Die Multimedia-Branche entdeckt den Home-Entertainment-Markt

30.11.2000
Der gemeine PC-Lautsprecher ist oft noch ein klassisches Mitnahmeprodukt. Multimediaintensive Anwendungen wie DVD, MP3 und 3D-Spiele stellen jedoch meist höhere Ansprüche an den Klang. Stark im Kommen ist 3D-Sound.

Was so ein richtiger Hifi-Purist ist, der lasse "eh nur Schallplatte statt CD und eine Anlage für etliche Tausend Mark an seine Ohren", räumt Carsten Bickhoff, Marketing-Manager bei Creative, ein. "Aber mit manchen unserer Lautsprechersysteme können wir uns auch im Home-Entertainment durchaus sehen lassen." Und mit Blick auf ein amerikanisches Unternehmen fügt er hinzu: "Einige Hifi-Anbieter kochen zwar auch nur mit Wasser, verstehen es aber, sich gut zu vermarkten und stets am Point-ofSales zu sein. Das können wir auch." Nicht gerade am Point-of-Sales, aber mit einer deutschlandweiten Pressetour hat Creative kürzlich in einem als Wohnzimmer eingerichteten Lastwagen ordentlich die Werbetrommel für die eigenen Dolby-Digital-Systeme gerührt.

Neuestes Flaggschiff ist die 5.1-Komplettlösung "Playworks DTT 3500" für Playstation 2 und PC. Mit A3-C-Decoder, integriertem 24-Bit-Wandler, größerem Center-Lautsprecher und stärkerem Subwoofer bietet es tatsächlich viel Sound zum Preis von knapp 800 Mark. Speziell für die Playstation 2 hat Creative für rund 500 Mark darüber hinaus eine wie zwei zusammengesteckte Laserkanonen aussehende Virtual-Dolby-Digital-Lautsprecherlösung, ebenfalls mit AC-3-Decoder, in petto. Nachteil von Virtual-Dolby-Digital ist allerdings, dass die zwei "Kanonen" für ein Raumklangerlebnis direkt auf den Kopf des Hörers gerichtet sein müssen.

USB-Lautsprecher konnten sich entgegen einstigen Spekulationen, sie würden die Soundkarte überflüssig machen, nicht durchsetzen. Auch Flatpanels (ultraflache Speaker) klingen meist eher enttäuschend, weshalb die meisten Hersteller gleich ganz darauf verzichten, welche zu produzieren. Einzig Labtec kann mit seinem Flatpanel-System "Edge 418" noch halbwegs überzeugen, was sich laut Computer 2000 auch in steigenden Verkaufszahlen niederschlägt. Nicht totzukriegen sind die hohen Wattangaben der Hersteller in PMPO (siehe Kasten).

Wandern zwischen Welten

Wie Creative liebäugeln auch Labtec, Logitech und Terratec zunehmend mit der Braunen Ware. Entsprechend werden auch Design und Farbe dem Geschmack im Wohnzimmer angepasst. Das neue Digital-Surround-System "Soundman Xtrusio DSR-100" ist zum Beispiel ganz in Schwarz gehalten, folgt aber dem innovativen Boxendesign der Germeringer. "Am Ende fließt doch alles zusammen. Die Multimedia-Hersteller haben dies vielleicht etwas früher erkannt", meint Bickhoff. Während S3 nach der Abspaltung der Grafiksparte in Sonicblue umfirmierte und mit Produkten wie dem MP3-Player Rio zu 100 Prozent in den Unterhaltungselektronik (UE)-Markt geht, gibt es auch andere wie Yamaha und Quadral, die aus der Hifi-Branche kommen und als Zusatzgeschäft auch PC-Lautsprecher anbieten. "Werner Bochem hat es in seiner Rolle als One-Man-Show bei Quadral nicht leicht, aber er macht seine Sache ganz gut", lobt Walter Marx, langjähriger Multimedia-Experte in der Distribution und jetzt Key-Account-Director bei DCI.

