Die Jagdsaison ist eröffnet: DV-Händler auf der Pirsch im Telekommunikations-Markt

20.06.1997
MÜNCHEN: Computerfachhändler auf der Suche nach neuen Märkten stoßen früher oder später auf den artverwandten Telekommunikationsbereich. Noch gibt es Schwellenängste, den Schritt in unbekannte Gefilde zu wagen, vor allem, weil in Segmenten wie dem Mobilfunk die Verkäufe in Europa stagnieren. Doch Distributoren und Hersteller kündigen Unterstützung an - schließlich wittern sie wiederum neue Klientel in der TK-Händlerschaft.Was für den Boxenschieber der TV-Bereich, ist für Systemhäuser und technisch versierte EDV-Händler das Telekommunikationsumfeld: eigentlich eine fremde Baustelle, allerdings mit vertrauten Zeichenplänen und artverwandtem Material. Vor allem aber: ein vielversprechender neuer Markt. Und da ja seit Jahren zusammenwächst, was zusammengehört - oder auch nicht - orientieren sich immer mehr klassische DV-Weiterverkäufer in diesen neuen Bereich um.

MÜNCHEN: Computerfachhändler auf der Suche nach neuen Märkten stoßen früher oder später auf den artverwandten Telekommunikationsbereich. Noch gibt es Schwellenängste, den Schritt in unbekannte Gefilde zu wagen, vor allem, weil in Segmenten wie dem Mobilfunk die Verkäufe in Europa stagnieren. Doch Distributoren und Hersteller kündigen Unterstützung an - schließlich wittern sie wiederum neue Klientel in der TK-Händlerschaft.Was für den Boxenschieber der TV-Bereich, ist für Systemhäuser und technisch versierte EDV-Händler das Telekommunikationsumfeld: eigentlich eine fremde Baustelle, allerdings mit vertrauten Zeichenplänen und artverwandtem Material. Vor allem aber: ein vielversprechender neuer Markt. Und da ja seit Jahren zusammenwächst, was zusammengehört - oder auch nicht - orientieren sich immer mehr klassische DV-Weiterverkäufer in diesen neuen Bereich um.

TK-Distributor Phonet in Hilden beispielsweise verzeichnet einen Umsatzanstieg (1996: 72,8 Millionen Mark) von acht auf 20 Prozent allein durch Bestellungen aus dem DV-Bereich. Deshalb beschloß das Unternehmen, neben seinem traditionellen Produktsortiment - wie kleine ISDN-TK-Anlagen, Cordless-Business-Systeme oder Mobiltelefone samt Zubehör - nun auch Toshiba-Notebooks anzubieten. "DV-Unternehmen drängen in den TK-Markt und der klassische TK-Fachhandel orientiert sich immer häufiger in den DV-Sektor", faßt Günter H. Hirschmann, der Vorstandsvorsitzende der Phonet AG, die derzeitige Entwicklung zusammen. "Wir folgen mit der Aufnahme Toshibas der Marktentwicklung mit dem Einstieg in die mobile Kommunikation per Computer und Telefon. Das ist ein erster Schritt."

Noch deutlicher wird die Bedeutung des TK-Bereichs für den EDV-Handel am Beispiel Actebis. Der Soester DV-Distributor bedient bislang vorrangig den Computerfachhandel. In der Produktpalette finden sich zwar schon seit geraumer Zeit durchaus Systeme, die dem Telekommunikations-Bereich zugeordnet werden können, der Vertrieb lief aber zusammen mit den klassischen EDV-Systemen.

Actebis hat eine Telecom-Mannschaft in's Leben gerufen

Jetzt hat das Unternehmen eigens ein Arbeitsteam für den Bereich Telekommunikation abgestellt. Im "Actebis Product Marketing Team Telecom" sind die Mitarbeiter für den Einkauf, Vertrieb und die Vermarktung der TK-Systeme von der Deutschen Telekom AG, AVM, Canon, Dr. Neuhaus, Hewlett-Packard, ITK, Mannesmann Mobilfunk, Nokia, Siemens, Sony und anderen, verantwortlich.

Fünf Vertriebsberater, so kündigt der Distributor an, stünden den Fachhandelspartnern Rede und Antwort bei allen Fragestellungen zu den Telekommunikationsprodukten. Um Schwellenängste zu beseitigen, bietet Actebis zudem Schulungen für EDV-Händler an, die mit TK-Systemen eventuell ein zweites Standbein im Markt haben wollen (siehe auch Stellungnahme Seite 102). Geplant ist der Vertrieb über drei Kanäle, doch dem EDV-Fachhandelskanal soll laut Actebis kein Geschäft vorenthalten werden: "Unsere vorhandenen 8.000 IT-Fachhandelspartner stehen weiterhin im Mittelpunkt", versichert ein Unternehmens-sprecher. "Denn diese Zielgruppe hat besonders gute Wachstumschancen, wenn sie auf Basis des vorhandenen fundierten Know-hows jetzt auch in Richtung Telecom expandiert." Dieser Vertriebskanal soll sich vorrangig um Anwender von komplexeren TK-Lösungen kümmern.

