FWI-CEO Olaf Dierig

"Die IT wird aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen"

Regina Böckle durchforstet den Markt nach Themen, die für Systemhäuser und Service Provider relevant sind - oder es werden könnten - und entwickelt dazu passende Event-Formate.
Social Media und Business Analytics werden das Geschäft von Unternehmen und IT-Dienstleistern grundlegend verändern, Kunden die Geschäftsprozesse direkt beeinflussen. Welche Hürden aber bis zu dieser komplett digitalisierten Welt noch zu überwinden sind, skizziert Olaf Dierig, CEO von FWI Information Technology, im Interview mit ChannelPartner.

Der Markt für die blitzschnelle Analyse großer, unterschiedlich strukturierter Daten, kurz Big Data Analytics, soll in Deutschland im Jahr 2014 um 59 Prozent auf 6,1 Milliarden Euro wachsen, schätzt der Bitkom. Sie verfolgen die Entwicklungen im BI- und CRM-Markt bereits seit rund 20 Jahren. FWI ist als IT-Dienstleister in diesem Markt schon sehr lange aktiv. Wie bewerten Sie die Lage?

Olaf Dierig: Wir beobachten, dass die Nachfrage nach klassischen BI-Lösungen in der Tat enorm steigt, weil unsere Kunden ihre Endkunden viel stärker in den Planungsprozess für neue Produkte und Dienstleistungen mit einbinden wollen. Der Kunde erhält also ein Mitspracherecht darüber, wie ein Unternehmen sein Geschäft entwickelt - das ist wirklich neu. Entscheidend ist dabei aber immer auch, die Bestandskunden zu halten. Wenn es gelingt, die Kunden an den Daten für den Planungsprozess partizipieren zu lassen, sind wir schon einen Schritt weiter. Vom BI-Ansatz ausgehend ist das aber aktuell noch immer ein größerer Projektaufwand. Das ist ein ganz klassisches Thema. Die Hersteller wiederum beschäftigt vor allem die Frage, auf welche Daten der Kunde zugreifen will.

Olaf Dierig, CEO von FWI Information Technology: "Die Integration von Social Media wird das Gros der Unternehmen frühestens in 24 Monaten in Angriff nehmen."
Olaf Dierig, CEO von FWI Information Technology: "Die Integration von Social Media wird das Gros der Unternehmen frühestens in 24 Monaten in Angriff nehmen."
Foto: FWI

Inwiefern spiegelt sich diese Entwicklung bereits in der Praxis wieder: Haben sich die BI-Ansätze Ihrer Kunden in den vergangenen Jahren verändert?

Dierig: Vor rund 20 Jahren basierte die Geschäftsplanung der Unternehmen ausschließlich auf den Erfahrungen der Vergangenheit. Später flossen auch die Prognosen für das laufende Jahr in die Disposition mit ein, basierend auf allgemeinen Marktdaten und anstehenden Ereignissen, beispielsweise Weltmeisterschaften. Heute ist es erforderlich, auch Social-Media-Daten, die Aufschluss geben können über kommende Trends oder Rückmeldungen zu bereits vermarkteten Produkten - mit den Daten aus den PPS- und WWS-Systemen zu integrieren und in die Planung einzubeziehen. Die Einbindung dieser Daten wird künftig für den Erfolg eines Unternehmens entscheidend sein, denn die junge Generation - und somit die künftige Kundenklientel - kommuniziert nicht mehr über die herkömmlichen Wege, beispielsweise per E-Mail, sondern überwiegend über Social-Media-Kanäle.

Glaubt man den Versprechen der Hersteller, gibt es bereits Lösungen, die imstande sind, jegliche Art semi- oder unstrukturierter Daten - beispielsweise aus Social-Media-Kanälen wie Facebook & Co - in Echtzeit auszuwerten und mit strukturierten Daten aus den ERP-Systemen zu verbinden. Wie bewerten Sie die Lage?

Dierig: Es gibt zwar rudimentäre Ansätze in dieser Richtung, aber echte Lösungen kann ich hier noch nicht erkennen.

Inwiefern ist die Analyse großer Mengen unterschiedlich strukturierter Daten Ihrer Erfahrung nach bei mittelständischen Kunden heute schon tatsächlich ein Thema?

Dierig: Unsere Kunden sind an dem Thema interessiert, wir sprechen darüber. Bei den meisten müssen allerdings erst noch die Voraussetzungen geschaffen werden, um solche Projekte umzusetzen. Sie sind aktuell vor allem damit befasst, ihre Kundenbeziehungen mit Hilfe neuer CRM-Projekte zu optimieren, ihre Datenbestände zu normieren. In den zurückliegenden Jahren haben viele erst einmal neue ERP-Systeme eingeführt und gehen im zweiten Schritt das CRM-Thema an. Denn sie haben erkannt, dass sie heute die Anforderungen ihrer Kunden sehr viel schneller in Angebote verwandeln und schneller auf Kundenwünsche reagieren müssen.

