Der Handel in Kleinstädten und Gemeinden

Die Innenstadt zum Einkaufscenter machen

Uwe Ritschel schreibt als Experte zu den Herausforderungen des  Einzelhandels. In seiner nunmehr fünfzigjährigen Tätigkeit hat er alle Facetten der Branche kennengelernt. Sein Weg führte vom Einkäufer und Abteilungsleiter bis ins Management eines großen Handelsunternehmens. Ritschel beschäftigt sich mit den Chancen und Risiken durch die Digitalisierung des Handels. Damit ist er heute ein gefragter Experte für Händlergemeinschaften und City-Marketing.
Was kann man als stationärer Fachhändler gegen Retailer und Internethändler tun? Und muss man alles alleine tun? Es gibt viele Initiativen, die eine Gemeinschaft von ortsansässigen Ladengeschäften zum Erfolg führen können.

Das Jahr 2015 kann für den Einzelhandel zum Schicksalsjahr werden. Es könnte alles so schön sein. Geld ist genug im Umlauf. Die Löhne, Renten und Gehälter sind signifikant gestiegen. Das Sparbuch lohnt nicht mehr und der Staat gibt immer mehr Geld für Familien aus. Noch nie waren in Deutschland mehr Menschen in einer bezahlten Beschäftigung als 2014. Dennoch zeichnet der Präsident des HDE, Josef Sanktjohanser, auf der Weihnachts-Pressekonferenz in Berlin ein düsteres Bild vom Einzelhandel. 50.000 (in Worten, fünfzigtausend!) Standorte werden in den nächsten fünf Jahren schließen müssen, so seine Aussage.

Die Innenstadt muss zum Einkaufscentrum werden, Multichanel und online rund um die Uhr.
Die Innenstadt muss zum Einkaufscentrum werden, Multichanel und online rund um die Uhr.
Foto: Kzenon - Fotolia.com

Mit dem Online-Handel hat sich eine zunehmende Bedrohung für den stationären Einzelhandel entwickelt. Der Online-Handel ist jünger, schneller und rund um die Uhr erreichbar. Da helfen auch keine Appelle zur Rettung der Innenstädte. Es muss ein Umdenken bei den Händlern stattfinden!

Jeder neue Mitbewerber, und der Online-Handel ist ein großer Mitbewerber, überlegt, was er auf einem bestehenden Markt besser machen kann. Nur wenn der Markt, oder einzelne Marktteilnehmer darauf wieder mit Verbesserungen reagiert, dann bleibt der Wettbewerb lebendig. Zurzeit sieht es eher so aus, als wenn die alteingesessenen Händler wie das sprichwörtliche Kaninchen auf die Schlange starren.

Dabei hat der Händler vor Ort durchaus viel zu bieten, persönliche Bedienung, fachkundige Beratung und Ware direkt zum Mitnehmen. Aber das reicht heute nicht mehr. Der Online-Handel hat die Achillesferse des stationären Handels erkannt und setzt gnadenlos auf Service. Transparenz in den Leistungen, Lieferung direkt ins Haus, Rückgaberecht innerhalb von 14 Tagen, Geld zurück ohne lästige Fragen und das ist längst nicht alles. Die Online-Händler verfügen über einen Datenschatz von dem ihre Mitbewerber vor Ort nur träumen können. Zalando hat seine Kunden im ersten Jahr besser kennen gelernt als alteingesessene Händler in den 50 Jahren ihres Bestehens.Da gilt es anzusetzen. Die Standortvorteile nutzen und das eigene Geschäft digital weiter entwickeln, das ist der Weg raus aus der Internetfalle.

Gemeinsam die Vorteile nutzen

Es gilt die Vorzüge eines Einkaufscenters mit den technischen Möglichkeiten des Internets zu koppeln. Das geht nur als Gemeinschaftsarbeit. Der Einzelhandel vor Ort kann sich nur in einer intakten und zukunftsorientierten Händlergemeinschaft weiter entwickeln. Mit anderen Worten, die Innenstadt muss zum Einkaufscentrum werden, Multichanel und online rund um die Uhr. Das heist aber nicht, alte Werte über Bord zu werfen.

