Interview mit Conrad-CEO Ralf Bühler

„Die Krise schlägt bei Conrad viel weniger durch“



Matthias Hell ist Experte in Sachen E-Commerce und Retail sowie  Buchautor. Er veröffentlicht regelmäßig Beiträge in renommierten Handelsmagazinen und E-Commerce-Blogs. Zuletzt erschien seine Buchveröffentlichung "Local Heroes 2.0 – Neues von den digitalen Vorreitern im Einzelhandel".
Nach der Schließung der B2C-Filialen hat sich Conrad Electronic ganz zum B2B-Anbieter gewandelt. Im Interview erklärt CEO Ralf Bühler, weshalb der Elektronikhändler nun trotzdem wieder stationäre Geschäfte eröffnet – und warum der B2B-Fokus Conrad weniger krisenanfällig macht.
Ralf Bühler ist seit Anfang 2021 CEO von Conrad Electronic
Ralf Bühler ist seit Anfang 2021 CEO von Conrad Electronic
Foto: Conrad Electronic

Conrad Electronic blickt auf ein bewegtes Jahr zurück: Im April kündigte der traditionsreiche Elektronikhändler - das Unternehmen feiert 2023 sein 100-jähriges Jubiläum - an, sich aus dem stationären Endkundengeschäft zurückzuziehen. Die Schließung der B2C-Filialen erfolgte zügig und im Oktober vermeldete Conrad bereits die Eröffnung zweier neuer stationärer Geschäfte, allerdings mit klarem B2B-Fokus. Ende November präsentierte das Unternehmen nun ein neues Brand Design und den neuen Claim "Alle Teile des Erfolgs", mit dem das Selbstverständnis als B2B-Anbieter zum Ausdruck kommen soll. Im Interview blickt Ralf Bühler auf das zurückliegende Jahr zurück und erklärt, mit welcher Strategie Conrad Electronic weiter in die Zukunft steuert.

ChannelPartner: Herr Bühler, steht das neue Design und der neue Claim dafür, dass die Transformation von Conrad zum B2B-Händler nun abgeschlossen ist?

Ralf Bühler: Ende 2022 sind wir jetzt so weit, dass wir sagen können, dass der größte Teil des Weges bei unserer Transformation gegangen ist: Wir erzielen nun 70 bis 75 Prozent unseres Umsatzes mit B2B-Kunden.

Wir blicken in diesem Jahr auf kapital- und zum Teil auch nervenintensive Etappen zurück. Dazu zählt, dass wir unsere B2C-Filialen schließen mussten. Wir haben Ende 2021 festgestellt, dass es keine Möglichkeiten mehr gibt, die B2C-Filialen wirtschaftlich erfolgreich weiterzuführen. Die Corona-Pandemie hatte den Negativtrend der Standorte beschleunigt und wir mussten sehen, dass auch nach der Pandemie die Kunden nicht mehr in ausreichender Zahl in B2C-Formate zurückkehren würden.

ChannelPartner: Die stationären Endkundenfilialen waren zuletzt stark defizitär. Wie hat sich die Schließung wirtschaftlich für Conrad ausgewirkt?

Bühler: Die Filialschließungen haben sich auch auf unsere Bilanz für 2021 ausgewirkt. Wir weisen darin einen Verlust von rund 50 Millionen Euro aus. Das klingt dramatisch, liegt aber an einer Wertbereinigung für das Filialgeschäft in Höhe von rund 75 Millionen Euro. Ohne diesen Sonderposten wären wir in dem Jahr deutlich profitabel gewesen.

Unser Umsatz ist in den letzten fünf Jahren größtenteils gleich geblieben. Unter der Oberfläche haben wir währenddessen im großen Stil umgebaut. Wir haben ursprünglich mehrere 100 Millionen Euro Umsatz in den Stores gemacht. Diesen Umsatzanteil haben wir inzwischen im B2B-Online-Handel dazugewonnen. Und die B2B-Dynamik ist weiterhin sehr gut. Wir verzeichnen in dem Bereich ein Wachstum zwischen acht und zehn Prozent. In dem von uns ausgewiesenen Wachstum sind außerdem die Umsätze unserer Marktplatzpartner nicht mitenthalten. Das ist noch einmal ein dreistelliger Millionenbetrag, der aus den Marktplatzumsätzen resultiert.

Nach der Schließung der B2C-Filialen hat Conrad nun zwei neue B2B-Pilotstores eröffnet
Nach der Schließung der B2C-Filialen hat Conrad nun zwei neue B2B-Pilotstores eröffnet
Foto: Conrad

"Die neuen B2B-Filialen müssen sich wirtschaftlich tragen"

ChannelPartner: Branchenübergreifend klagen Händler über gestiegene Kosten und die mangelnde Kaufbereitschaft der Kunden. Ist Conrad durch die neue Ausrichtung von dieser Entwicklung weniger stark betroffen als Händler mit B2C-Fokus?

Bühler: Aktuell merkt man im B2C-Geschäft eine deutliche Konsumzurückhaltung. Durch unser starkes B2B-Geschäft schlägt diese bei Conrad allerdings viel weniger durch. Zudem gehört es wohl auch zu den branchenspezifischen Eigenheiten, dass Elektronik weniger von der Krise betroffen ist als zum Beispiel Fashion. Das liegt auch an dem Aufwind, den Themen wie Energieeffizienz in der aktuellen Situation erhalten.

ChannelPartner: Die Ankündigung, dass Conrad nach der Schließung der B2C-Filialen nun neue stationäre Geschäfte für B2B-Kunden eröffnet, kam überraschend. Können Sie einfach nicht vom stationären Geschäft loslassen?

