Sitzen wir wirklich alle im selben Boot?

Die "Wir-Ideologie" ist eine Falle

16.08.2011
Wenn es in der Firma mal rauer zugeht, bröckelt schnell der Sozial-Kitt, sagt Dr. Georg Kraus.

"Wir sind ..." "Wir machen ..." "Wir wollen ..." Solche Sätze prägen die firmeninternen Kommunikationsmedien fast aller (Groß-)Unternehmen - angefangen von deren Führungsleitlinien bis hin zu deren Mitarbeiterzeitschriften. Und auch ihre Führungskräfte appellieren im Gespräch mit den Mitarbeitern oft an das kollektive WIR - gerade so als hätten die Inhaber der Unternehmen sowie deren Führungskräfte und Mitarbeiter identische Interessen und säßen alle im selben Boot.

Doch dann brechen zum Beispiel die Umsätze weg oder die Erträge sinken. Und die Unternehmensleitung muss Sozialleistungen streichen. Oder das Unternehmen muss sich aufgrund nötiger Umstrukturierungen sogar von Mitarbeitern trennen. Dann entpuppt sich das kollektive WIR meist schnell als ideologische "Seifenblase", die platzt, wenn die Sonne nicht mehr scheint.

Unternehmen sind Zweckgemeinschaften

Spätestens dann wird jedem klar: Unternehmen sind keine (Groß-)Familien, in denen alle gemeinsam durch dick und dünn gehen. Unternehmen sind Zweckgemeinschaften - also soziale Gebilde, in denen sich Personen mit unterschiedlichen Interessen zeitweise zusammenschließen, um wechselseitig voneinander zu profitieren. Und wenn ein oder mehrere Beteiligte aus der Zusammenarbeit keinen Nutzen mehr ziehen? Dann trennen sich die Wege wieder.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Welchen Nutzen haben Unternehmen davon, sich in den Mitarbeitergesprächen und -publikationen so zu präsentieren, als seien sie soziale Einrichtungen? Keinen! Denn hierdurch werden nur die Interessengegensätze verschleiert, die zwischen den "Stakeholdern" bestehen. Also werden sie in den Mitarbeitergesprächen auch nicht erörtert. Und folglich werden auch keine tragfähigen Kompromisse ausgehandelt, wie die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt werden.

Zur Startseite