"Die Zeit der Guerilla-Kämpfer ist noch lange nicht vorbei"

18.07.2002
Im vergangenen Jahr trumpfte die Gericom AG im Notebook-Markt groß auf und avancierte zur Nummer 1. Doch die etablierten Hersteller schlugen zurück, und Gericom verlor wieder an Boden. Im Gespäch mit den ComputerPartner-Redakteuren Beate Wöhe und Damian Sicking erläutert Gericom-Chef Hermann Oberlehner, was von seinem Unternehmen noch zu erwarten ist.

Sie hatten vor einigen Wochen eine Prämie von 100.000 Euro ausgesetzt. Bekommen sollte sie derjenige, der Ihnen den Verfasser der Gerüchte über finanzielle Schwierigkeiten bei Gericom benennen kann. Haben Sie diese 100.000 Euro noch?

Oberlehner: Ja leider. Ich habe natürlich sehr viele Hinweise, will aber keine weiteren Gerüchte in die Welt setzen.

Die B-Brands gelangen durch aggressive Preispolitik einiger A-Brands, wie Toshiba oder FSC, zunehmend unter Druck. Ist die Zeit der Guerilla-Kämpfer schon vorbei?

Oberlehner: Was Gericom betrifft, war der geringe Umsatz in den Anfangsmonaten dieses Jahres eher hausgemacht. Wenn man im Home-Markt kein neues Produkt, wie zum Beispiel den Intel P4, anbieten kann, macht man keinen Umsatz. Wir hatten darauf vertraut, dass Intel uns diese zugesagte Technologie auch liefert. Als Monopolist hat Intel auch eine soziale Verantwortung. Man kann sich nicht von einer einmal gemachten Zusage kurz vorher wieder zurückziehen. Ich jedenfalls hätte es nie für möglich gehalten, dass man innerhalb von so kurzer Zeit vom Gewinner zum Verlierer wird.

Vor kurzem ist mit Targa von Actebis auch noch ein neuer Mitbewerber bei den Discountern aufgetaucht. Macht Sie das nervös?

Oberlehner: (lacht) Das Schlimme daran ist ja, dass das sogar "mein" Notebook ist. Dieses Notebook war meine Idee, nur war AMD für uns kein Thema. Wir sind eben bis vor kurzem blind und treu hinter Intel gestanden. Ich denke aber, dass Intel sich, zumindest im Home-Bereich, verkalkuliert hat. Der Home-Bereich hält AMD jetzt alle Türen und Tore offen. Diese Prozessoren sind schlagartig hoffähig geworden. Allerdings hat AMD im oberen Segment nichts zu bieten. Als Notebook-Hersteller kann man aber nicht fünf Mal hintereinander ein Gerät im Einstiegssegment anbieten. Wir können heute 2.400 Megahertz mit Intel anbieten, während bei AMD bei 1.400 Mehahertz Schluss ist. Ob das im Home-Bereich hunderprozentig funktioniert, ist fraglich.

Wo ist heute noch das Alleinstellungsmerkmal von Gericom gegenüber dem Wettbewerb?

Oberlehner: Das hat man ja in den vergangenen zwei Monaten gesehen. Gerade in Deutschland haben wir einige Extreme vorgestellt. Wir haben ein sehr gut ausgestattetes 15-Zoll-Notebook für 1.799 Euro angeboten und noch nie größere Stückzahlen verkauft als zu diesem Zeitpunkt. Wir haben damit sogar die Food-Ketten getoppt. Das Aldi-Notebook ist zum ersten Mal nicht gelaufen, und Media-Markt konnte sich positionieren wie noch nie. Außerdem sind drei bis vier unserer derzeit 16 verschiedenen Plattformen wirklich ein Hammer. Zum Beispiel unsere neue Disziplin im Notebook-Markt - das Outdoor-Notebook X5. Es bietet Möglichkeiten, die im Moment zwar noch diskutiert werden, aber in der Zukunft gefragt sein werden.

Glauben Sie wirklich, dass es für dieses semi-ruggedized Notebook einen Markt für ausreichende Stückzahlen gibt?

Oberlehner: Das ist genau der Punkt. Unser Gerät soll ja gar nicht full-ruggedized sein. Es ist für den täglichen Gebrauch gedacht. Wir bewegen uns damit in einem Nischenmarkt, aber unsere Stückzahlen haben wir schon in der Tasche. Wir sind immerhin europaweit mit diesem Gerät auf den Titelseiten. Uns ist in jedem Land der Einstieg geglückt.

Wie viele X5 haben Sie bisher verkauft?

Oberlehner: Bis jetzt haben wir über 10.000 Stück abgesetzt; also nicht gerade wenig.

