Abschied von ISDN

Die Umstellung auf All-IP betrifft mehr als nur TK-Anlagen



Andreas Th. Fischer ist freier Journalist im Süden von München. Er verfügt über langjährige Erfahrung als Redakteur bei verschiedenen IT-Fachmedien, darunter NetworkWorld Germany, com! professional und ChannelPartner. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen IT-Security,  Betriebssysteme, Netzwerke, Virtualisierung, Cloud Computing und KI. Über diese Themen schreibt er auch für Smokinggun.de.
Viele Kunden denken bei der nahenden Abschaffung der ISDN-Nutze nur an ihre Telefonanlagen. Dabei ist davon weit mehr betroffen als es zunächst den Anschein hat.

In den kommenden beiden Jahren wollen die Deutsche Telekom und andere Netzbetreiber ihre ISDN-Netze komplett auf Internet-Technologie umstellen. Für den Channel ergeben sich dadurch viele Möglichkeiten, wenn sie ihre Kunden schon jetzt auf die All-IP-Migration vorbereiten. So lassen sich mit der richtigen Beratung und den passenden Produkten Bestandskunden zufrieden stellen und Neukunden gewinnen.

Glasfaserkabel der Deutschen Telekom
Glasfaserkabel der Deutschen Telekom
Foto: Deutsche Telekom

Auch das Ende vieler ISDN-basierter Sonderdienste naht

Bei Telefonanlagen und Netzwerken ist die Lage relativ eindeutig und viele Unternehmen haben sich bereits mit ihrer Umstellung beschäftigt. Aber was ist mit Sonderdiensten wie den häufig per ISDN oder Datex-P angeschlossenen Notrufdiensten in Aufzügen und was ist mit Gefahrenmeldeanlagen? Auch sie sind in zahllosen Unternehmen zu finden und müssen deswegen ebenfalls migriert werden, bevor die ISDN-Dienste abgeschaltet werden.

Die Netzbetreiber, viele Hersteller von Gefahrenmeldeanlagen und auch zahlreiche Leitstellenbetreiber haben bereits reagiert und mit der Umstellung begonnen. Manche unterstützen nun beide Technologien nebeneinander. Bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen kann davon jedoch noch keine Rede sein. Sie haben die Dringlichkeit der Situation oft noch nicht verstanden. Dabei bietet eine Umstellung auch Vorteile für sie, wie höhere Bandbreiten und eine schnellere Geschwindigkeit der Übertragung. Damit lassen sich dann etwa auch die Video-Feeds von Überwachungskameras übertragen.

Eine nicht zu vergessende Herausforderung besteht allerdings bei der Priorisierung der Daten. Nach der Umstellung werden über ein und dieselbe Leitung alle Daten übertragen, also neben den wichtigen Signalen der Alarmmeldeanlagen auch eher geringwertige Daten wie E-Mails, Streaming oder die Downloads großer Dateien. Hier sollten Extradienste wie eine zusätzliche Anbindung per Mobilfunk geprüft werden, falls die Hauptleitung - aus welchen Gründen auch immer - nicht verfügbar ist.

Die wichtigsten Helfer der Umrüstung sind neben den Netzbetreibern und Herstellern der verwendeten Hard- und Software naturgemäß die Partner. Sie können ihre Kunden bei der Auswahl der passenden Hard- und Software, ihrer Inbetriebnahme sowie beim Umbau der internen Netze unterstützen. Außerdem können sie sie bei Themen wie Übertragungssicherheit, Verschlüsselung und der Wahl der richtigen IP-Adressen beraten.

Aufwändiger Ablauf der eigentlichen Migration

Unternehmen, die sich unsicher sind, ob und welche ihrer Anlagen von der Umstellung betroffen sind, sollten sowohl die Hersteller der verwendeten Hard- und Software als auch ihren Netzbetreiber kontaktieren. Hier kommen dann wieder die Partner ins Spiel, die sich als erfahrene Lösungsanbieter präsentieren können.

Infografik zur IP-Migration
Infografik zur IP-Migration
Foto: Deutsche Telekom

Das IT-Beratungsunternehmen Crisp Research hat im Auftrag des IT- und TK-Spezialisten Itenos sechs Schritte identifiziert und in dem Whitepaper "Sicherheit im Digitalen Zeitalter" beschrieben. Sie zeigen wie eine Umstellung ablaufen kann:

  1. Technologie-Check: Eventuell genügt es ja, die verwendete Software zu aktualisieren, so dass keine komplett neuen Anlagen eingebaut werden müssen. Informationen zu diesem Thema liefern die betroffenen Hersteller und Netzbetreiber.