Ehe man ein Haus aufstockt, gilt es die Fundamente zu überprüfen. Ein kränkelndes Geschäft wird durch die Erweiterung auf Online nicht gesünder. Die Basis aller Geschäfte ist die Wertschätzung seiner Kunden. Sie betrifft das Sortiment, den Service, die freundliche Bedienung und ein Verstehen und eingehen auf die Wünsche der Kunden. Dazu muss die gesamte Innenstadt an einem Strang ziehen.

Der Star ist die City und die ersten Maßnahmen haben so gar nichts mit dem Internet zu tun. Hier geht es um andere Themen:

  • Gemeinsame Kernöffnungszeiten
    Was nutzt die schönste Innenstadt, wenn immer noch einige Geschäfte über Mittag geschlossen sind? Was treibt den Kunden am Samstag in die Einkaufsstraße, wenn die Geschäfte unterschiedlich um 12:00 Uhr, um 14:00 Uhr und wieder andere um 16:00 oder 18:00 Uhr schließen.

  • Kulanz
    Im täglichen Geschäft geht es dabei in erster Linie um den Umtausch ohne wenn und aber. Die Mitbewerber im Netz stellen auch keine Fragen und überweisen den Kunden umgehend den gezahlten Betrag zurück auf das Konto. Hier muss die City geschlossen auftreten, keine unangemessenen Fragen, keine Gutscheine. Wer seine Kunden in schwierigen Situationen mit einem Lächeln verabschiedet, kann sicher sein, dass er wiederkommt. Das muss ausnahmslos von allen praktiziert werden.

  • Gemeinsame Aktionen
    Zum Beispiel eine Saisoneröffnung im Frühjahr mit Blumen in allen Schaufenstern der Innenstadt oder ein gemeinsamer "Mid-Saison-Sail" als Preisaktion außerhalb der Schlussverkäufe. Das bündelt die Aufmerksamkeit.Auch ein abgestimmtes Verhalten in der Werbung kann Sinn machen.Wenn 26 Händler jeweils zwei Mal im Jahr ein ganz verrücktes Angebot bringen, dann haben die Kunden 52 Wochen im Jahr einen Grund, die City zu besuchen.Ein gemeinsamer Adventskalender, jeden Tag ein anderes Angebot aus einem anderen Geschäft, davon profitieren alle.Das Gleiche gilt für die Vergütung von Parkgebühren, entweder alle oder keiner.

  • Auftreten als Gemeinschaft
    Am besten lässt sich das durch eine gemeinsame Gutscheinkarte demonstrieren. Eine Gutscheinkarte, die wie eine Geldkarte aufgeladen wird und in allen Geschäften der Innenstadt als Zahlungsmittel angenommen wird. Das ist die Freiheit, die der Kunde sich wünscht. Wenn das alles umgesetzt ist, beginnt die digitale Erweiterung des Handels.

Kundendaten sammeln - aber wie?

Die digitale Revolution basiert auf Daten. Jeder Kunde hinterlässt bei jedem Einkauf, bei jedem Blick ins Netz, seinen digitalen Fingerabdruck. Amazon kennt seine Kunden nach wenigen Bestellungen oft besser als der Händler vor Ort nach vielen Jahren. Haben Sie einem guten Kunden schon mal zum Geburtstag gratuliert, vielleicht mit einem Coupon und 10% Rabatt für den nächsten Einkauf? Dazu braucht der Händler die Daten des Kunden. Je größer und je breiter der Datenschatz angelegt ist, desto aussagekräftiger ist er.

Aus einer Innenstadt können vielfältige Daten gewonnen werden, die dann auch durch die Breite des Angebots erst ein aussagekräftiges Gesamtbild ergeben. Dazu braucht es aber die Einkaufskarte. Die Kunden stehen diesen Karten offen gegenüber, wenn ein gewisser Mehrwert damit verbunden ist. Punkte sammeln heist der neue Volkssport. Payback, Deutschland Card und andere machen es vor. Das ist so etwas wie das kleine Sparkonto, von dem niemand was weiß. Sie lernen dafür Ihre Kunden viel besser kennen. Sie wissen, wann wer Geburtstag hat, wie viel Ihre besten Kunden bei Ihnen ausgegeben haben und Sie wissen auch genau was dieser Kunde bei Ihnen gekauft hat. Sie kennen sogar die genaue Altersstruktur ihrer Kundschaft. Je genauer die Daten erfasst und ausgewertet werden, desto größer ist die Aussagekraft. Hier ist professionelle Hilfe angesagt.

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