Bundesverband IT-Mittelstand

"Die Politik hat ein falsches Bild"

25.04.2012
Warum der deutsche Mittelstand dasselbe Potenzial birgt wie eBay, Google, Twitter oder Facebook.

Um den IT-Standort Deutschland zu stärken, wünschen sich viele mittelständische Unternehmen politische Fördermaßnahmen. Doch in der Politik wird die Rolle des Mittelstands falsch eingeschätzt, wie Oliver Grün, Vorsitzender des Bundesverbands IT-Mittelstand, im Interview beklagt.

Oliver Grün, Vorstand der Grün Software AG und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands IT-Mittelstand e.V. (BITMi): "Der deutsche Mittelstand birgt dasselbe Potenzial wie eBay, Google, Twitter oder Facebook."
Oliver Grün, Vorstand der Grün Software AG und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands IT-Mittelstand e.V. (BITMi): "Der deutsche Mittelstand birgt dasselbe Potenzial wie eBay, Google, Twitter oder Facebook."

Der Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi) hat ein Positionspapier namens "pro IT-Mittelstand" veröffentlicht. Welchen Zweck verfolgt der Verband damit?
Oliver Grün: Der Mittelstand stellt das Herzstück der deutschen IT-Branche, und wir als BITMi sind der einzige deutsche IT-Verband, der ausschließlich mittelständische Interessen vertritt. Wir unterbreiten in unserem Positionspapier ein ganzes Spektrum konkreter Vorschläge zur Förderung des unabhängigen IT-Mittelstands. Schwerpunkt ist die Stärkung des heimischen IT-Standortes und die Internationalisierung der deutschen IT-Wirtschaft mit gezielten Wachstumsimpulsen für den Mittelstand.

Der Verband tritt für eine Unabhängigkeit des IT-Mittelstands gegenüber der IT-Industrie ein. Was erhofft BITMi sich davon?
Grün: Es muss nachdenklich stimmen, dass praktisch alle IT-Aufsteiger, die sich in den vergangenen Jahren vom Mittelständler zum Global Player entwickelt haben – also Firmen wie eBay, Google, Twitter oder Facebook –, aus den USA stammen. Der deutsche Mittelstand birgt dasselbe Potenzial. Mit unserem Engagement für eine wachstumsfördernde Umgebung stärken wir die Innovationskraft und Arbeitsleistung mittelständischer IT-Firmen und die Position Deutschlands im globalen IT-Markt.

Der Verband wehrt sich gegen das Bild, wonach mittelständische IT-Unternehmen als "Beiboote" von "Tankern" (= IT-Konzerne) gesehen werden. Was ist an diesem Vergleich auszusetzen?
Grün: Von den rund 66.000 IT-Unternehmen in Deutschland zählen nur etwa 80 Firmen nicht zum Mittelstand. 85 Prozent aller Auszubildenden der deutschen IT-Branche arbeiten in mittelständischen Unternehmen. Der Mittelstand bildet also nicht nur heute das Herzstück der heimischen IT-Branche, sondern schafft auch die Zukunft für die technologisch orientierte Jugend. Die also in der Politik weit verbreitete Meinung, dass die IT-Mittelständler sozusagen als "Beiboote der Tanker, sprich der Großunternehmen, segeln", prägt ein Bild, das schon im Ansatz falsch ist, und führt zu erheblichen Fehleinschätzungen der Politik.

Was muss getan werden, damit der IT-Mittelstand in Deutschland wettbewerbsfähiger wird? Wer steht dabei am stärksten in der Pflicht?
Grün: Wir brauchen beispielsweise eine Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen und des Marktzugangs für kleinere und mittlere IT-Unternehmen, die steuerliche Begünstigung von Forschungs- und Innovationsaktivitäten muss reformiert werden, und der Fachkräftemangel muss angegangen werden. Die Politik sollte das Potenzial der hiesigen mittelständischen IT-Unternehmen erkennen und mehr und gezielter fördern.

Der BITMi hat das Gütesiegel "Software made in Germany" geschaffen (siehe Bildergalerie unten). Welches Fazit kann man bisher ziehen? Was könnte dabei besser laufen?
Grün: Das Gütesiegel "Software made in Germany" ist ein sehr großer Erfolg. Bei uns gehen fast täglich Anfragen auf Zertifizierung ein. Die große Resonanz zeigt, dass wir mit unserer Konzeption ein Kernanliegen der IT-KMUs getroffen haben.
Für deutsche IT-Firmen ist es nicht nur wichtig, eine qualitativ hochwertige Lösung anbieten zu können. Vielmehr geht es darum, diese weltweit vermarkten zu können und dementsprechend wettbewerbsfähig zu sein. Eine noch bessere Wahrnehmung unserer Initiative durch mehr mittelständische Softwareunternehmen wünschen wir uns natürlich. .

Sind mittelständische IT-Unternehmen besser beraten, ihre Produkte über den indirekten Weg (Reseller, Fachhändler) zu vertreiben oder den direkten Weg zum Kunden zu suchen?
Grün: Herstellende mittelständische Unternehmen mit nicht zu komplexen oder zu spezialisierten Produkten finden in Reseller- und Fachhandelskanälen einen guten Vertriebsweg. Häufig sind die Produkte aber so spezialisiert, dass der direkte Weg zum Kunden die bessere Wahl ist. Allerdings können gerade diese mittelständischen IT-Unternehmen ihren Kunden keine umfassende Begleitung bei ihrer IT-Ausstattung geben. Dies können Fachhändler mit einem sehr breiten Sortiment besser, sodass auch hier wieder Anknüpfungspunkte für Kooperationen bestehen. (tö)

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