arbeite an einem eigenen Endgerät, das außer Surfen mit dem Firefox und der Benutzung von Cloud-Services wenig bis nichts könne, dies aber komfortabel und sicher (und hoffentlich mit auswechselbarem Akku!).

Anfang März ist mit Dr. Markus Müller ein neuer dauerhafter Chef für die ehemals interne IT der gesamten Deutschen Telekom, nun T-Systems zugeordnet, gefunden. Er hat die nach der Wachstumslogik der Wirtschaft merkwürdige, aber konzerntweit durchaus sinnvolle Aufgabe, den Umsatz seines Bereichs systematisch herunterzufahren, damit die IT-Kosten der Telekom insgesamt sinken. Um das zu stützen, muss der neue Bereich "Telekom IT" ab dem dritten Quartal keine Margen mehr ausweisen, sondern nur noch Kosten - mit anderen Worten: seine absichtlich schrumpfenden Umsätze sollen das auch ansonsten nicht übermäßig gloriose Ergebnis von T-Systems nicht verunzieren.

Gegen Jahresende folgt dann bei T-Systems eine weitere Umstrukturierung: Das Unternehmen hat jetzt nur noch zwei Geschäftsbereiche, Sales (unter Hagen Rickmann) und Delivery (unter Dr. Ferri Abolhassan). Der Grund: Das Geschäft mit Großkunden wird immer Cloud-lastiger.

Im April beginnt ein für die Telekom eher unerquicklicher Tarifstreit. Die Gewerkschaft fordert angesichts von Wirtschaftskrise und langjährig höchst moderaten Lohnerhöhungen 6,5 Prozent, die Telekom erklärt diese Forderung für vollkommen abstrus und bietet 3,5 Prozent in zwei Schritten, das Ganze endet vor der Schlichtung, und das Ergebnis wird anschließend als großer beiderseitiger Erfolg gefeiert. Es heißt: Eine um drei Monate verschobene Erhöhung um 2,3 Prozent 2012, zwei weitere im Abstand von je einem halben Jahr um je 2,1 Prozent - macht in der Summe 6,5 Prozent, allerdings mit einer größeren Zeitverzögerung.

Bei den Kooperationen läuft nicht alles wie gewünscht. Zwar erhebt keiner Einwände dagegen, dass die Telekom mobile Groupon-Angebote vermarktet, mit Samsung und einem Solaranbieter bei Hausnetztechnik kooperiert, Telepresence-Ressourcen mit Tata Communications teilt, VMware technologisch fest in seine Cloud-Angebote einbindet oder mit Téléfonica Teile der eigenen Netzinfrastruktur gemeinsam nutzt. Doch eine Vereinbarung mit NetCologne über die gegenseitige Verwendung von Netzzugängen stößt den Regulierern sauer auf, und sie verlangen bessere Konditionen. Erst im Juli schafft es die Telekom, die Behörde zufriedenzustellen. Die Änderungen sollen verhindern, dass der Ex-Monopolist seine Stellung zementiert.

Noch-Telekom-Boss und der inzwischen verstorbene Apple-CES Steve Jobs feiern zusammen 20 Jahre Mobilfunk, natürlich mit dem iPhone.
Noch-Telekom-Boss und der inzwischen verstorbene Apple-CES Steve Jobs feiern zusammen 20 Jahre Mobilfunk, natürlich mit dem iPhone.
Foto: Telekom

Im Mobilfunk gibt es Licht und Schatten: Die Technologie feiert Jubiläum, der LTE-Ausbau schreitet voran, neue mobile Dienste sind der Top-Hoffnungsträger Obermanns, sie erzeugen, so der Manager, bereits zehn Milliarden Umsatz. Neue Initiativen im M2M-Bereich, unter anderem ein eigener Bereich auf der Entwicklerplattform "Developer Garden", sollen hier für weiteren frischen Wind sorgen.

Andererseits: T-Mobile Austria bekommt mit dem Ex-Austrian-Airlines-Vorstand Andreas Bierwirth einen neuen Chef und stöhnt ganz offiziell in einer Pressemeldung unter Preisverfall und Konkurrenzdruck - das muss Bierwirth aus dem Luftfahrtbereich gewohnt sein, wo ebenfalls raue Sitten gelten. Drüben, auf der anderen Seite des Ozeans, versucht man, Ersatz für den geplatzten Deal mit AT&T zu finden. Doch vorläufig verlässt im Juni erst einmal der T-Mobile-US-Chef Philipp Humm das Unternehmen. T-Mobile-COO Jim Alling übernimmt kommissarisch. Im September wird mit John Legere ein neuer Geschäftsführer für T-Mobile USA ernannt. Ende September gelingt ein Deal zur Vermietung und Nutzung von 6400 Mobiltürmen, weitere 800 werden verkauft und füllen Löcher in der Kasse von T-Mobile USA.

Nach dem als Befreiungsschlag gedachten Kauf des amerikanischen Providers Metro PCS für 1,5 Milliarden Dollar und 26 Prozent an der gemeinsamen, neuen Gesellschaft für die Aktionäre von MetroPCS im Oktober dominieren aber nicht Jubelhymnen, sondern skeptische Stimmen. Denn nun wird erst einmal eine buchhalterische Wertberichtigung von sieben bis acht Milliarden Dollar fällig, der die Telekom insgesamt ins Minus drückt. Telekom-Finanzvorstand Timotheos Höttges höchstselbst rechtfertigt den Deal mit neun Millionen neuen US-Kunden. Dass MetroPCS eine andere Technologie benutzt als T-Mobile USA sei kein Hinderungsgrund, sondern sogar ein Vorteil, denn man könne alle Kunden von MetroPCS nun schnell auf T-Mobile migrieren und das MetroPCS-Netz dann abschalten. Es bleibt zugunsten von Höttges zu hoffen, dass das die amerikanischen Kunden genau so sehen.

Der Nachfolger Réné Obermanns, Timotheus Höttges, vormals Finanzchef, muss sich unter anderem mit Altlasten aus dem US-Markteinstieg von T-Mobile herumschlagen.
Der Nachfolger Réné Obermanns, Timotheus Höttges, vormals Finanzchef, muss sich unter anderem mit Altlasten aus dem US-Markteinstieg von T-Mobile herumschlagen.
Foto: Telekom

Denn Mitte Dezember präsentierte das Unternehmen ein weiteres Überraschungsei: Réné Obermann geht Ende 2013, um, wie er sagt, wieder stärker unternehmerisch tätig zu werden. Statt, wie nicht er, sondern die Autorin sagt, den schwerfälligen Riesen Telekom weiter durch die rauen internationalen Märkte zu steuern und dabei stets die empfindlichen Zehen der unzähligen Stakeholder geschickt zu umtanzen. Sein Nachfolger wird Höttges . Er soll nun beurteilen, wie gut seine eigenen Argumente als Finanzvorstand in Sachen MetroPCS wirklich waren.

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