Die Pläne des neuen Dell-Chefs

05.08.2004
Michael Dell hat den Chefposten des weltweit größten PC-Herstellers an Kevin Rollins abgegeben. Im Interview mit IDG News Service*, dem zentralen News-Service des IDG-Verlages, erläutert Rollins, was sich unter seiner Herrschaft ändert - und was bleibt wie bisher.

Was wird sich ändern bei Dell, jetzt, da Sie der neue CEO sind? Worin sehen Sie den größten Unterschied zu Ihrem Vorgänger Michael Dell?

Kevin Rollins: Nun, ich bekomme eine neue Visitenkarte und Michael auch. Nein, ernsthaft, eigentlich nicht sehr viel. Wir leiten das Unternehmen gemeinsam, und das nun schon seit vielen Jahren. Es handelt sich eher um einen Austausch von Namen als um eine Veränderung der Unternehmensstrategie.

Wie steht es dann mit Ihnen persönlich? Sie übernehmen eine neue Position. Es werden neue Dinge auf Sie zukommen, die Sie vorher nicht zu tun hatten.

Kevin Rollins: Nein, eigentlich nicht. Denn Michael und ich leiten das Unternehmen schon lange als Co-CEOs. Das mögen manche Leute kaum glauben, aber genau so ist es. Wir arbeiten zusammen. Unsere Büros sind ein einziger großer Raum, wir reden jeden Tag 15 Mal miteinander, wir stimmen uns sehr stark aufeinander ab, wir diskutieren Themen, wir marschieren gemeinsam. Das ist sicher ein einzigartiges Management-Modell. Kaum ein Unternehmen hat etwas Vergleichbares.

Stammt die Idee, Dell mit einem Co-CEO-Modell zu leiten, aus Ihrer Zeit als Unternehmensberater? Was überzeugte Sie beide davon, dass das auch hier funktionieren würde?

Kevin Rollins: Nun, wenn Sie sich die Unternehmensgeschichte ansehen, dann hatte Michael eigentlich immer jemanden an seiner Seite, den er als Partner oder Mentor betrachtete und mit dem er zusammengearbeitet hat. Aber wir haben das nie formalisiert. In den vergangenen Jahren haben wir diese Art der Zusammenarbeit nur auf einer neuen Ebene angesiedelt, wo wir über alles reden. Es gab da nie diese Abgrenzungen wie, wer ist hier der Chef, wofür bin ich zuständig und wofür du. Wir verschwenden kaum Zeit an solche Gedanken.

Hat sich diese Management-Philosophie des "Zwei in einer Box" organisch entwickelt?

Kevin Rollins: Das fing an, als Mort Topfer 1994 zu Dell kam. Mort, Michael und ich haben als Triumvirat zusammengearbeitet. [Morton Topfer hat sich 2002 aus der Unternehmensleitung zurückgezogen und sitzt heute im Vorstand von Dell; die wichtigste Produktionsstätte in Austin trägt seinen Namen.] Und in der Zeit haben wir festgestellt, wie viele enorm umfassende Aufgaben es gab. Dell wuchs mit unglaublicher Geschwindigkeit, und wir hatten das Gefühl, unsere Leute zu verbrennen. Also haben wir gesagt, was gut ist für uns drei oder für uns zwei, warum sollte das nicht auch in anderen Bereichen des Unternehmens gut sein, wo es jede Menge zu tun gibt? Und so haben wir seitdem "Zwei in einer Box", die Dell Amerika leiten, "Zwei in einer Box", die unsere Produktgruppe leiten, und "Zwei in einer Box", die unsere globalen Ankaufsaktivitäten leiten. Wir haben es sozusagen exportiert. Allerdings glauben wir nicht, dass das Modell unbedingt an jeder Stelle eingesetzt werden sollte. Es gibt Positionen mit umfassenden Aufgaben, mit vielen Reisen, mit großer Verantwortung, die nur einer allein übernehmen kann. Sonst müsste so viel delegiert werden, dass derjenige die Kontrolle verliert.

Auf Grund der Finanzskandale in den vergangenen Jahren haben viele Leute gefordert, den Posten des CEO und den des Vorstandsvorsitzenden nicht mehr mit nur einer Person zu besetzen. Welchen Einfluss hatte das auf die Entscheidung bei Dell, diese beiden Posten zu trennen?

Kevin Rollins: Gar keinen. Wir haben das diskutiert zu jener Zeit, als Michael Eisner [CEO von Walt Disney] sich mit schwierigen Problemen konfrontiert sah. Und alle glaubten: Na ja, das haben sie sicher wegen dieser Disney-Sache getan. Das hatte damit allerdings nicht das Geringste zu tun. Ich habe das nicht forciert. Mich hat nicht gestört, dass wir keine Trennung dieser beiden Posten hatten. Michael hat es einfach getan. Er sagte: "Ich möchte das tun als Anerkennung für all das, was Du geleistet hast." Ich sagte ihm, dass das nicht nötig sei, und er meinte, er möchte es aber. Nun, und so hat er es getan. Sehen Sie sich Unternehmen wie Worldcom [heute MCI] und Enron an, die hatten bereits eine Trennung von Vorstandsvorsitzendem und CEO. Das scheint also nicht der entscheidende Punkt zu sein. Doch wenn jetzt alle glauben, das führe zu mehr Objektivität, dann sei es so.

Was unterscheidet Ihren Management-Stil von Michael Dells? Es klingt fast so, als würden Sie sagen: "Eigentlich sind wir ein und dieselbe Person."

