"Die Zahl der Direktkunden wird unter 500 sinken"

06.02.2003
Novells runderneuertes Partner-Programm "Partner Net 2003" startete Anfang Dezember 2002. Deutschland-Geschäftsführer Horst Nebgen erläutert gegenüber ComputerPartner, was sich 2003 im Novell-Kanal ändern wird.

Mit "Partner Net 2003" verspricht Novell seinem Channel neue Umsatzfelder. Dies bezieht sich hauptsächlich auf die Produktlinien "Nsure" und "Extend". Während es sich bei Nsure um auf Novells Verzeichnisdiensten basierende Identifikationslösungen handelt, ist Extend das Erbe von Silverstream, dem übernommenen Spezialisten für Applikationsserver.

Dabei möchte der Netzwerker aber keinesfalls als Gegenspieler zu IBM ("Websphere") oder BEA ("Weblogic") antreten. "Dieser Markt ist besetzt", gibt auch Nebgen unumwunden zu. Vielmehr soll Extend als Entwicklungsumgebung für Webservices herhalten. Nun kann Novell endlich auch Software für ISVs anbieten - die von Analysten bemängelte Angebotslücke ist somit geschlossen.

Doch Partner Net 2003 wurde nicht einzig und allein dazu ins Leben gerufen, um die verbliebenen Silverstream-Partner - in Deutschland sind es zehn - in die Novell-Gemeinde aufzunehmen. Vielmehr ging es darum, die Partnerlandschaft übersichtlicher zu gestalten. So sind etwa auch die Alliance- und Education-Partner ins neue Programm integriert. Erstere heißen nun Corporate Partner.

Nur noch zwei Typen von Vertriebspartnern

Bei seiner klassischen Vertriebsklientel, den Solution Providern, unterscheidet Novell hingegen nur noch zwischen Business-Experts und Business-Partnern. Von Letzteren gibt es in Deutschland noch 146, die besser qualifizierten "Experts" lassen sich einfacher abzählen, es sind derzeit laut dem Stand auf der Novell-Website 36. Hinzu kommen in Deutschland noch die vier höher eingestuften Systemintegratoren Alego, Conet, G+H sowie Vivex, außerdem noch die Distributoren Actebis, Compu-Shack, Schweers und Tech Data.

Damit ist die Anzahl der qualifizierten Novell-Partner gegenüber den 90er-Jahren zwar erheblich gesunken, aber Nebgen findet dies nicht weiter schlimm: "Ein Mindestumsatz von 3.000 Euro pro Jahr ist wirklich nicht zu viel verlangt, um in den Status eines Novell-Business-Partners zu gelangen."

Auf mögliche Kanalkonflikte zwischen den Vertriebspartnern und der Novell-eigenen Serviceabteilung angesprochen, sieht der Deutschlandchef keinen Grund zur Sorge: "Cambridge Technology Partners konkurrieren doch eher mit einer Cap Gemini und anderen Systemintegratoren als mit unserem Fachhandelskanal."

Auch vor der in Deutschland etwa 40 Mann starken Novell-eigenen IT-Consulting-Truppe brauchen sich seiner Meinung nach die klassischen Vertriebspartner nicht zu fürchten: "Unsere Leute planen doch nur die Netzwerkinfrastruktur, erstellen ein neues Design und vielleicht noch ein konkretes Konzept. Die neuen Lösungen zu implementieren bleibt jedoch ausschließlich die Aufgabe unserer Fachhandelspartner", glättet hier Nebgen ein wenig die Wogen.

Dennoch konnte er gegenüber ComputerPartner eine mögliche Interessensüberschneidung nicht ausschließen, falls doch ein Vertriebspartner in der Lage sein sollte, die konzeptionellen Arbeiten zu übernehmen: "Dann entscheidet entweder der Kunde, oder wir müssen uns mit dem Partner irgend-wie arrangieren, wer schließlich die Projektverantwortung übernehmen soll."

Überschneidungen mit Consultants des Softwareherstellers sieht auch Wolfgang Tscherney, Organisationsleiter beim Business-Expert G+H Netzwerkdesign: "Wenn die Novell-Leute eine bestimmte Umsatzvorgabe mit Services erfüllen müssen, dann ist ihnen das Hemd schon näher als die Hose."