Wenn man das X5 mit den anderen Notebooks im Outdoor-Markt vergleicht, scheint das X5 ja eher ein Gerät für den Sandkasten zu sein.

Oberlehner: Unser Notebook ist als robustes Notebook für den Alltagsgebrauch gedacht. Zielgruppe sind Ingenieure, Freiberufler oder private Kunden, die dann ein Instrumentarium haben, das weitest gehend vor Datenverlust geschützt ist.

Rechnet sich denn für Gericom der Verkaufspreis von 1.799 Euro?

Oberlehner: Der Home-Bereich ist natürlich nicht bereit, für ein solches Notebook mehr zu bezahlen. Wir statten das Gerät mit mehr Features aus, ohne viel mehr daran zu verdienen. Das ist eine knallharte Sache. Erreicht haben wir immerhin, dass wir jetzt auch nach Frankreich liefern. Und das muss man als österreichische oder deutsche Firma erst einmal schaffen.

In diesem Jahr hat Gericom mit zwei neuen Prozessor-Lieferanten Verträge geschlossen. Der erste war AMD, und für das dritte Quartal hat Gericom ein neues Notebook mit einem Transmeta-Prozessor angekündigt. Will sich Gericom von Intel zurückziehen?

Oberlehner: Nein. Aber wir haben gerade mit dem neuen Notebook ein Gerät mit einem hohen Lifestyle-Faktor entworfen. Transmetas Stärke ist die geringe Wärmeentwicklung, und so haben wir uns in diesem Fall für den Crusoe von Transmeta entschieden. Als Notebook-Broadliner sollte man Transmeta im Produktangebot haben.

Vor drei Monaten sagte der Vertreter einer Handelskette gegenüber ComputerPartner: "Wir haben Gericom im Sortiment, um auch diesen Preispunkt zu belegen. Allerdings verkaufen wir diese Geräte sehr ungerne, da die Rücklaufquote nach wie vor sehr hoch ist. Und das kostet Geld." Was sagen Sie dazu?

Oberlehner: Naja, der Volksmund sagt: Hast Du einmal gestohlen, wirst Du immer stehlen. Ich habe die Rücklaufquoten jetzt nicht im Kopf, aber ich denke, dass wir sicherlich nicht über zehn Prozent liegen. Und das ist im Home-Bereich nicht schlecht, weil gerade dieser von vielen Änderungen getrieben wird. Jemand, der das ganze Jahr über nur ein und dasselbe Notebook baut, hat eine Lernkurve gegenüber demjenigen, der zyklenhaft im Abstand von drei Monaten neue Modelle baut. Ich glaube jedenfalls, dass wir in der Rücklaufquote nicht sehr weit von anderen Herstellern entfernt sind.

Im März hat Gericom mit der Siemens-Tochter Sinitec ein neues Serviceprogramm gestartet und Teleplan rausgekickt. Hat sich jetzt, drei Monate später, diese Entscheidung für Sie als die Richtige erwiesen?

Oberlehner: Die Firma Teleplan hat ihre Daseinsberechtigung für viele Dinge, wie zum Beispiel Drucker oder Monitore. Bei den Notebooks war Teleplan für uns aber nicht der richtige Partner, weil wir in diesem Produktbereich sehr breit und schnell aufgestellt sind. Ich war weltweit unterwegs, um das Thema Service wirklich tief greifend zu erforschen, und bin der Meinung, dass es vor allem eine Organisationssache ist. In den USA sind zwar nicht unbedingt Ingenieure mit dem Service beschäftigt, aber was dort funktioniert, sind die Abläufe. In Europa dagegen macht man zuerst das Geschäft und dann den Ablauf. In Amerika gibt es auch hervorragende Hotlines, die mit den Kunden sehr professionell umgehen. Davon können wir sicherlich noch lernen.

Wo bleibt der Ende vergangenen Jahres angekündigte PDA von Gericom?

Oberlehner: Der PDA ist eigentlich fertig, aber er liegt bei uns in der Schublade. Die ganzen PDA-Hersteller haben ja nicht wirklich Geld verdient. Und wir hatten in der Vergangenheit nicht die Muße, etwas anzufangen und kurz darauf zu sagen: "Hallo, wir hören auf". Alle PDAs, die derzeit angeboten werden, sind mehr für den professionellen Bereich. In diesem Segment bewegen wir uns nicht. Wir versuchen noch zu verstehen, was der private Kunde von einem PDA erwartet und wo unser USP bei einem PDA sein kann.

Sehen Sie im Home-Bereich überhaupt einen Markt für den PDA?