Bühler: Trotz der Schließung unserer B2C-Filialen glauben wir daran, dass es bei den B2B-Kunden weiterhin Bedarf nach einem Offline-Format gibt. Das sind dann keine Leuchtturm-Filialen oder Showrooms mehr. Aber auch nicht einfach "Nice-to-have"-Shops. Sondern Filialen, die darauf eingehen, dass im B2B-Segment Convenience sehr relevant ist: Es gibt viel sogenannten ungeplanten Bedarf. Zudem gibt es höherpreisige und technisch anspruchsvollere Investitionsgüter wie z.B. Cobots oder Industriedrohnen. Dann erwarten die Kunden auch Beratung und die Möglichkeit, die Artikel in Augenschein zu nehmen. Diese Aspekte wollen wir mit unseren neuen B2B-Profistoresadressieren. Die Geschäfte haben im Vergleich zu unseren früheren Stores aber eine reduzierte Größe von rund 700 Quadratmetern, bieten ein breites Spektrum, aber keine beliebige Sortimentstiefe.

Klar ist, dass sich diese Filialen wirtschaftlich tragen müssen. Deshalb bezeichnen wir diese auch ausdrücklich als Piloten. Wir stellen die Filialen unseren B2B-Kunden zur Verfügung, hören ihnen gut zu und werden dann sehen, ob sich die Geschäfte als tragfähig erweisen.

ChannelPartner: Der Kern des Geschäfts von Conrad ist heute die B2B-Beschaffungsplattform. Wie wollen Sie dieses Online-Geschäft nun weiter entwickeln?

Bühler: Unser neues Geschäftsfeld B2B-Online-Marktplatz wollen wir weiter ausbauen. Dazu sind wir vor einem Jahr auch in Österreich gestartet, vor zwei Monaten in den Niederlanden und im Dezember 2022 auch in Italien. Wir wollen künftig weitere Länder wie Frankreich und Polen anschließen. Aktuell haben wir bereits 500 Marktplatzpartner und bieten insgesamt mehr als 7Millionen Produktangebote an.

Mit neuem Claim und Markenauftritt will Conrad sein neues Selbstverständnis nach außen tragen
Mit neuem Claim und Markenauftritt will Conrad sein neues Selbstverständnis nach außen tragen
Foto: Conrad

"Unsere Beschaffungsplattform ist wie die Münchner Computermeile Schillerstraße"

ChannelPartner: Immer mehr Händler starten eigene Online-Marktplätze. Inwiefern kann das für Conrad ein Alleinstellungsmerkmal sein?

Bühler: Ja, das Thema Online-Marktplatz ist inzwischen in aller Munde. Aber ich denke, dass wir mit unserem Marktplatz gegenüber dem Wettbewerb sehr gut positioniert sind. Wir sind mit unserem Fokus auf den technischen Bedarf nicht zu breit aufgestellt, aber auch nicht zu spezifisch. Ich vergleiche das immer mit der früheren Münchner Computermeile Schillerstraße. So, wie man dort alles bekommen konnte, von hochspezialisierten Komponenten bis zur Consumer Electronics, so deckt auch unser Online-Marktplatz ein breites Spektrum ab. Und wir bieten für jedes Unternehmen die passende Anbindung, um über elektronische Bestellsysteme bei uns einzukaufen.

ChannelPartner: Mit einem Whitepaper haben Sie kürzlich gezielt potenzielle neue Marktplatzpartner adressiert. Führt die steigende Zahl der Online-Marktplätze dazu, dass die Verkaufspartner zum knappen Gut werden?

Bühler: Als Marktplatzbetreiber stehen wir auch in einem Wettbewerb, um die richtigen Händler auf unsere Plattform zu bekommen. Dabei können wir aber auf unsere Erfahrungen zurückgreifen, die wir in unserer 100-jährigen Geschichte als Händler in der Zusammenarbeit mit Lieferanten gemacht haben. Zudem ist unser Marktplatz ja ein geschlossenes System, bei dem wir darauf achten, dass nur Händler, die unseren Qualitätskriterien entsprechen, auf der Plattform aktiv sind. Unser Ziel ist es nicht, um jeden Preis die Anzahl der angebotenen Artikel zu steigern, sondern unser Alleinstellungsmerkmal ist die Qualität unserer Angebote.

ChannelPartner: Trotz der neuen Schwerpunktsetzung finden sich im Onlineshop von Conrad weiterhin viele Consumer-Produkte. Ist Ihr Abschied vom Consumer-Geschäft doch nicht so endgültig?

Bühler: Anders als stationär wollen wir online das Consumer-Thema auch weiterhin besetzen. Zum Beispielwerden wir alles weiterführen, was den Education-Bedarf an Schulen und Unis betrifft - und dazu zählen auch viele Consumer-Produkte. Aber wir werden sicher nicht mehr TV-Geräte in 50 unterschiedlichen Konfigurationen anbieten. Das ist auch online nicht mehr unser Geschäft. Auch die zur Conrad-Gruppe gehörenden Online-Shops wie Getgoods und Voelkner laufen ebenfalls unverändert weiter. Aber auch dort registrieren wir einen steigenden B2B-Trend im Kundenkreis.

ChannelPartner: Seit kurzem hat Conrad einen neuen Markenauftritt. Welchen Weg in die Zukunft wollen Sie damit zum Ausdruck bringen?

Bühler: Mit unserem neuen Claim und unserem neuen Markendesign wollen wir die Kraft unterstreichen, mit der wir in die Zukunft blicken: Der Claim "Alle Teile des Erfolgs" drückt aus, dass Erfolg auf vielen Faktoren basiert und sich für jeden anders zusammensetzt. Wir bieten dazu die passenden Produkte, die passende Plattform und die passenden Anbindungen. Und damit behaupten wir uns hoffentlich auch die nächsten 100 Jahre erfolgreich auf dem Markt!

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