Die neue Insolvenzordnung:Folgen für Firmen und Gläubiger

17.02.2000
Die spektakulären Pleitefälle CHS, Holzmann und Stella haben der neuen Insolvenzordnung Schlagzeilen verschafft. Niko Härting* beschreibt im Folgenden, was sich mit der neuen Insolvenzordnung in Deutschland ändert.

Obwohl die Insolvenzordnung bereits seit Anfang 1999 in Kraft ist, waren die einschneidenden Änderungen des Insolvenzrechts bis vor kurzem nur Insidern bekannt. Bis Ende 1998 war Deutschland insolvenz-rechtlich noch ein geteiltes Land.

Im Westen der Republik galt die alte Konkursordnung vom 10. Februar 1877. In den neuen Bundesländern fand dagegen die Gesamt- vollstreckungsordnung Anwendung, die noch auf altem DDR-Recht beruhte. In Berlin führte dies zu der besonders kuriosen Situation, dass Pleiten nach verschiedenem Recht abgewickelt wurden, je nachdem in welchem Teil der Stadt der Betrieb ansässig war.

Konkursordung war veraltet

Seit dem Jahre 1877 haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse grundlegend geändert. Schon lange waren daher die Regelungen der Konkursordnung viel zu veraltet, um im Pleitefall die Gläubigerinteressen zu sichern, Arbeitsplätze zu retten und eine Sanierung maroder Betriebe zu ermöglichen. Es hat viele zaghafte Versuche gegeben, die Konkursordnung zu reformieren. Nichtsdestotrotz war es nach der alten Konkursordnung zumeist völlig aussichtslos, den betroffenen Betrieb zu sanieren. In den allermeisten Fällen gingen zudem die Konkursgläubiger nach einem langwierigen Konkursverfahren leer aus.

Einer der größten Missstände der alten Konkursordnung war es, dass es in drei Viertel aller Fälle nach dem Konkursantrag gar nicht erst zu einem Konkursverfahren kam. Da keinerlei Betriebsvermögen mehr vorhanden war, mussten die allermeisten Konkursanträge mangels Masse abgewiesen werden. Damit Insolvenzanträge nicht erst gestellt werden können, wenn sämtliches Vermögen des Unternehmens aufgebraucht ist, sieht die neue Insolvenzordnung die Möglichkeit vor, dass das Unternehmen bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen kann. Nach altem Konkursrecht konnte demgegenüber ein Verfahrensantrag erst gestellt werden, wenn das Unternehmen bereits zahlungsunfähig oder überschuldet war.

Neu: Firmen können noch saniert werden

Der neue Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit eröffnet die Möglichkeit, ein Unternehmen im Insolvenzverfahren zu sanieren. Zu diesem Zwecke bestellt das Insolvenzgericht zunächst einmal einen vorläufigen Insolvenzverwalter, der die Möglichkeit hat, den Betrieb fortzuführen und gemeinsam mit der Unternehmensführung Sanierungspläne zu entwickeln und in die Tat umzusetzen. Der Gesetzgeber hat für die frühzeitige Stellung eines Insolvenzantrages eine Reihe von Anreizen geschaffen. So ist das Unternehmen nach dem Insolvenzantrag gegen Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger geschützt. Die Personalkosten des insolventen Unternehmens werden zudem für eine Zeit von maximal drei Monaten vom Arbeitsamt übernommen. Das sogenannte Insolvenzgeld des Arbeitsamtes tritt an die Stelle des früheren Konkurs-Ausfallgeldes.

Gelingt es dem vorläufigen Insolvenzverwalter, mit den Gläubigern des Unternehmens Vereinbarungen zu treffen, die eine Rettung des Unternehmens ermöglichen, so kann der Insolvenzantrag zurückgenommen und das Verfahren beendet werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es - wie im Falle Holzmann - gelingt, die Gläubigerbanken zu Nachschüssen zu bewegen. Hierzu wird es nicht in jedem Fall der Unterstützung des Bundeskanzlers bedürfen.

Nach Stellung des Insolvenzantrages wird auch nach neuem Recht geprüft, ob noch genügend liquide Mittel vorhanden sind, um die Kos- ten des Insolvenzverfahrens zu decken. Wenn die Kasse bereits vollständig geleert ist und von keiner Seite ein Vorschuss für die Verfahrenskosten geleistet wird, wird auch nach neuem Recht der Insolvenzantrag mangels Masse abgelehnt.

Aufgaben desInsolvenzverwalters

Gelingt es nicht, bereits im Eröffnungsverfahren eine Unternehmenssanierung zu erreichen, so kommt es zum eigentlichen Insolvenzverfahren. Das Insolvenzgericht bestellt einen Insolvenzverwalter. Die Aufgabe des Insolvenzverwalters ist es, das Vermögen des Unternehmens zu verwalten, zu sichern und nötigenfalls zu verwerten. Darüber hinaus führt der Insolvenzverwalter die Insolvenztabelle, die an die Stelle der früheren Konkurstabelle tritt. Alle Gläubiger des Unternehmens müssen innerhalb einer gerichtlich festgesetzten Frist ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anmelden.

Anders als nach dem alten Konkursrecht werden alle Insolvenzgläubiger gleich behandelt. Das frühere Zweiklassenrecht, das insbesondere eine Bevorzugung des Finanzamtes sowie der Sozialversicherungen vorsah, ist abgeschafft.

Neu ist die Möglichkeit des Insolvenzverwalters, mit den am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubigern einen Insolvenzplan aus- zuhandeln. In einem Insolvenzplan können die Verfahrensbeteiligten vereinbaren, dass die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, um eine teilweise oder vollständige Fortführung des Unternehmens zu ermöglichen. Der Insolvenzplan tritt an die Stelle der schwerfälligen Regelungen der früheren Vergleichsordnung und wird sich in der Praxis noch bewähren müssen.

Gläubigerrechte sind jetzt gestärkt

Auch wenn die Gläubigerrechte durch die neue Insolvenzordnung erheblich gestärkt und die Möglichkeiten zur Unternehmenssanierung verbessert worden sind, ist nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung zu beobachten, dass eine Vielzahl von Verfahren mangels Masse gar nicht erst eröffnet wird. Wer daher offene Rechnungen gegen einen bankrotten Schuldner hat, wird sich auch in Zukunft nicht allzu viel Hoffnung auf eine Zahlung im Insolvenzverfahren machen können. Unternehmen, die selbst in eine solche Krisensituation geraten, sollten von der Möglichkeit eines frühzeitigen Insolvenzantrages Gebrauch machen. Die Fälle Holzmann und Stella zeigen, dass ein Insolvenzantrag noch lange nicht das Aus für das Unternehmen bedeutet. Ein Insolvenzantrag kann vielmehr einem Unternehmen in einer schwierigen Situation die Möglichkeit eines geordneten Neuanfangs eröffnen.

*Rechtsanwalt Niko Härting leitet die Kanzlei Härting in Berlin und ist auf die Themen Multimedia und Immobilien spezialisiert.

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