Obendrein stehen mittelständische Unternehmen vor dem Problem, dass sich mit zunehmendem Wachstum immer mehr Datenmaterial anhäuft, das - unabhängig von der Struktur der Daten und der Menge - nicht mehr vergleichbar ist. Die zentrale Frage lautet also: Wie schaffen wir es, für diese Daten eine Normität, eine einheitliche Datenstruktur zu schaffen. Das gilt übrigens häufig auch für die Stammdaten. Aktuell stellt das die größte Herausforderung dar. Die zweite zentrale Herausforderung besteht darin, den Kunden - trotz des schnellen Wachstums - dazu zu bringen, sich mit diesem notwendigen Normierungsprozess zu befassen.
Eine weitere zentrale Anforderung besteht darin, Transaktionen, beispielsweise für die Produktionsplanung und -steuerung, über jede Art von mobilem Device rund um die Uhr zu steuern.

Greifen Analysten und Herstellern mit ihren Erwartungen an das Business-Analytics-Potenzial also schon zu weit vor?

Dierig: Die Marketingaussagen stimmen natürlich insofern, als heute sicherlich schon vieles machbar ist und in dem Thema ein enormes Potenzial steckt. Aber zunächst einmal gilt es Antworten zu liefern, wie Unternehmen ihre Zahlen, Daten und Fakten normiert bekommen, um sie anschließend überhaupt auswerten zu können. Diese Arbeit, das Master Data Management, muss vorher geleistet werden. Hinzu kommt die Fülle an Informationen aus dem Internet, die es schnell zu filtern und mit den Firmendaten zu kombinieren gilt.
Auf dieser Basis lassen sich neue Ideen entwickeln, um neue Analyseverfahren zu entwickeln. Wir lösen diesen Aspekt beispielsweise mit unserer Microsoft-basierten Cubeware-Lösung. Für viele dieser Anforderungen stehen schon seit langem Tools zur Verfügung - das gilt allerdings nur bedingt für die Einbindung unstrukturierter Daten.
Die Integration von Social Media in die IT-Systeme wird das Gros der Unternehmen meines Erachtens frühestens in 24 Monaten in Angriff nehmen. Bei Unternehmen, die ihre ERP- und CRM-Infrastruktur bereits modernisiert haben, könnte ich mir aber vorstellen, dass erste Social-Media-Projekte bereits in den nächsten Monaten auf der Agenda stehen.

Wie würden Sie ein Projekt angehen, in dem Social-Media- oder auch Maschinendaten eingebunden werden sollen?

Dierig: Der erste Schritt wäre die Analyse-Phase, in der geklärt wird, woher die benötigten Daten kommen, wohin sie fließen und wo sie eingebunden werden müssen. Auf dieser Basis wird ein Lasten- und Pflichtenheft erstellt und der Kostenrahmen definiert. Jetzt kann sich der Kunde entscheiden, ob der das Projekt umsetzen will oder nicht. Im zweiten Schritt definieren wir mit dem Kunden einen nicht unternehmenskritischen Bereich, in dem das Pilotprojekt für die Verknüpfung der unterschiedlichen Welten und Services ausgerollt werden soll. Die nötigen Entwicklungsarbeiten für die jeweiligen Schnittstellen übernimmt unser eigenes Entwickler-Team. Im dritten Schritt wird der Pilot ausgerollt. Die dort gesammelten Erfahrungen fließen dann in die Folgeprojekte ein.

Inwiefern unterscheiden sich die Anforderungen für Business-Analytics-Projekte vom "klassischen" Systemhausgeschäft? Welche Voraussetzungen muss ein Partner mitbringen, um in diesem Markt erfolgreich zu sein?

Dierig: Der Partner muss vor allem über umfassendes Know-how verfügen: Dazu zählt zum einen ein tiefes Verständnis für die Infrastruktur, die Datenbanken und die Schnittstellen, die der jeweilige Kunde einsetzt. Zum anderen muss der Partner erfassen, wie das Geschäft und die Prozesse des Kunden exakt funktionieren.

FWI-Zentrale am im österreichischen Steyr
FWI-Zentrale am im österreichischen Steyr
Foto: FWI

Wie gehen Sie als erfahrener Microsoft-Partner im Bereich BI und CRM dieses Thema konkret an?

Dierig: Wir haben bei FWI 40 erfahrene Prozessberater, die die Prozesse des Kunden verstehen und vor allem auch seine Branche kennen. Zusätzlich bringen sie auch tief greifendes Verständnis der für ERP, CRM und BI jeweils charakteristischen Prozesse mit.

Kooperieren Sie bei solchen Projekten mit anderen Partnern?

Dierig: Ja. Gerade bei Spezialthemen, beispielsweise der Anbindung des Produktdatenmanagements für EDI, ist der Schulterschluss mit anderen Partnern extrem wichtig. Außerdem eröffnen sich damit für beide Parteien auch immer wieder Chancen für neue Geschäftsfelder.

