Die IBM-Führung fordert von den Partnern mehr Engagement

20.02.1998

STUTTGART: Rund 500 Vertriebspartner und etwa 200 IBM-Mitarbeiter trafen sich vom 4. bis 6. Februar zum jährlichen Kick-Off in Stuttgart. Die wichtigste Botschaft, die sie mit nach Hause nehmen konnten: IBM wird in diesem Jahr keine Strategie-Änderung vornehmen.Der Auftakt zur offiziellen Eröffnung des diesjährigen "IBM-Parteitags" am 5. Februar in der Stuttgarter Liederhalle war vielversprechend. Zuerst knatterte Gastgeber Ralf Dieter, Leiter Business Partner Management bei der IBM, auf einer Harley Davidson auf die Bühne, und wenig später folgte ihm, ebenfalls auf einem Feuerstuhl, der deutsche IBM-Chef Hermann-Josef Lamberti mit Fernsehjournalistin Sabine Sauer auf dem Rücksitz. Dann brachte der ganze Saal Lamberti ein Geburtstagsständchen, und danach ging es los mit einem wahren Mammutprogramm von sage und schreibe elf Vorträgen, von denen jeder mindestens 30 Minuten dauerte und einige davon auch noch in Englisch gehalten wurden. Also eine echte Herausforderung an das Sitz- und geistige Aufnahmevermögen der rund 500 IBM-Vertriebspartner. Die waren am Ende der Veranstaltung dann auch so ermüdet, daß IBM-Manager Dieter auf seine Frage, ob die versammelte Gemeinde denn ebenso fest zur IBM stehe wie die IBM zu ihnen, nur ein mattes Klatschen der Zustimmung erntete.

Insgesamt stand die Veranstaltung in diesem Jahr unter keiner spektakulären Neuigkeit. "Unsere Message in diesem Jahr", erklärte Partner-Manager Dieter, "besteht darin, daß wir 1998 keine Strategie-Änderung vornehmen werden." Das bedeutet, daß die IBM weiterhin an der Umsetzung der vor zwei Jahren aus der Taufe gehobenen "Business Partner Charta" arbeitet, deren wesentlicher Bestandteil der Shift vom Direkt- zum Indirektvertrieb ist. Bis zum Jahr 2000, so der Plan, sollen 60 Prozent des IBM-Umsatzes über Vertriebspartner erzielt werden.

Bis dahin hat die deutsche IBM-Organisation noch ein ganzes Stück Weg vor sich, wenn auch die Richtung, die sie eingeschlagen hat, schon einmal stimmt. So erklärte IBM-Chef Lamberti, daß im Bereich Hardware und Systemsoftware (also Betriebssysteme) der Anteil des Partnergeschäfts 1997 bereits bei 58 Prozent (1996: 35 Prozent) gelegen habe. Leider machen andere Bereiche wie Anwendungssoftware mit nur 19 Prozent Partnerbeteiligung und vor allem Services mit schlappen drei Prozent den guten Schnitt wieder zunichte.

Noch ein Stück vom Ziel entfernt

Überhaupt war es interessant, die Bedeutung des Partnergeschäftes für die verschiedenen Geschäftsbereiche, von der PC-Unit bis zum Services-Bereich, aus erster Hand zu erfahren. Einige Angaben in Stichworten:

- AS/400: knapp 80 Prozent über Partner;

- RS/6000: 60 Prozent;

- Mittelstand: 55 Prozent (1996: 43 Prozent, Ziel für 1998: 62 Prozent);

- "ISU": 12,4 Prozent, Ziel für Jahr 2000: 34 Prozent (ISU steht für Industrie Solution Unit und ist die Großkundenabteilung bei IBM);

- PC: 100 Prozent.

Fast alle Redner, hauptsächlich die Abteilungsleiter der entsprechenden Geschäftsbereiche, hoben in ihren Präsentationen das gute Wachstum des Partnergeschäfts im letzten Jahr hervor. So referierte Dieter, daß die Partnerumsätze der IBM 1997 um 29,4 (inklusive PC-Geschäft) beziehungsweise sogar um 36,2 Prozent (ohne PC-Geschäft) angestiegen seien, also deutlich stärker als der IBM-Umsatz insgesamt. Im ISU-Bereich, also im Großkundengeschäft, ist der Partnerumsatz 1997 nach Angaben von IBM-Manager Dr. Lothar Mackert sogar um 50 Prozent auf knapp 800 Millionen Mark angestiegen.

In diesem Jahr soll der Schwerpunkt, so das Versprechen von Dieter, vor allem im Bereich Services liegen; hier treten die IBM und die Vertriebspartner noch viel zu sehr als Konkurrenten auf, das muß anders werden. Wie genau das passieren soll, war aber noch nicht zu

erfahren.

Mittelstand tut sich schwer

Für den externen Beobachter sehr aufschlußreich war auch, wie unterschiedlich sich die einzelnen IBM-Sprecher präsentierten. Wohl auch abhängig von der aktuellen "Performance" ihrer Abteilungen. So zum Beispiel boten der neue PC-Chef Christoph Hildebrandt auf der einen und Wilfried Daudt, Leiter Geschäftsbereich Mittelstand, auf der anderen Seite ein eindrucksvolles Kontrastprogramm.