Kevin Rollins: Nun, in gewisser Weise sind wir das auch. Ich meine, wir sind natürlich zwei unterschiedliche Menschen. Aber als ich 1993 hierher kam, war ich 40 und Michael 29. Er war jung, und ich hatte noch nie ein Unternehmen geleitet. Und so sind wir in den folgenden elf Jahren sozusagen miteinander gewachsen. Wir haben uns gemeinsam erarbeitet, wie wir uns die Leitung eines Unternehmens vorstellen, was wir über das Geschäftsleben denken und welches unsere Philosophien sind. In diesen elf Jahren intensiver Zusammenarbeit sind wir mittlerweile an dem Punkt angekommen, wo wir recht genau wissen, was der jeweils andere denkt und fühlt über bestimmte Dinge.

Welche Produktbereiche werden Ihrer Ansicht nach in den nächsten Jahren besonders interessant sein?

Kevin Rollins: Nun, es gibt eine ganze Reihe neuer interessanter Technologien, das ist das eine. Und dann sind da jene Technologie- und Produktbereiche, auf die wir uns konzentrieren, weil sie für uns einzigartig sind. Wir konzentrieren uns auch stark auf führende, noch in der Entwicklung stehende Technologien, verlieren aber nie den Profit unserer Aktionäre aus den Augen. Es gibt da draußen sehr viele Unternehmen, die neue Technologien entwickeln, mit denen niemals Geld zu verdienen sein wird. Und dafür werden sie abgestraft werden.

Irgendwelche Beispiele?

Kevin Rollins: Sun Microsystems. Dort haben sie Technologien auf den reinen Verdacht hin entwickelt und konnten dann kein Geld damit verdienen. Apple hat bis vor kurzem auch kein Geld verdient, und noch jetzt sind sie ziemlich klein. Ich muss hier nicht alle aufzählen. Auch IBM verdient mit seinem PC-Geschäft kein Geld. Hewlett-Packard hat harte Zeiten durchgemacht. Da draußen gibt es jede Menge Leute, die Sachen entwickeln, aus denen sie niemals Profit schlagen werden. Oder Unternehmen, die sich selbst als die großen Research-Entwickler-Häuser anpreisen. Das ist doch ein Witz. Was entwickeln die denn?

Was halten Sie von Linux auf dem Desktop? Ist das momentan im Grunde ein totes Geschäft?

Kevin Rollins: Momentan schon. Es könnte besser sein, aber zurzeit können Sie ja nicht einmal Applikationen dafür bauen. Der Einsatz von Microsoft-Software ist einfach zu allgegenwärtig. Gehen Sie in ein Unternehmen hinein und schauen Sie sich um. Wie soll da Linux aufgesetzt werden? Wo und wie? Wir hätten kein Problem damit, wenn es ein rentables Produkt wäre. Wenn die Systeme kompatibel wären, dann ginge es vielleicht. Aber momentan nicht. Also steigen wir da nicht ein.

Wie beurteilen Sie AMDs Opteron-Prozessor?

Kevin Rollins: Wir haben ihn uns angesehen, uns gefällt AMDs Technologie, und wir halten sie für gut. Sobald wir glauben, dass da Geschäftsvolumen und Profit drinsteckt, werden wir ziemlich schnell einsteigen. Wir beobachten AMDs Produkte ständig und werden sie weiterhin testen und damit arbeiten. Aber wir wollen unsere Beziehung zu Intel nicht belasten. Das ist eine gute Beziehung, und wir verdienen eine Menge Geld. Sie könnten jetzt sagen, was hätte ich schon zu verlieren und dass ich doch etwas viel Besseres bekäme als den Status quo. Das ist aber bislang noch nicht der Fall. Es gibt sehr viel Geschrei um die 64-Bit-Technology, aber bis jetzt habe ich noch keinen Kunden sagen hören:"Wenn ihr das nicht habt, wechsle ich weg von Intel." Dennoch sind wir natürlich keine Außenabteilung von Intel. Also sehen wir uns diese Produkte an und sobald die Kunden sie wünschen, der Markt dafür wächst und sich klar abzeichnet, dass die Technologie stabil läuft, dass da also ein Geschäftsvolumen drinsteckt - tja, dann wechseln wir oder fügen sie unserer Produktpalette hinzu.

Steckbrief

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Micheal Dell zum Wechsel an der Spitze

Michael Dell, auf den Wechsel in der Leitung seines Unternehmens angesprochen, gab gegenüber IDG News Service folgende Stellungnahme ab:

Was wird die größte Veränderung bei Dell sein, jetzt, da Kevin Rollins Ihren alten Job übernommen hat?

Michael Dell: Ein Blick in meinen Terminkalender zeigt mir, dass ungefähr 90 Prozent meiner Tätigkeiten genau dieselben sein werden wie immer. Mir steht etwas mehr Zeit zur Verfügung, die ich vorher nicht hatte. Und die werde ich mit unseren Produktteams verbringen und mit Kunden, womit ich in letzter Zeit ohnehin schon begonnen hatte. Doch im Grunde genommen haben Kevin und ich das Unternehmen schon die vergangenen sieben Jahre gemeinsam geleitet. Allerdings taucht mein Name hier überall sehr viel häufiger auf, einfach weil ich zuerst da war. Und als CEO erhalte ich außerdem sehr viel mehr Anerkennung als er. Und daher hielt ich es für eine gute Idee, ihm einen Teil dieser Anerkennung zukommen zu lassen. Schließlich macht er auch mindestens die Hälfte der Arbeit. Aber eigentlich ändert sich nicht viel an dem, was wir tun. (übersetzt von Britta Mümmler)

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