Sie betreiben in Steyr ein eigenes Rechenzentrum, auf dessen Basis Sie Ihren Kunden auch Lösungen aus der Cloud anbieten. Wie gefragt sind diese Lösungen, insbesondere nach der NSA-Affäre?

Dierig: Es ist ein sehr sensibles Thema, Kunden wollen die Sicherheit ihrer Daten gewährleistet sehen. Das spielt uns in die Karten, denn der Standort des Rechenzentrums spielt für sie eine zentrale Rolle. Problematisch an Microsofts CRM-Lösungen aus der Cloud ist allerdings, dass diese Lösungen nicht individualisierbar sind - beispielsweise im Hinblick auf die Verknüpfung von Social-Media-Daten mit den CRM-Systemen. Mit den Lösungen, die wir in unserem Rechenzentrum betreiben, können wir diese Individualisierung aber leisten und die Anwendung exakt auf den Kundenwunsch anpassen. Für ein Unternehmen setzt Big Data Analytics aus der Cloud erst dann sein Potenzial frei, wenn Offenheit, Transparenz und Schnelligkeit gewährleistet sind.

Blick ins FWI-eigene Rechenzentrum am Standort der Firmenzentrale in Steyr.
Blick ins FWI-eigene Rechenzentrum am Standort der Firmenzentrale in Steyr.
Foto: FWI

Reines Hosting-Geschäft ist also Sie nicht relevant?

Dierig: Ja, denn ein reines Hosting-Geschäft ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht rentabel abbildbar. Welche Rolle die Cloud künftig spielen und welche Bedeutung der Einbindung von Social Media in bestehende IT-Systeme zukommen wird, lässt sich meines Erachtens heute noch nicht eindeutig beantworten. Wichtig ist aber, dass FWI beides bereits heute anbieten kann.

Wie wird sich die Rolle der CIOs verändern?

Dierig: Prozessänderungen in Unternehmen - egal in welcher Branche - werden sich ohne die Unterstützung durch IT, Infrastruktur und Kommunikation nicht mehr umsetzen lassen. Das bedeutet, die IT wird aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und der CIO wird sich konsequenterweise zum Prozess-Owner wandeln. Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten werden CIOs künftig die treibende Kraft für die Optimierung und Ergänzung der Produktions- und Logistik-Prozesse sein, um einerseits Kosten zu senken und andererseits viel schneller Kundenwünsche zu erkennen und zu erfüllen.

Olaf Dierig wechselte im November 2013 von Prodware zu FWI und übernahm dort die Gesamtverantwortung für die FWI Gruppe und den Ausbau des Deutschlandgeschäfts. Dierig gilt als ausgewiesener Kenner der Materie rund um ERP, BI und CRM. Seine Schwerpunkte liegen auf dem Kennzahlenmanagement, insbesondere in Produktionsumgebungen.
Dierigs Laufbahn begann 1988 nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Aufbau von Kennzahlensystemen in mittelständischen Industrieunternehmen. Seit 1999 war er in unterschiedlichen Vertriebs- und Managementfunktionen bei namhaften, internationalen Softwareunternehmen tätig. Darunter als Sales Manager bei Business Objects, als Managing Director bei Hummingbird für Deutschland und Österreich verantwortlich und bei dem von Hasso Plattner Ventures finanzierten Softwareunternehmen Facton für den Auf- und Ausbau des gesamten Vertriebs in Europa zuständig. Zuletzt zeichnete Olaf Dierig als Prokurist und Mitglied der Geschäftsleitung für den Vertrieb und das Marketing der PRODWARE in Deutschland verantwortlich.

Die FWI-Gruppe bietet als Full-Service-Provider Lösungen für die Bereiche ERP, CRM, Business Intelligence, SharePoint und IT-Services inklusive umfassender Projektierungs-Dienstleistungen an. Spezialisiert hat sich das Unternehmen vor allem auf die Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Lebensmittelindustrie und technischer Großhandel.
Zur FWI Information Technology Holding GmbH gehören neben dem in Steyr ansässigen Stammhaus FWI Information Technology Österreich die 2012 gegründete FWI Deutschland GmbH sowie der im April 2013 übernommene CRM-Spezialist Global Concepts GmbH mit Sitz in Neumarkt in der Oberpfalz. Insgesamt beschäftigt die Unternehmensgruppe mehr als 200 Mitarbeiter. Zu den Kunden zählt unter anderem der Waffel-Hersteller Manner.
Basierend auf Microsoft-Technologie AIX entwickelte FWI unter anderem eine Print & Packaging-Lösung speziell für die Verpackungsindustrie sowie eine weitere Branchenlösung für Zerlege-Betriebe. Im österreichischen Steyr betreibt FWI ein eigenes Rechenzentrum, in dem auch Kundenlösungen gehostet werden.

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