Oberlehner: Wenn wir nicht einen PDA bauen können, der speziell im Home-Bereich gebraucht und geliebt wird, ist es ein Blödsinn. Denn dann sind wir der fünfzehnte Anbieter, der nur einen Brand auf das Gerät klebt. Gerade heute habe ich mit einem der größten Retailer in Europa gesprochen, der einen PDA speziell für den Home-Bereich will. Es kann mir aber niemand hunderprozentig sagen, was er bereit ist, dafür zu bezahlen. Eines ist jedoch klar: Im Home-Bereich geht nichts ohne Microsoft.

Das hört sich nicht so an, als ob in Kürze ein solches Gerät zu erwarten sei.

Oberlehner: Nicht momentan. Aber dafür andere Produkte.

Nämlich?

Oberlehner: Wir stellen jetzt einen neuen, extrem dünnen LCD-Design-PC vor. Der Rechner ist an der Rückseite im Display eingebaut und so dünn, dass man das auf den ersten Blick nicht erkennen wird.

Die Preise für LCD-Panels gehen hoch, und die Verfügbarkeit ist schlecht. Wird Gericom auch weiterhin mit LCD-Bildschirmen im Markt sein?

Oberlehner: Wir haben speziell in den vergangenen drei bis vier Monaten in diesem Bereich wieder stark zugewonnen. Wobei wir auch hier eher Besonderheiten wie einen 17-Zoll-Monitor mit eingebautem TV anbieten. Wir haben keine klassischen LCDs, sondern spezielle Modelle mit Alugehäuse. In dieses Thema haben wir uns hineinbewegt, und es passt zu uns, weil wir besser einkaufen können. Auf der anderen Seite ist es natürlich extrem schwierig, damit Geld zu verdienen. Derzeit sieht es so aus, als hätten die LCD-Panel-Preise das Höchstlimit erreicht. Wir verfügen über ein sehr großes Lager und haben zu einem Zeitpunkt gekauft, der noch sehr günstig war. Dadurch konnten wir die Preissteigerung bei Notebooks vermeiden. Bei den Monitoren sieht es natürlich etwas anders aus. Hier hatten wir in der Vergangenheit nicht so viele Möglichkeiten und mussten die Preisbewegungen mitziehen.

Vor einiger Zeit sind Sie eine Zusammenarbeit mit PC-Spezialist eingegangen. Wie stellt sich die Entwicklung aus Ihrer Sicht dar?

Oberlehner: Natürlich ist es nicht immer so einfach, aber wir tun alles, um die Zusammenarbeit erfolgreich zu gestalten. Wir haben erst vor kurzem eine gemeinsame Aktion gemacht.

Sind Sie der Meinung, dass Gericom in der Produktpalette optimal aufgestellt ist, oder glauben Sie, man müsste sie noch erweitern?

Oberlehner: Ich glaube schon, dass wir für unsere Zielgruppe mit den Produkten gut aufgestellt sind.

Stimmt es, dass Gericom die Einführung eines neuen Warenwirtschaftssystems beabsichtigt?

Oberlehner: Ja, wir hatten uns auch schon für einen Anbieter entschieden. Als dann aber Navision von Microsoft gekauft wurde, haben wir uns wieder umorientiert und sind jetzt mit Microsoft in Verhandlungen. Wir sind in diesem Microsoft-Umfeld fest zu Hause.

Gericom stand seit vergangenem Jahr einige Monate an der Spitze der deutschen Notebook-Charts. Glauben Sie ernsthaft, dass Sie noch einmal auf dem Siegertreppchen stehen werden?

Oberlehner: Wenn man super Produkte hat und alle Faktoren stimmen, hat man theoretisch eine Chance. Praktisch ist es unwahrscheinlich schwierig. Ich denke eher, dass wir im Home-Bereich durchaus die Chance haben, längerfristig die Nummer eins zu sein.

Gericom hat im Markt den Ruf einer "One-Man-Show". Was passiert, wenn Hermann Oberlehner heute gegen einen Baum fährt?

Oberlehner: Ich bin zwar 20 Tage im Monat unterwegs, aber ich mache ja nicht alles alleine. Die Firma funktioniert auch ohne mich. Mit Finanzen und Service habe ich zum Beispiel nichts zu tun. Aber es gibt bei Gericom einige Mitarbeiter, die eine besonders hohe Motivation zeigen. Diese Mitarbeiter unterstützen mich besonders in dem Bereich Design und in der Entwicklung neuer Produkte. Sie sind auch mit mir in Taiwan unterwegs. Meine Mitarbeiter und ich identifizieren sich sehr stark mit dem Unternehmen, und ich glaube, das macht unseren Erfolg aus. (bw)

www.gericom.com

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