Eine weitere einschneidende Maßnahme innerhalb der Novell-Organisation soll laut Nebgen aber auf jeden Fall das Channel-Konfliktpotenzial entschärfen: Ab sofort kümmert sich jeder Novell-Vertriebsmitarbeiter entweder ausschließlich um die Endkunden, oder er ist exklusiv für die Geschäftsbeziehungen zu Vertriebspartnern verantwortlich. "Früher, bei gemischten Zuständigkeiten, war es oft so, dass unsere Vertriebsbeauftragten sich entweder stärker für die Belange der Endkunden einsetzten und die Beziehungen zu Partnern vernachlässigten oder umgekehrt", schildert der Geschäftsführer die bisherige Situation. Nun soll eine klare Trennung der Aufgaben dieses Ungleichgewicht beheben.

Diese Entscheidung begrüßt Tscherney: "Viele der Novell-Vertriebsbeauftragten hatten schlicht und ergreifend nicht die Zeit, sich mit den Business-Partnern zu beschäftigen, sie hatten genug mit Endkunden zu tun." Die Mitarbeiter des Softwerkers mussten sich demnach sowohl um Neuakquisitionen als auch um Bestandskunden kümmern.

Um die eigenen Vertriebsbeauftragten zu entlasten, möchte Nebgen die Menge der von Novell direkt betreuten Kunden in Deutschland verringern: "Die Anzahl der Named Accounts wird deutlich unter 500 sinken." Doch auch bei den weniger werdenden "Key Accounts" müssen Partner nicht unbedingt leer ausgehen: "Bei 70 bis 80 Prozent dieser Kunden sind auch unsere Partner mit an Bord", so Novells Deutschlandchef.

Das kann auch Tscherney bestätigen: "Dieser Prozess findet bereits seit anderthalb Jahren statt." Die G+H Netzwerkdesign GmbH hat so einige der Named Accounts von Novell übernommen. "Wir haben einen sehr guten Kontakt zur Frankfurter Niederlassung des Softwerkers, und der dortige Vertriebsbeauftragte war froh, dass wir ihm aushelfen konnten", so der Organisationsleiter des Business- Expert.

Andere Business-Partner glauben wiederum, dass Novell die Anzahl der direkt betreuten Kunden gar steigern wird - auf Kosten der einfachen Fachhändler, die sich eben nicht so einfach mal für die gesamte Produktpalette zertifizieren können. Immerhin ist das Angebot des Netzwerkers in den vergangenen drei Jahren stark angewachsen.

Netware bleibt stärkstes Standbein

Spätestens nach der Übernahme von Silver Stream kam Novell um eine Neuordnung seines Lösungs-portfolio nicht mehr herum. Neben der Webservices-Plattform "Extend" gibt es also noch die schon erwähnte "Nsure"-Palette, hinzu kommt die wohl bekannte "Nterprise"-Reihe. In Letztere fallen klassische Novell-Produkte wie Netware und Groupwise. Und schließlich gibt es noch den Unternehmensbereich "Ngage", in dem Novells Serviceleute versammelt sind.

Trotz der Besetzung neuer Felder wie Webservices, Security und Directory macht Novell den Großteil seines Softwaregeschäfts nach wie vor mit dem Brot-und-Butter-Produkt Netware: Im vergangenen Quartal waren es noch mehr als 40 Prozent der 224 Millionen Dollar. Hinzu kamen noch 75 Millionen Dollar, die mit Services erwirtschaftet wurden.

"Absolut wollen wir das Netware-Geschäft halten", kommentiert Nebgen diese Zahlen. Anteilig wachsen sollen hingegen die übrigen Sparten, also vor allem die Umsätze mit Nsure und Extend. Für 2003 peilt hier die US-Zentrale einen Zuwachs von fünf Prozent an.

Gar verdoppeln soll sich hingegen der europaweite Umsatz von Vo-lera. Das Geschäftsvolumen der im Content-Delivery-Markt tätigen Novell-Tochter betrug allerdings im letzten Quartal gerade mal zwei Millionen Dollar.

www.novell.de

www.netzwerk-design.de

ComputerPartner-Meinung:

Durch die Neuregelung der Zuständigkeiten seiner eigenen Vertriebsmitarbeiter hat Novell sicherlich zur Entschärfung der Kanalkonflikte beigetragen. Doch ganz am Ende des steinigen Weges der Reorganisation befindet sich das Unternehmen noch nicht. Nach wie vor existieren Kompetenzüberschneidungen zwischen den eigenen Serviceleuten und den zum Teil exzellent ausgebildeten Business-Partnern. (rw)

Zur Startseite