"Die US-Händler haben das gut akzeptiert"

12.02.1999
GENF: Bei Hewlett-Packard weht ein neuer Wind. Carly Fiorina ist noch nicht mal ein halbes Jahr am Ruder, und schon gibt es die strategische Neuausrichtung - neue Partnerstruktur und ein HP-Großangriff auf das Internet, Direktvertrieb eingeschlossen.

Vom alten Aushängeschild von Hewlett-Packard sind nur die Initialen geblieben. Dafür prangt nun das Wörtchen "Invent" unter dem H und dem P - back to the roots, eine Erfinderfirma. "Wir suchten ein Wort, das in Zukunft immer mit HP in Verbindung gebracht wird", erklärt Kevin Kearney, HP-Channel-Marketing-Manager für Europa.

Mit dem neuen Outfit soll eine komplette Neuorientierung von HPs Produktstrategie einhergehen. Auch die Partnerstruktur wird sich sehr ändern - das reine Kistenschieben ist vorbei, den Lösungen gehört die Zukunft.

Einer der wichtigsten Punkte ist die Einführung von "E-Service". "IBM hat E-Business - wir werden in Zukunft E-Service haben. Die Frage wird sein: Wie ist die richtige Kombination von Drucker, Fax und so weiter beim Kunden. Wir haben die Produkte, und wir werden die komplette Lösung dafür bieten", verspricht Bernd Bischoff, Vice President von HP. Basis der E-Services ist die im Juli angekündigte "E-Speak"-Technologie, eine offene Architektur für Internet-Lösungen. Angeboten soll von Anwendungen über WAP-Dienste bis hin zur kompletten Unternehmensausstattung alles werden. "Hier sind unsere Partner gefragt", fordert Bischoff: "Es ist klar, daß wir in Zukunft nicht mehr nur reine Reseller brauchen können."

DIE PARTNER MÜSSEN SICH POSITIONIEREN

Damit die Lösungsstrategie aufgeht, braucht HP Know-how, und das müssen auch die Partner liefern. Dementsprechend wird die Partnergemeinde auch um VARs (Value Added Reseller), OEMs (Original EquipmentManufacturer), ISPs (Internet-Service-Provider) und mittelfristig auch um ASPs (Application-Service-Provider) erweitert. Sie sollen in Zukunft ihre Lösungen auf Basis der HP-Plattform entwickeln.

"Wir lassen unsere Partner aber nicht mit den neuen Gegebenheiten allein", beruhigt Kearney, "HP hat sich eine Reihe von Individualprogrammen ausgedacht, die unseren Partnern helfen sollen, ihr Know-how zu verbessern und ihren Profit zu erhöhen."

Allerdings: Diese Individualprogramme richten sich weniger an die rund 53.000 registrierten HP-Händler in Europa, sondern an die 10.500 Solution-Partner, die nach Aussage von Kearney rund 76 Prozent des europäischen Umsatzes generieren - Tendenz steigend.

Klar, jeder kann zum Solution Provider avancieren - doch dazu ist Einsatz gefragt. Ein Partner muß Zeit und Geld investieren, damit er bei HP mitmischen kann. "Das Geld ist erfahrungsgemäß nicht das Problem. Vielmehr ist es die Zeit der Mitarbeiter, die für Schulungen investiert werden muß", seufzt Kearney, "da stoßen wir bei unseren Partnern immer wieder auf Mauern."

Eines der individuellen Programme zur Profitsteigerung nennt sich "ROCE" (Return on Capital Employed). Im Rahmen dieses Projektes checkt HP zum Beispiel, wie lange das Kapital des Partners im Lager gebunden ist. Wieviel investiert er? Wie hoch ist die Marge? "Das ist ein Geflecht von Parametern, die man verstehen muß, sonst gibt es keinen Profit", erklärt Kearney. "Wir unterstützen ihn, indem wir ihn schulen und ihn zum Beispiel vor Ladenhütern bewahren. Der Partner fragt seine Kunden in Zukunft nicht mehr: Was wollen Sie, wir werden liefern, sondern: Das haben wir, Sie werden es wollen", schmunzelt er. "Den Bedarf bei den Endkunden wecken wir", ergänzt er.

DIREKTVERTRIEB - KONKURRENZ ODER CHANCE?

Doch nicht nur dem Partnerkonzept geben die Druckerspezialisten einen neuen Drall. Die HPs wollen ab sofort auch die Kundenzahl erhöhen, und zwar massiv. Der Weg dorthin ist für Bischoff ganz klar: Ein direkter Kanal muß her. "Wir werden keinen einzigen Kunden gehen lassen. Wenn jemand nun einmal direkt mit uns Geschäfte machen will, dann soll er das tun", betont Bischoff. Daß die gesammelte Partnerschaft auf diese Ankündigung etwas gereizt reagieren könnte, diese Gefahr sieht HP nicht. "Wir haben drei Möglichkeiten: den indirekten, den indirekt-online und den direkt-online Kanal. Wenn wir mit E-Business einen Dollar verdienen, verdient der Channel mindestens zehn Dollar an den Folgegeschäften." Für viele Partner in Deutschland allerdings ist diese Aussage reine Augenwischerei. "Der Verkauf von HP-Produkten wird jetzt noch schwieriger als er es schon ist", macht sich ein Händler aus Nordrhein-Westfalen Luft. "Die wollen ihre Schäfchen, sprich die Kunden, ins Trockene bringen und werden erst damit aufhören, wenn alles zu spät ist. Denn HP hat inzwischen gute Konkurrenz von Epson oder Canon bekommen", folgert ein Partner aus Hamburg.

Auch die Versicherung von HP, daß die Produkte und Services im direkten Kanal teurer sein werden als im indirekten, überzeugt die Partner nicht: "Das kann ich mir nicht vorstellen", winkt ein Händler ab. "Und daß das in den USA geklappt hat, kann schon gut möglich sein. Aber die amerikanischen Händler sind ja auch ganz anders als wir - die arbeiten in einem ganz anderem Markt als wir deutschen HPPartner."

Für die Zukunft möchte HP das Internet auf jeden Fall fest in die Partnerstruktur einbauen. Dazu wird im Moment ein E-Channel-Programm auf- gesetzt, das laut Kearney aber voraussichtlich erst in einem halben Jahr fertig sein wird. Bis dahin werden sich die europäischen Partner von Hewlett-Packard auf die Hinterbeine stellen müssen, wenn sie bei den "Inventors" nicht durch das Raster fallen wollen. (gn)

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