Die IT-Branche nach der Bundestagswahl

10.08.1998

Die neue Bundesregierung wird Veränderungen für Deutschland bringen. Soviel steht fest. Ich bin aber der Meinung, daß man nicht a priori den Stab über eine rot-grüne Bundesregierung brechen sollte. Zwar haben Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen während ihres Wahlkampfes auf die konkrete Darstellung umfassender Konzepte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und klar meßbare Aussagen in bezug auf eine anstehende Steuerreform verzichtet, dennoch muß auf die Vorlage eines konkreten Zahlenwerkes gewartet werden, um einschätzen zu können, ob die neue Regierung diese Probleme realistisch in den Griff bekommen kann.Angesichts der desolaten Personalsituation erscheinen jedoch die Aussagen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die wöchentliche Arbeitszeit reduzieren zu wollen, als überaus kritisch. Insbesondere die Ankündigung von Bündnis 90/Die Grünen die gesetzlich geregelte maximale Wochenarbeitszeit von derzeit 60 Stunden auf 40 Stunden zu reduzieren, läßt nicht erwarten, daß das Jahr-2000-Problem und die Euro-Einführungsprojekte termingerecht abgeschlossen werden können.

Im Sinne der Förderung vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen sollte sich die Branche vor allem gegen die Pläne einer Ausbildungsplatzabgabe stellen. Zur Stimulierung der Ausbildung sollte eher darüber nachgedacht werden, ob Ausbildungsbetriebe nicht steuerliche Erleichterungen erhalten oder ob Förderkonzepte und Vergabepraktiken an Ausbildungsplätze gekoppelt werden können.

Dennoch gibt es einige Indikatoren, die erwarten lassen, daß sich mit der neuen Regierung in der IT-Branche nicht alles verschlechtern muß. Wie erst kürzlich im Rahmen der BVIT-Jahrestagung in Freiburg durch Frau Professor Däubler-Gmelin bestätigt, soll es mit einer SPD-geführten Regierung keine Kryptoregulierung geben. Die Politikerin geht mit dem BVITeV konform, daß eine Kryptoregulierung die Weiterentwicklung des Standortes Deutschland sowie seine Technologieanbieter im globalen Wettbewerb behindern würde.

Wichtig ist ferner die geplante Senkung der Lohnnebenkosten. Eine derartige Maßnahme steigert die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Softwareanbieter und IT-Dienstleister im europäischen Umfeld und fördert Arbeitsplätze. Darüber hinaus sind Aussagen zur Privatisierung von bisher öffentlich erbrachten Leistungen gemacht worden. Von solchen Überlegungen, die der BVITeV seit Jahren fordert, können die Softwareanbieter und IT-Dienstleister aller Größenklassen nur profitieren.

Hätte die deutsche IT-Branche beim zukünftigen Bundeskanzler einen Wunsch frei, so würde sie sich einen für die IT-Branche Verantwortlichen auf Regierungsebene - einen deutschen Al Gore - wünschen. Ob für die deutschen Softwareanbieter und IT-Dienstleister nach dem Regierungswechsel bessere Zeiten anbrechen, bleibt abzuwarten.

Gerhard Jörg ist Präsident des Bundesverbandes Informationstechnologien (BVIT) in Bonn und Vice-President Zentral- und Nordeuropa der Darmstädter Software AG.

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