Was Coaches können müssen

Die sieben Grundprinzipien des Coachings



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Prinzip 5: Lösungs- und Ressourcenorientierung

Beim systemischen Coaching erfolgt eine Fokusverschiebung vom Individuum zum Kontext der Problementstehung. Eine Kernfrage lautet: Wer ist an der Problemerzeugung und am Aufrechterhalten des Problems beteiligt?

Lösungsorientierung bedeutet: Der Fokus wird vom Problemsystem zum Lösungssystem verlagert: Wer (und was) ist wichtig für die Lösung des Problems?

Der amerikanische Psychotherapeut und Fachbuchautor Steve de Shazer und sein Team haben die Lösungsorientierung zu einer eigenen Beratungsform ausgebaut. Sie stellen standardmäßig folgende Fragen:

  • "Angenommen Ihr Problem ist gelöst: Was ist dann anders?" Und:

  • "Welche Ausnahmen vom Problem gab es? Wann und wo war das? Was war damals anders?"

Solche Fragen verlagern den Schwerpunkt der Aufmerksamkeit vom Problem und dem, was nicht funktioniert, hin zur möglichen Lösung. Außerdem wird nach Ressourcen gefragt: Welche Beteiligten haben welche Fähigkeiten, Stärken, kraftvollen und "gesunden" Seiten?

Ressourcenorientierung bedeutet: Coaches gehen davon aus, dass ihre Klienten in der Regel die erforderlichen Möglichkeiten und Potenziale haben, ihre Probleme selbst (oder mit selbst organisierter Unterstützung) zu lösen. Dieses Bewusstsein gilt es ihnen auch zu vermitteln.

Doch wie fast immer gibt es Ausnahmen von der Regel. Deshalb lautet ein weiteres wesentliches Coaching- Prinzip: einen Unterschied machen, der einen wirklichen Unterschied macht.

Das heißt für Coaches konkret, dass sie sich in Klienten-Gesprächen zum Beispiel fragen:

"Ist es in dieser Situation (in dieser Familie, bei diesem Klienten) wirklich zielführend, den Blick vor allem auf die Ressourcen zu richten, oder

wäre es zielführender, das 'reale' Problem zu analysieren und zu 'bearbeiten'?" (also das Gespräch zum Beispiel auf die materielle Existenzsicherung des Klienten zu fokussieren oder die konkrete Sachhilfe, die er benötigt)?

Prinzip 6: Kunden-/Klientenorientierung

Coaches sind persönliche Dienstleister, die für ihre Leistungen bezahlt werden - direkt oder indirekt. Folglich orientiert sich der Coachingprozess primär an den Interessen und Zielen ihrer Klienten beziehungsweise Coachees und nur sekundär an ihren eigenen Zielen.

Deshalb ist ein zentrales Element des Coachings die Klärung der Aufträge der Klienten. Diese werden so weit operationalisiert, dass möglichst allen Beteiligten klar wird, wie die Zielerreichung aussieht und woran man sie erkennt. Ob und wann das Ziel erreicht ist, entscheidet jedoch der Klient beziehungsweise Kunde. Er ist der Experte in Bezug auf die Inhalte der Beratung, also der "Kundige" seiner Probleme. Folglich ist er auch der Experte für seine Lösungen - der Coach ist nur der Experte für den Prozess.

Prinzip 7: Die Wirklichkeit ist eine subjektive Konstruktion

Gefragt wird im systemischen Coaching nicht danach, wie es "wirklich" ist, sondern nach Ideen und Bedeutungsgebungen. Denn die "Wirklichkeit" (einer Person) wird stets als eine subjektive, also vom Individuum selbst konstruierte erachtet, in die unter anderem individuelle Erfahrungen und Werte einfließen.

Und die Probleme sowie deren Symptome? Sie werden im Zusammenhang mit erstarrten Wirklichkeitskonstruktionen gesehen, aus denen der Coachee sich ohne Unterstützung nicht oder nur schwer lösen kann. Aufgabe des Coaches ist es, dem Coachee neue Perspektiven/Sichtweisen und somit neue Möglichkeiten zu eröffnen und nicht "falsche" durch "richtige" Wirklichkeitskonstruktionen zu ersetzen.

Systemische Praxis wird - in Anlehnung an Heinz von Foerster, einem Mitbegründer der kybernetischen Wissenschaft - oft verstanden unter dem Leitmotiv: "Anders sehen - anders handeln".

Eine beobachter-unabhängige Wirklichkeit gibt es beim systemischen Coaching nicht (beziehungsweise ist uns Menschen nicht zugänglich). Denn, alles was wir wahrnehmen, was um uns passiert sowie was andere tun, hat immer auch mit uns zu tun beziehungsweise damit, wie wir die Ereignisse und Wahrnehmungen interpretieren. Unsere subjektive "Wirklichkeit" ist somit auch eine Reaktion auf unser Dasein und Verhalten.

Weitere Infos und Kontakt: Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmens seminar consult prohaska, Wien, das unter anderem Trainer und Coaches ausbildet. Im Oktober 2013 erschien ihr neustes Buch "Coaching in der Praxis: Tipps, Übungen und Methoden für unterschiedliche Coaching-Anlässe" (Email: prohaska@seminarconsult.at; Internet: www.seminarconsult.at).

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