Die neue Währung rückt in greifbare Nähe

12.03.1998

MÜNCHEN: Der Countdown läuft: Am 1.1.1999 tritt die dritte und letzte Stufe der Währungsreform in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt wird der Euro zur einheitlichen Währung in elf europäischen Staaten. Welche Auswirkungen das auf das Arbeitsrecht hat, stellt im folgenden Bernd Günter* dar.Auf Zahlungen mit Bargeld hat die Euro-Umstellung zunächst keine Auswirkungen. In der Übergangszeit vom 1.1.1999 bis zum 31.12.2001 kann bar nur in Mark bezahlt werden. Ab dem Jahr 2002 werden in der gesamten Währungsunion Euro-Banknoten und Münzen Zahlungsmittel sein. Die jeweils nationale Währung wird dann von den Teilnahmestaaten bis spätestens 30.6.2002 aus dem Verkehr gezogen.

Innerhalb dieses Zeitraums können die nationalen Banknoten und Münzen noch Zahlungsmittel bleiben, müssen es aber nicht. Darüber wird in Deutschland noch zu entscheiden sein. Trotz Euro-Einführung wird sich somit im nationalen Barzahlungsverkehr, abgesehen von der Bedeutung des Euro als Rechnungsfaktor, für die nächsten drei Jahre noch nichts ändern.

Änderungen im buchungsmässigen Zahlungsverhekr ab 1999

Zahlungen, die nicht in bar erfolgen, können ab nächstem Jahr nach Wahl des Schuldners in Euro oder in Mark erfolgen. Das wird voraussichtlich ein lebendiges Nebeneinander beider Währungen zur Folge haben. Es ist davon auszugehen, daß beispielsweise national ausgerichtete Unternehmen der privaten Wirtschaft in der Regel eine möglichst sofortige Umstellung auf den Euro anstreben. Die öffentliche Verwaltung und Gerichte werden dagegen noch in der gesamten Übergangsphase weitgehend bei der alten Währung bleiben und die an sie zu zahlenden Beträge weiterhin zumindest auch in Mark angeben.

Ungeachtet dessen muß die öffentliche Verwaltung, da das Wahlrecht beim Schuldner liegt, Zahlungen auch in Euro akzeptieren. Ab Januar 2001, dem Zeitpunkt der Einführung von Euro-Banknoten und -Münzen, ist für den bargeldlosen Zahlungsverkehr dann zwingend die Abwicklung in Euro vorgesehen.

Während der dreijährigen Übergangszeit bis zum 31.12.2001 besteht der Grundsatz der Wahlfreiheit zwischen Mark und Euro. Sogenannte Rechtsinstrumente, etwa Rechtsvorschriften und insbesondere Verträge, können wahlweise auf Euro oder auf Mark lauten.

Für bereits bestehende Verträge gilt der Grundsatz der Vertragskontinuität, das heißt, vereinbarte Beträge in Mark gelten fort, gegebenenfalls unter entsprechender Umrechung in Euro. Damit ist grundsätzlich ausgeschlossen, daß sich eine Vertragspartei aufgrund der Euro-Einführung auf die Unwirksamkeit eines Vertrags beziehungsweise Vertragsteils beruft oder inhaltliche Vertragsänderungen fordern kann.

Bargeldlose Zahlungen im Arbeitsverhältnis

Übertragen auf die verschiedenen Zahlungen, die im Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Dritten meist bargeldlos anfallen, bedeutet dies folgendes:

Die Arbeitsvergütung ist während der Übergangszeit grundsätzlich in der vertraglich vereinbarten Währungseinheit zu zahlen. Allerdings kann der Arbeitgeber ab 1.1.199 wahlweise auch in Euro zahlen. Die richtige Umrechnung und gegebenenfalls deren nachvollziehbare Erläuterung gegenüber dem Beschäftigten ist Sache des Arbeitgebers. Darüber hinaus dürfte es für die Arbeitsvertragsparteien keine Probleme geben.

Allerdings kann es in Betrieben mit Betriebsräten zu Diskussionen kommen. Und zwar, wenn es um die Frage geht, ob die Umstellung des Arbeitgebers auf Überweisungen in Euro der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, wie dies an sich für die Entscheidung des Arbeitgebers über Zeit, Ort und auch Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts gesetzlich vorgegeben ist. Die arbeitsrechtliche Fachwelt ist sich jedoch weitgehend einig, daß für die Euro-Umstellung in der Übergangszeit, erst recht nach deren Ablauf, kein Mitbestimmungsrecht für den Betriebsrat besteht.

Auch in puncto Kontoführungsgebühren, die den Beschäftigten im Einzelfall aufgrund getroffener Vereinbarungen vom Arbeitgeber zu erstatten sind, bleiben Fragen offen. Bisher wird davon ausgegangen, daß der erhöhte Arbeitsaufwand der Banken, der aus der Euro-Einführung und möglicher Umrechungen resultiert, den Bankkunden nicht gesondert in Rechnung gestellt werden kann.