Höherwertiges darf auch etwas mehr kosten

Angst, dass ihnen bei den Preisen die Kunden wegbleiben, brauchen die Hersteller von höherwertigen Karten und Lautsprechern nicht zu haben. "Denn es gibt immer mehr Anwender, die gut und gerne 300 Mark allein für die Soundkarte ausgeben. Das zeigen auch die steigenden Absatzzahlen von Terratec, Videologic und Guillemot", weiß Tamara Kainz, Produktgruppenleiterin Multimedia bei Computer 2000, zu berichten. Dennoch hat Creative bei Soundkarten mit einem Marktanteil von 60 Prozent laut ComputerPartner-Recherche noch immer die Nase weit vorn. An zweiter Stelle bei den rund 200.000 Karten, die im August und September in Deutschland insgesamt verkauft wurden, liegt Terratec mit rund 18 Prozent, Tendenz: steigend. Mit der 3D-Karte "DMX Xfire 1024" zum Preis von 130 Mark sieht sich Terratec fürs Weihnachtsgeschäft gut gerüstet. "In den Monaten November und Dezember erwarten wir 100 Prozent mehr Absatz", brüstet sich Terratec-Marketier Christoph Müllers. Überhaupt entwickeln sich Soundkarten im Zuge von MP3, DVD und auf Raumklang ausgelegten Spielen immer mehr zum lukrativen Upgrade-Geschäft. Denn 3D-Sound können die meisten Soundchips auf dem Motherboard noch nicht ausgeben. Abzuwarten gilt, was der von der taiwanischen Elitegroup entwickelte AC-3-Chip und die Weiterentwicklung von Microsofts Direct X in der Version 8 mit 3D-Sound gemäß EAX bringen werden. Für den semiprofessionellen bis professionellen Musiker halten die Hersteller eine breite Palette von Soundkarten bereit, wobei der Preis auch durch das im Lieferumfang befindliche Software-Paket wie etwa Steinbergs Sample-Editor "Wavelab" bestimmt wird. Mit der "EWX 24/96" platziert Terratec in diesem Segment zum Preis von knapp 400 Mark eine Soundkarte mit 24-Bit- und 96-kHz-Technologie, die einen Rauschabstand von weit über 100 dB/A erreicht.

Anders als bei Lowend-Soundkarten, die aufgrund der Onboard-Lösungen immer mehr vom Markt verdrängt werden, verhält es sich bei Lautsprechern. "Gerade im Einstiegssegment sind viele Speaker noch immer klassische Mitnahmeprodukte", stellt Kainz fest. Das erklärt auch, warum in diesem Markt mit Interact und Trust zwei Hersteller an der Spitze stehen, die ihre Stärke vor allem im Retail-Kanal und Internet-Handel sehen. Schaut man sich jedoch den Produktionswert an, verschiebt sich das Verhältnis deutlich zugunsten der Markenanbieter. Denn beim Umsatz ist mit 13,5 Prozent wiederum Creative die Nummer eins. Labtec, bei den Stückzahlen mit einem Anteil von vier Prozent unter "ferner liefen", kommt beim Produktionswert sogar auf einen Marktanteil von fast acht Prozent. Aber auch bei Lautsprechern geht der Trend in Richtung 3D-Sound, der gerne auch etwas mehr kosten darf. "Die Lautsprecher werden immer besser, auch hier geht der Trend zu Qualität. 4.1- und 5.1-Systeme ziehen richtig an", reibt sich Kainz mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft die Hände. In der Adventszeit geht sie für Lautsprecher zum Teil von einer Absatzsteigerung von 50 Prozent und mehr aus. "Viel krasser als im Hifi-Markt haben wir es bei PC-Lautsprechern mit einem großen Berg und einem tiefen Tal zu tun", klagt Quadral-Mann Bochem. Er ist übrigens überzeugt, dass er mit der SM-Serie für unter 100 Mark richtig liegt. UE-Gelüsten von Creative, Logitech und Terratec kann Bochem übrigens nicht folgen: "In der Unterhaltungselektronik geht es doch seit Jahren bergab." (kh)

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