Daudt blickte mit kummervoller Miene auf ein für ihn wenig erfreuliches Jahr zurück. Der Umsatz zeigte mit etwa vier Prozent Wachstum nur nominell leicht nach oben, die PC-Verkäufe beim Mittelstand waren mit nicht einmal zehn Prozent Plus auch unterdurchschnittlich, und bei der alljährlich von der IBM durchgeführten Kundenbefragung erhielt seine Abteilung die schlechtesten Noten. Das alles ist nicht gerade dazu angetan, um als Strahlemann auf die Bühne zu springen. Aber: Daudt ist lange genug an Bord der IBM und durch manche Stürme gestählt, als daß er aufgrund der Flaute im letzten Jahr in Depressionen verfallen würde, und er plant daher für dieses Jahr einen Umsatzzuwachs um 15 Prozent.

Neuer PC-Chef Hildebrandt mit Ehrgeiz

Völlig anders der Auftritt von Christoph Hildebrandt. Der frisch gebackene Nachfolger des soeben nach Amerika abgedampften PC-Chefs Jürgen Renz fühlte sich auf der Bühne sichtlich wohl und überzeugte vor allem durch einen schwungvollen und faktenreichen Vortrag. Sicherlich kam ihm dabei die Aufwärtsentwicklung des PC-Geschäfts der IBM entgegen. So konnten die Stuttgarter 1997 den Absatz um etwa 26 Prozent auf 277.000 Stück ausweiten und damit den Marktanteil von 5,4 auf 6,3 Prozent verbessern. Dabei flossen etwa zwei Drittel der Systeme in das ISU-Umfeld (Großkunden) und ein Drittel in den Mittelstand.

Das Consumergeschäft ist noch immer ein zartes Pflänzchen, das gepflegt werden soll. Die im letzten Jahr aufgenommene Assemblierungs- und Vermarktungskooperation mit Comtech in Stuttgart war noch nicht der durchschlagende Erfolg; sicher haben sich beide Seiten mehr vorgestellt als die bisher abgesetzten 12.000 Einheiten. Auf der CeBIT will Hildebrandt einen weiteren Partner vorstellen, mit dem IBM im Consumerumfeld mehr Druck aufmachen will.

Nachdem die PC-Division der IBM, die jetzt in Personal Systems Group (PSG) umgetauft wurde, im letzten Jahr vor allem Desktop-Systeme verkauft hatte, soll der Schwerpunkt in diesem Jahr auf dem Vertrieb der werthaltigeren Server und Notebooks liegen. So soll zwar der Absatz noch einmal kräftig um 20 Prozent auf 338.000 Stück anwachsen (Ziel für Q1: 90.000 Stück), den Umsatz will Hildebrandt aber um 38 Prozent auf 1,255 Milliarden Mark steigern. Es wird sehr interessant werden, ob dem neuen PSG-Chef dieses Kunststück gelingen wird. Denn gleichzeitig will er im Gegensatz zu früher nicht mehr lediglich auf Preisreduzierungen der Wettbewerber reagieren, sondern selber "proaktiv" neue Maßstäbe setzten. "Sie werden 1998 eine neue IBM erleben!", rief er den Vertriebspartnern zu, stellte aber, um Mißverständnisse aus dem Wege zu räumen, noch schnell klar, daß die IBM "nicht der Billige Jacob werden wird".

Partnereinbindung auch bei Services

Das schwierige Thema Services schnitt Hildebrandt kurz an und versprach, daß auch die Vertriebspartner hier verstärkt zum Zuge kommen sollten. Über die unverbindliche Aussage, daß die Services in Zukunft "in der Pre-Sales-Phase abgestimmt" werden sollen, war von ihm aber zu diesem Thema auch nichts weiter Erhellendes zu hören.

Aber egal wie: Fernsehmoderatorin Sabine Sauer, die durch das Programm des IBM-Händlertages führte, war von den darstellerischen Qualitäten Hildebrandts derart begeistert, daß ihr im Anschluß an seinen Auftritt die originelle Bemerkung von den Lippen ging: "Ich glaube, Sie bringen es noch fertig, Eskimos Eisschränke zu verkaufen."

Natürlich fehlte es nicht an Appellen an die anwesenden Händler und VARs, gemeinsam mit der IBM die Marktchancen zu nutzen. Vor allem Elke Preuss-Giangarra, Leiterin der zur Midrange Systems Group fusionierten AS/400- und RS/6000-Abteilung, die 1997 "ein schwieriges Jahr" (Preuss-Giangarra) durchmachte, bat die Vertriebspartner um mehr Einsatz. Das Erstaunlichste an ihrem Vortrag war die Beobachtung, daß solch abgeschmackte Videos wie das einer Cruise Missile, die Kurs auf eine HP-Workstation nimmt und diese dann zerstört, offensichtlich doch noch so viel Anklang findet.

Und natürlich Hermann-Josef Lamberti. Der IBM-Chef, der unmittelbar nach seiner durchaus schwungvollen und substanzhaltigen Rede wegen dringender geschäftlicher Termine wieder zurück ins Büro mußte, rief den anwesenden Händlern zu, die Chancen zu nutzen, die der Markt bietet. "Wenn es uns gelingt", so der Appell Lambertis, "gemeinsam an einem Strang zu ziehen, holen wir in diesem Jahr aus dem Markt ein 30-prozentiges Wachstum raus." (sic)

Ralf Dieter, Chef des Partner Managements bei der IBM: Die Richtung stimmt, aber der Weg ist noch weit.

Neuer IBM-PC-Chef Christoph Hildebrandt: "Sie bringen es noch fertig, Eskimos Eisschränke zu verkaufen."

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