Die Krise und ihre Auswirkungen auf kleinere Softwarehersteller

08.08.2002
Vor zwei Jahren herrschte in der Softwareindustrie noch eitel Sonnenschein. Jetzt klagen immer mehr Anbieter über Umsatz- und Gewinnrückgang. Und auch Pleiten wie die von Brain und M+S bleiben nicht aus. Befindet sich die Branche in der kollektiven Krise?

Von einer kollektiven Krise zu sprechen hält Ralf Gärtner, Vertriebs- und Marketingvorstand bei Soft-M, für eine Übertreibung: "Man muss da differenzieren. Richtig ist sicherlich, dass wir nicht mehr den Wachstumsmarkt der letzten Jahre haben und die Softwareindustrie sich auch an Konjunkturzyklen gewöhnen muss. Das war nicht immer so." Die Aussage, dass es gerade auch den kleineren Anbietern an den Kragen gehe, hält Gärtner für falsch. "Problematisch wird es für Hersteller, die zum allergrößten Teil auf das Produktgeschäft angewiesen sind. Gut fahren dagegen Hersteller, die wie Microsoft einen hohen Marktanteil im Bestandsbereich oder wie wir im ERP-Umfeld etwa einen großen Kundenstamm haben und darüber sehr viel Serviceumsätze generieren können."

Gut fahren laut Peter Dewald, Geschäftsführer von Sage KHK, auch global agierende Anbieter von Global Players und Herstellern wie Trend Micro und Computer Associates, die im Security-Bereich tätig sind. Dass IT-Security boomt, kann Conrad Wöltge, Bereichsleiter für New Technology Development bei der Leipziger PC-Ware Information Technologies AG, nicht bestätigen: "Jedes Unternehmen ist zurzeit bestrebt, seine Total Cost of Ownership (TCO) zu reduzieren, und da passt Sicherheit den meisten nicht ins Konzept."

Sind die kleinen Anbieter den Großen gegenüber wirklich im Nachteil? "Es ist richtig, dass die Entwicklung moderner Software höhere Anforderungen an die Unternehmen stellt als in den Achtziger- und Neunzigerjahren. Daraus lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass global agierende Unternehmen zwingend im Vorteil sind. Dies zeigt sich zum einen in Nischenmärkten, zum anderen aber auch im Bereich branchenunabhängiger Software wie Finanz- und Lohnbuchhaltung, denn hier sind nationale Gegebenheiten ausschlaggebend", meint Thomas M. Schünemann, Geschäftsführer der HS- Hamburger Software GmbH.

Angesichts gedeckelter IT-Budgets im Konjunkturtief legen viele Unternehmenskunden heute mehr Wert auf den schnellen Return on Investment als auf langfristig angelegte strategische Lösungen. Da-ran müssen sich einige Hersteller erst gewöhnen. "Daran und an die Tatsache, dass auch die Softwarebranche nach den Gesetzen des Marktes tickt", betont Tobit-Produktmarketing-Managerin Kirsten Altevogt auch im Hinblick auf die sich bereits abzeichnende Marktbereinigung. "Ob es eine Krise ist oder nur eine Rückkehr zur Normalität, muss jeder für sich beurteilen. In jedem Fall trennt sich derzeit die Spreu vom Weizen: Die Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell auf einem soliden Fundament haben, kommen weiter; diejenigen, die auf Luftschlösser gesetzt haben, verschwinden. Das ist in jeder Branche ganz selbstverständlich."

Konsolidierung setzt sich fort

Nicht erst seit sich Microsoft für den Einstieg in den CRM- und ERP-Markt Navision und Great Plains einverleibt hat, schreitet der Markt einer ganz klaren Konsolidierung entgegen. HS-Geschäftsführer Schünemann zufolge sind im Bereich kaufmännischer Software in den vergangenen 23 Jahren fast alle Mitbewerber "Übernahmen ausländischer Konzerne zum Opfer gefallen".

"Konsolidierung trifft vor allem kleinere Anbieter ohne ausreichendes eigenes Profil oder eigenes Marktsegment. Die Großen, die nicht flexibel aufgestellt sind, werden hingegen an ihren eigenen Lasten ersticken", urteilt PC-Ware-Manager Wöltge.

Konsolidierung ist aber nicht nur negativ behaftet, wie Sage KHK-Chef Dewald betont: "Wir sagen: Konsolidiere doch deine Beschaffung." Viele Kunden seien über- oder unterlizenziert. "Stark nachgefragt sind Lösungen, bei denen es darum geht, die lizenzrechtlichen Fragen besser in den Griff zu bekommen, beispielsweise: Wie kann ich meinen eigenen Software-Zoo eigentlich noch beherrschen?", pflichtet ihm Wöltge von PC-Ware bei und fügt hinzu: "Definitiv gut läuft aber auch das ganz normale Lizenzgeschäft, wo die Installation bereits vorhanden ist und die strategischen Entscheidungen gefällt sind. Lösungen, die komplett neu aufsetzen, sind dagegen heute weniger gefragt."

www.softm.de

www.sage-khk.de

www.hamburger-software.de

www.pc-ware.de

www.tobit.de

ComputerPartner-Meinung:

Auch die Softwarebranche merkt langsam, dass die Bäume nicht ewig in den Himmel wachsen können. Entsprechend groß ist der Katzenjammer nach den fetten Jahren um die Jahrtausendwende. Ob die Konjunkturflaute allein verantwortlich für die Misere der Branche ist, ist jedoch die große Frage. Denn laut LBBW-Research-Analyst Mirko Maier fehlt den Anbietern derzeit einfach ein gutes Thema. Hinzu kommt, dass bei manchen die Probleme wohl eher hausgemacht sind, während andere Hersteller in dem gleichen Umfeld sehr wohl zu performen wissen. (kh)

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