Die neue Tech Data: eine Vision und ihre Probleme

03.07.2003

Visionen sind etwas Schönes: Sie verkörpern unser Idealbild von einer Sache, die in der Gegenwart eben nicht ideal oder sogar schlecht ist. So viel zum philosophischen Aspekt; jetzt zum praktischen Beispiel. Andreas Dürst, seit 1. März neuer Zentraleuropachef bei Tech Data und eigentlicher Entscheider in der Deutschland-Organisation, hat eine Vision: Er hat gedanklich oder vielleicht sogar auf dem Papier "die neue Tech Data" entworfen. Das unvermeidliche Übel eines Idealbilds ist aber, dass es erst mal Opfer kostet. Man kennt das ja: Keiner kann ein Omelett backen, ohne vorher ein paar Eier zu zerschlagen. Opfer von Dürsts neuer Tech Data waren in der vergangenen Woche Deutschland-Geschäftsführer Martin Furuseth und Vertriebschef Mario Stollmeier (lesen Sie dazu unseren Artikel auf Seite 30 der vorliegenden Ausgabe).

Die neue Tech Data symbolisiert für Dürst einen Neuanfang, der das Unternehmen langfristig an die Spitze der deutschen Disti-Szene zurückbringen soll. "Eine schlanke, agile, hemdsärmlige Organisation, die gut läuft", stellt sich der Manager für die Zukunft vor. Heißt das für die Mitarbeiter: Schluss mit den Armani-Klamotten, rein in die Marc-O'Polo-Hemden? Wahrscheinlich nicht. Was ihm vorschwebt, ist eine Organisation wie die frühere Compaq oder Fujitsu - vor den Fusionen mit so bürokratischen, steifen Unternehmen wie HP oder Siemens. Also, eigentlich eine geklaute Vision. Macht aber nichts, denn Compaq und Fujitsu waren mal erfolgreiche Player im deutschen Markt - in der guten alten Zeit.

Und diesen angepeilten internen Kulturwechsel - von den gut gekleideten Yuppies hin zu einer legeren Truppe mit Sport- und möglichst viel Kampfgeist - soll Marcus Adä, bisher Geschäftsführer der Value-Added-Tochter TD Midrange, durchsetzen. Branchenkenner trauen ihm den Job durchaus zu. "Er hat Ideen, er hat seine Hausaufgaben gemacht - und er wird mit seinem Chef Dürst klarkommen, weil beide für die gleiche Denke stehen", war so oder so ähnlich formuliert aus unternehmensnahen Kreisen zu hören. Dennoch nimmt Adä - das zeigen die vergangenen zwei Jahre Tech-Data-Historie - auf einem Schleudersessel Platz. Ideen braucht er dringend, wenn er sie hat: gut. Aber er muss in seiner neuen Position auch den Freiraum haben, sie umzusetzen. Und daran sind bei Tech Data schon einige Führungspersönlichkeiten vor ihm gescheitert. Als Bremser fungierte dabei nicht unbedingt der jeweilige Zentraleuropa-Manager, sondern - wie man hört - Europachef Graeme Watt.

Die andere Baustelle, die auf Adä zukommt, ist das mittlerweile stark ausgedünnte mittlere Management. Die Liste der Geschassten wird immer länger: zum Beispiel Roland Wabersich, Ex-Bereichsleiter Value-Added-Services, Michael Schüller, Ex-Produktmarketing-Direktor, oder jetzt Ex-Vertriebschef Stollmeier. Ohne einen stabilen Unterbau, den Adä schnellstmöglich selbst wieder aufbauen muss, ist er als Geschäftsführer schnell aufgeschmissen.

Interessant wird auch zu beobachten sein, wie Adä in seiner neuen Position künftig mit TD Midrange umgeht. Er täte gut daran, seine bisherige Meinung weiter zu vertreten und durchzusetzen: Midrange und Broad-line-Organisation bleiben getrennt. Die Value-Added-Tochter hat sich eine gute Position im Markt erobert und verdient Geld. Rückt Midrange noch näher an das Mutterunternehmen, könnte es damit schnell vorbei sein.

Zum letzten, aber damit nicht unwichtigsten Punkt: Ist Adä der Armani-Typ oder trägt er lieber Marc O'Polo? Ganz ehrlich: Wir wissen es auch nicht. Aber Vertreter der ComputerPartner-Redaktion haben ihn bei einem Freitagnachmittags-Termin in seinem Midrange-Büro schon mal hemdsärmlig gesehen - das Jackett musste draußen bleiben.

Zur Startseite