Die stille Revolution wird immer lauter

12.02.1999
MÜNCHEN: Open-Source-Software (OSS) oder auch Free Software gibt es schon seit drei Jahrzehnten. Ursprünglich war sie als Starthilfe für Unix gedacht, um damit Entwickler auf der ganzen Welt zu erreichen. Heute werden OSS immer mehr zu einem lukrativen Markt.

"Open-Source-Software-Produkte kosten nichts. Der Effekt: Die vielen passionierten Entwickler - meistens Hacker oder Studenten - dieser Erde nehmen sich ihrer an und entwickeln freiwillig geniale Updates und Applikationen. Niemand kontrolliert diese Entwicklung, und Support gibt es gar keinen. Da jeder die Software ändern kann, wie er gerade mag, ist sie instabil und unsicher. Die größte Gefahr von OSS: Wenn der Erfinder der Ursprungssoftware geht, dann stirbt die gesamte Software."

Diese Aussagen sind nicht wahr. Vielmehr sind es die Märchen, die es über OSS gibt - gesammelt und festgehalten von den Marktforschern der Gartner Group, die sich das Phänomen freie Software einmal genauer angesehen hat.

Sicherlich ist OSS frei verfügbar - doch vor allem ist es der Sourcecode, der offenliegt. Entwickelt wird in der gesamten Branche - nicht nur Studenten, sondern auch namhafte Firmen setzen ihre Entwickler auf die Quellcodes der freien Software an. Daß OSS komplett kostenlos ist, davon kann keine Rede sein. Mit Free Software wird Geld gemacht - vor allem mit Support, Schulung und den dazugehörigen Dokumentationen. Nur der Sourcecode selbst ist kostenlos und schlägt bei dem TCO (Total Cost of Ownership) mit null zu Buche.

Im Jahr 1984 entschied AT&T, das Betriebssystem Unix endgültig zu einem kommerziellen Produkt zu machen. Dies war Anlaß genug für die Gründung der sogenannten Free Software Foundation (FSF). Die Initiative wollte die Entwicklung von Produkten fördern, die völlig frei von der Technologie eines einzelnen Herstellers sein sollten. Der FSF verdanken zum Beispiel Projekte wie Linux ihren Erfolg.

Über zehn Jahre später gründeten einige Mitglieder der inzwischen riesigen OSS-Gemeinde die Open-Source-Initiative (www.open source.org). Sie definierten Open-Source-Software zum ersten Mal genau. Beispielsweise muß die Software den Sourcecode enthalten, sie muß modifizierbar sein und die neuen Ergebnisse müssen weitergegeben oder weiterverkauft werden dürfen.

OSS-PROJEKTE SIND GESELLSCHAFTSFÄHIG GEWORDEN

Neben Linux zählen noch die Programmiersprache Perl und der Apache Web Server zu den bekanntesten OSS-Projekten. Apache wird beispielsweise heute bereits in über 50 Prozent der Websites verwendet.

Linux wird heute von fast allen großen Herstellern unterstützt. Rund um dieses Betriebssystem hat sich inzwischen ein riesiger Markt entwickelt. Firmen wie Suse oder Red Hat verkaufen die Lizenzen wie warme Semmeln. Von einer typischen Linux-Distribution (so heißt eine Version auf CD-Rom) werden allerdings nur zwei Prozent für das eigentliche Betriebssystem verwendet. Von 500 MB sind das gerade mal 10 MB. Der Rest wird mit 400 bis 600 Utillities, Tools und Applikationen gefüllt. Das Betriebssystem ist frei - die Utillities und die Tools allerdings zum Teil nicht.

Die meisten OSS-Tools werden von Ingenieuren entwickelt, die damit ein ganz bestimmtes Problem lösen wollten. Der Fokus dieser Tools liegt in erster Linie auf der Funktionalität. Handhabung, Oberfläche und Benutzerfreundlichkeit bleiben bei vielen OSS-Programmen auf der Strecke. Dies war lange Zeit einer der Punkte von Kritikern, weshalb sie Linux keine großen Chancen gaben. Heute allerdings hat der Browser als allgemeingültige Oberfläche Einzug gehalten, die Handhabung ist bekannt und immer gleich. So werden die Profi-Tools auch für Nichttechniker akzeptabel. Ein weiteres Hindernis, mit dem Open-Source-Software zu kämpfen hat, sind die fehlenden Applikationen dazu, wie zum Beispiel Office-Anwendungen. Speziell Linux hat auch da gesiegt. Denn viele Hersteller portieren heute ihre Applikationen auf Linux - unter anderen Oracle, Corel oder IBM. (gn)

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