Gehalt ab 2002 nur noch in Euro

Unschädlich ist es, wenn beipspielsweise im Arbeitsvertrag Beträge noch in Mark angegeben sind, eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag hingegen bereits Euro-Beträge vorsieht. Zahlt der Arbeitgeber die so zusammengesetzte Vergütung in einer Währung, hat er dem Arbeitnehmer jeweils die Berechnung und Zusammensetzung zu erläutern.

Am 1.1.2002 muß der Arbeitgeber die Vergütung ohnehin in Euro überweisen. Beschäftigte, die während der Übergangsphase auf ausstehende Arbeitsvergütung klagen, können wählen, auf welcher Währung die Klage basieren soll. Und zwar unaghängig davon, ob der Vergütungsanspruch aufgrund des Vertrags oder eines vom Arbeitgeber zuvor ausgeübten Wahlrechts bislang in Mark oder Euro ausbezahlt wurde.

Wie die Behörden generell werden auch Finanzverwaltungen und Sozialversicherungsträger voraussichtlich nicht vor dem 1.1.2001 vollständig auf den Euro umgestellt haben. Dazu besteht auch keinerlei Verpflichtung. Für Arbeitgeber bedeutet dies, daß bis zum 31.12.2001 die meisten Meldungen und Bescheinigungen, wie Lohnsteuererklärung oder Meldungen zur Sozialversicherung, auf Mark-Basis einzureichen sind. Das gilt selbst dann, wenn die Vergütung an den Arbeitnehmer bereits in Euro überwiesen wird. Unabhängig davon können die damit zusammenhängenden bargeldlosen Zahlungen an die Behörden aufgrund der Wahlfreiheit des Schuldners bereits ab 1.1.1999 in Euro erfolgen.

Auch Arbeitnehmer werden bis Ende 2001 beispielsweise die Einkommenssteuererklärung oder andere behördliche Verfahren, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, noch in Mark zu führen haben. Das gilt auch dann, wenn die Vergütung längst in Euro erfolgt.

In diesem Fall heißt es für Arbeitnehmer, bei der Ausfüllung der Steuerformulare bereits mit dem geltenden Umrechnungskurs zu rechnen. Fraglich und noch zu klären ist daher, ob der Arbeitgeber in der Übergangsphase verpflichet ist, in Gehaltsabrechnungen zusätzlich die entsprechenden Mark-Beträge auszuweisen.

Der bis auf fünf Stellen hinter dem Komma festzulegende Umrechungskurs hat im übrigen zur Folge, daß es bei zahllosen sozialrechtlichen und steuerrechtlichen Grenzwerten zu völlig krummen Euro-Beträgen kommen wird. Das gilt bei Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung genauso wie für die derzeit bei 620 Mark liegende sogenannte Geringverdienergrenze für (noch) sozialversicherungsfreie Beschäftigung. In der alten Währung basierten diese Sätze bislang auf geraden Mark-Angaben. Hier müßte der Gesetzgeber, sofern er eine Rundung auf praktikablere Werte ermöglichen will, zahlreiche Gesetze und Verordnungen ändern.

Arbeits- und sozialrechtliche Entwicklung

Wirtschaftsexperten weisen darauf hin, daß sich nach der Euro-Einführung Einwirkungen von außen, etwa Rohstoffverteuerungen oder Produktionsrückstände, nicht mehr durch Abwertung ausgleichen lassen. Es wird davon ausgegangen, daß sich der Wettbewerb zwischen Arbeits- und Dienstleistungen verschärfen wird. Auch dem Faktor Lohn sowie den Lohnnebenkosten wird in Zukunft eine höhere Bedeutung beigemessen.

Dadurch wiederum soll in Ländern mit hohem Lohnniveau nicht nur der Druck auf Unternehmen und Gewerkschaften verstärkt werden und in der Folge in eine flexiblerere Lohngestaltung münden. Auch der Druck auf die immer schwieriger zu finanzierenden Sozialsysteme würde zunehmen.

Allgemein gehen Wirtschaftsexperten davon aus, daß allein die Einführung des Euro ohne greifbare Reformen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht sowie einer grundlegenden Änderung der Tarifpolitik kaum zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen dürfte. Nicht auszuschließen ist jedoch, daß die Euro-Einführung in Unternehmen als Rechtfertigung für den Arbeitsplatzabbau herhalten muß. Vereinzelt wurden Stellenstreichungen bereits mit diesem Argument begründet. Abzuwarten bleibt, wie die Arbeitsgerichte hier von Fall zu Fall entscheiden werden.

*Bernd Günter ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Anwaltskanzlei Nath & Kollegen in München.

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