  2. Auswahl geeigneter Hard- und Software: Die verschiedenen zur Verfügung stehenden Lösungen sollten gesichtet und ihre Vor- und Nachteile gegenüber gestellt werden. Hier spielen viele individuelle Kriterien mit hinein wie die Zufriedenheit mit der existierenden Lösung, künftige Pläne sowie natürlich die Kosten und erwünschte Leistungen.

  3. Erstellung eines Implementierungsplans: Der nun zu erstellende Projektplan sollte den zeitlichen Rahmen und wichtige Meilensteine enthalten. Dazu kommt ein Lasten- und Pflichtenheft, das alle wesentlichen Anforderungen enthält.

  4. Implementierung: Nun werden die Hard- und Software gemäß dem Plan erneuert sowie die Netze von IDSN auf die IP-Technik umgestellt.

  5. Testphase: In einem Testbetrieb sollten die neuen Anlagen zunächst auf Herz und Nieren geprüft werden. Interessant ist in dieser Phase auch eine mögliche Zertifizierung durch einen dafür geeigneten Spezialisten. Sie sollte vor der finalen Inbetriebnahme erfolgen.

  6. Betrieb: Sobald die Tests erfolgreich abgeschlossen wurden, kann die Produktivphase starten. Ein kontinuierliches Monitoring sowie das rechtzeitige Einspielen neuer Patches und System-Updates sorgen dann dafür, dass keine Sicherheitslücken entstehen.

Für die Frage, was eigentlich umgestellt werden muss, hat Crisp Research vier Szenarien identifiziert, die im Folgenden kurz beschrieben werden:

Fall A: Sowohl die Hard- als auch die Software sind bereits IP-fähig

In diesem Fall muss nur wenig geändert werden. Empfehlenswert sind allerdings eine frühe Umstellung der internen Netze sowie die Einrichtung eines zweiten Übertragungsweges per Mobilfunk.

Fall B: Nur die Software ist IP-fähig, die Hardware jedoch veraltet

Hier sollte zunächst geprüft werden, ob die installierten Anlagen auf IP umrüstbar sind oder ob eine komplett neue Anlage angeschafft werden muss. Unter anderem bieten laut Crisp Research die Hersteller Abus, Bosch, Esser/Honeywell, MS AG, TAS und Telenot bereits IP-fähige Gefahrenmeldeanlagen an.

Fall C: Nur die Hardware ist IP-fähig

Wenn vor kurzem bereits in neue Hardware investiert wurde, ist dies durchaus möglich. In diesem Fall sollte der Software-Hersteller kontaktiert und nach Updates gefragt werden. Eventuell kann auch der Hersteller der Gefahrenmeldeanlage weiterhelfen.

Fall D: Weder Hard- noch Software sind IP-fähig

Diese Situation ist die ideale Gelegenheit, um nicht nur den Status Quo zu erhalten, sondern um gleichzeitig auch noch neue Dienste zu integrieren. Bei diesem Fall sollten alle weiter oben beschriebenen Schritte vollständig durchgeführt werden.

Klaus Müller, Leiter Strategische Entwicklung und Transformation bei der Deutschen Telekom: "Jede Woche kommen 70.000 neue IP-Kunden hinzu."
Klaus Müller, Leiter Strategische Entwicklung und Transformation bei der Deutschen Telekom: "Jede Woche kommen 70.000 neue IP-Kunden hinzu."
Foto: Deutsche Telekom

Migration unter Volldampf

Unabhängig davon, welche Situation bei Ihnen oder Ihren Kunden vorzufinden ist: Die Uhr tickt. Spätestens zu Beginn des Jahres 2019 will die Deutsche Telekom ISDN abstellen. Anfang November sagte Klaus Müller, Leiter Strategische Entwicklung und Transformation bei der Telekom, dass man bereits knapp die Hälfte der Kunden auf das Internet-Protokoll umgestellt habe. "Jede Woche kommen rund 70.000 neue IP-Kunden hinzu", so Müller zu ChannelPartner.

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