Natürlich hat der Distributor aber auch ein Auge auf die Telekommunikationshändler geworfen, die als neues Kundenpotential ein erkleckliches Sümmchen zu der Wachstumsbilanz beisteurn könnten. Deshalb heißt es auch aus dem Unternehmen: "Die klassischen Telecom-Fachhändler, die bislang ja noch nicht von IT-Distributoren betreut werden, sind für unser Product Marketing Team Telecom sehr interessant." Sie sollen vor allem den reinrassigen Telekommunikations-Anwender betreuen, der noch kein Interesse an PC-Anbindung signalisiert.

EDV-Fachhändler haben im TK-Bereich gute Wachstumschancen

Ebenfalls keine Gefahr für den EDV-Fachhandel droht nach Meinung von Actebis seitens des Retail-Kanals: Der soll alle Standardtelekommunikationsprodukte anbieten, die "ohne große Erklärung oder Beratung aus dem Regal heraus verkauft werden können".

Insgesamt sind sich Distributoren und Hersteller einig: Auch wenn die Mobilfunkanschlüsse beispielsweise nicht mehr so rasant wachsen, wie erhofft (siehe auch Kästen Seite 102), lohnt sich doch der Einstieg in den Telekommunikationsbereich. Vor allem bei den TK-Neben-stellenanlagen laufe das Geschäft "wie geschmiert", versichern die Anbieter. Zudem rückt jetzt in greifbare Nähe, was laut Marktforschern den Umsätzen im TK-Bereich den entscheidenden Kick geben dürfte: Das Telekom-Monopol fällt.

Deutschlands Telekommunikationsmarkt: Ein Eldorado für Vernetzer

In Zahlen ausgedrückt, zeigt sich, warum der Telekommunikationsmarkt in Deutschland vielen EDV-Anbietern - seien es nun Händler oder Distributoren - so reizvoll erscheint. Während der Endgerätemarkt hierzulande eher stagniert, erweist sich unser Markt im Bereich Digitalisierung und Vernetzung als unübertroffen: Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) im Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI) legte auf der diesjährigen CeBIT Zahlen offen, die noch den verzagtesten Händler hinterm Ofen hervorlocken können.

In keinem anderen Land weltweit wächst die Zahl digitaler Hauptanschlüsse beispielsweise ähnlich schnell wie in Deutschland. 1996 wurden mehr als elf Millionen digitale Hauptanschlüsse geschaltet, in diesem Jahr sollen nochmals acht Millionen hinzukommen. Das entspräche einem Wachstum um 69 Prozent in nur zwei Jahren. Bis Ende des Jahres, so die Prognose des VDMA, könnte sich Deutschland mit 58 digitalen Hauptanschlüssen je 100 Einwohner erstmals leicht vor Frankreich und die USA an die Spitzenposition im internationalen Vergleich schieben.

VDMA: Der ISDN-Markt ist noch lange nicht erschöft

Ganz vorne liegt der deutsche Markt laut VDMA auch bei den ISDN-Anschlüssen. Ende 1996 waren hier doppelt so viele ISDN-Anschlüsse geschaltet wie in allen anderen europäischen Ländern zusammen, mehr auch als in den USA. "Trotz des erreichten hohen Niveaus wächst die ISDN-Verfügbarkeit in Deutschland schneller als anderwo auf der Welt", entgegnete ein Verbandssprecher dem Einwand, damit sei der Markt ja weitgehend ausgeschöpft. Mit 1,3 Millionen neuen Anschlüssen lag dem VDMA zufolge Deutschland um ein Mehrfaches über allen anderen Ländern, eine Trendumkehr sei auch für das laufende Jahr nicht zu erwarten.

Wenn endlich für attraktive Inhalte gesorgt wird, könnte sich auch der Bereich der Breitbandkabelanschlüsse als profitables Tummelfeld für netzgewöhnte IT-Vertreiber erweisen. Die Breitbandkabel eignen sich ja nicht nur zum Empfang von TV-Programmen, sondern beispielsweise auch für kommunale Bürgerdienste bis hin zu Interessennetzwerken, wie in den USA. Die Voraussetzungen dafür seien in Deutschland ausgezeichnet, versichert der VDMA. 16,7 Millionen Haushalte verfügten Ende 1996 über einen Kabelanschluß, für weitere 8,2 Millionen könnte der Anschluß jederzeit freigeschaltet werden. "Für zwei Drittel aller deutschen Haushalte liegen hiermit die Voraussetzungen zur Teilnahme an neuen Kabeldiensten vor", rechnet der Verbandssprecher.

Noch deutlicher formuliert ein Marktforscher von EITO (European Information Technology Oberservatory) den Grund für die Attraktivität des Marktes: "In diesem Jahr werden in Deutschland pro Kopf rund 2.250 Mark für Informationstechnik und Telekommunikation ausgeben." Der EITO-Experte erwartet für 1998 ein Wachstum des westeuropäischen Telekommunikations-Marktes um 6,9 Prozent auf ein Volumen von 363 Milliarden Mark.

Ganz besonders erfreulich entwickelt sich seiner Prognose nach die Entwicklung im Schnittbereich von Telekommunikation und Informationsdienst. "Insbesondere die Märkte für Mehrwertdienste wachsen so schnell, daß wir nur mit Mühe nachrechnen können", verkündete EITO-Geschäftsführer Günther Möller vor zwei Monaten in Brüssel. "Überall dort, wo Informationstechnik Eingang in benachbarte Technologien findet, werden die stärksten Zuwächse erzielt. Technologieschnittstellen bilden die Wachstumsmärkte der Zukunft." (du)

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