"Diebstahl" und Blockade von Domains

24.02.2000
Das Schmarotzen an fremden Leistungen hat auch im Zeitalter der Elektronik nicht aufgehört. Im Gegenteil: Es hat viele neue Varianten dazubekommen. Zwei besonders unerfreuliche Erscheinungsformen, den "Diebstahl" ("Domain-Grabbing") und die Blockade von Domains, erörtert Hans-Ulrich Buckenberger*.

Donomains werden in gängigen Glossaren als eine gewisse Anzahl von Hosts (ein oder mehrere Rechner für mehrere Benutzer) definiert, die unter einem gemeinsamen Namen (Domain-Namen) zusammengefasst sind.

Die Domain kann man unter einer bestimmten Anschrift ansteuern, welche nach weltweit anerkannten Regeln gebildet wird. Beispiel: Ihr exemplarischer Name soll Heiner Schmitz sein. Sie betreiben Ihr Fachhandelsunternehmen unter der Firmierung "EDV-Schmitz". Es ist Ihr Wunsch, im Internet mit einer eigenen Homepage aufzutreten. Zudem möchten Sie und Ihre Mitarbeiter künftig einen Teil der Korrespondenz rationell per E-Mail erledigen. Ihr Dienstleistungspartner (Provider) rät Ihnen zu einer einprägsamen und leicht ansteuerbaren Adressierung, nämlich "edv-schmitz.de". Die sogenannte Top-Level-Domain unter dem Kürzel "de" steht für Deutschland, die Second-Level-Domain namens "edv-schmitz" praktischerweise für Ihr Unternehmen. Ihre Kunden sollen also Ihre Homepage im Internet unter folgender Adresse (URL) finden: www.edv-schmitz.de.

Der gleich mehrfache Ärger

Ihr Provider hat Sie mit seinem Vorschlag überzeugt und erhält als erstes den Auftrag, umgehend Ihre Domain bei der für Deutschland zuständigen Denic eG (Deutsches Network Information Center in Frankfurt; eine eingetragene Genossenschaft, keine Behörde) anzumelden. Schon nach einigen Tagen kommt Ihr Provider gleich mit zwei schlechten Nachrichten: "edv-schmitz.de" wurde durch Denic schon einem Informatikstudenten namens Josef Müller als Domain zugeteilt.

Ihr Konkurrent zwei Häuserblöcke weiter, die Firma Cyber-Krause, hat beim Denis die Domain "computer.de" zugewiesen bekommen und macht damit bereits landesweit florierende Geschäfte.

Doch damit nicht genug: Josef Müller wittert die einmalige Chance, endlich seinen knappen Monatswechsel aufzubessern, und bietet Ihnen auf Befragen "seine" Domain unverblümt für einen fünfstelligen Betrag zum Kauf an. Der Inhaber von Cyber-Krause lässt Ihnen wiederum bündig das bekannte Sprichwort: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" übermitteln. Zornig fragen Sie sich, ob Sie sich so viel Unverfrorenheit gefallen lassen müssen.

"Domain-Grabbing"

Betrachten wir zunächst den ersten Fall, das "Domain-Grabbing". Es gibt inzwischen dazu viele Varianten, die immer häufiger auch die Gerichte beschäftigen. Die dreistes-ten Zeitgenossen meinten in der Anfangszeit des Internet, ein besonders lukratives Geschäft dadurch machen zu können, dass sie gleich massenweise Domains auf sich eintragen ließen, welche bekannte Namen, Firmen oder Marken zum Bestandteil hatten. Geschädigt waren beispielsweise auch Gemeinden ("heidelberg.de"), Unternehmen ("krupp.de") oder Zeitschriften ("eltern.de"), die sich bei Gericht sodann erfolgreich zur Wehr setzten. Die offensichtlichs-ten Fälle des Missbrauchs filtert inzwischen schon Denic heraus. Allwissend ist diese Institution jedoch nicht, und man kann ihr auch nicht zumuten, bei jedem der zahlreichen Antragseingänge aufwendige Recherchen anzustellen. In vielen Fällen, so wie auch hier, bleibt dem Betroffenen nur eine Klage, in schwerwiegenden und eiligen Fällen auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, um den vorwitzigen Domain-Horter wieder zur Raison zu bringen. Aber wie am besten ?

In vielen Fällen hilft schon das Namensrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 12 BGB), selbst Städten wie Heidelberg oder Celle: Niemand braucht sich nämlich gefallen zu lassen, dass ein Dritter den fremden Namen unbefugt führt. Man kann also Unterlassung, gegebenenfalls sogar Schadenersatz verlangen. Dass allerdings bei der Verteidigung von "Allerweltsnamen" wie Schmitz Schwierigkeiten bestehen, liegt auf der Hand.

Hat ein Unternehmen seine Firma (also seinen Handelsnamen oder sein Unternehmenskennzeichen) im Sinne des Handelsgesetzbuches in das Handelsregister eintragen lassen, greift ein firmenrechtlicher Unterlassungsanspruch nach § 37 HGB ein. Im Beispielsfall kommt es also darauf an, ob das Unternehmen als EDV-Schmitz bereits handelsregisterlich eingetragen wurde, was in der Anlaufphase zu oft und zu lange zurückgestellt wird.

Hat der Verletzte sein Kennzeichen rechtzeitig als Marke (früher: "Warenzeichen") eintragen lassen, hilft oft auch das Markenrecht, und zwar nicht nur zur Abwehr gegen identische, sondern auch verwechslungsfähige Kennzeichen Dritter. Leider "sparen" oder vertagen häufig gerade junge Unternehmen die Investitionskosten für die Eintragung beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA). Gerade wenn jedoch solche Unternehmen raschen Erfolg am Markt erlangen, haben schon einige dieses Sparen am falschen Fleck bitter bereut, in unserem Beispielsfall auch EDV-Schmitz.

Ist der dreiste Domain-Inhaber Konkurrent des Verletzten, kann das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (insbesondere dessen §§ 1 und 3 UWG) weiterhelfen. Bei einem Studenten kann jedoch meist nur schwer begründet werden, dass er seine unlauter erlangte Position wenigstens in absehbarer Zeit (was man bei einem kommerziellen Unternehmen eher annehmen wird) wettbewerbsbezogen, und zwar behindernd (§ 1) oder irreführend (§ 3), ausnutzen wird.

Als letzter Rettungsanker bleibt häufig nur noch ein Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB). Der Schadenersatz kann hier durch Verzicht des Schädigers auf die unlauter erlangte Domain geleistet werden. Die raffiniertesten "Abzocker" treten allerdings nicht so naiv, unverblümt und damit auch angreifbar auf wie unser Student Josef Müller. Besonders findige Zeitgenossen geben nämlich vor, für einen guten Kunden ihres "Beratungsunternehmens" tätig geworden zu sein. Dies mag allenfalls bei einem professionellen Provider glaubwürdig sein (wobei die Frage bleibt, warum sich jener Kunde so leichtfertig in dessen Abhängigkeit begeben hat). Ansonsten scheint die Phantasie ertappter Domain-Grabber beim Erfinden von Ausreden noch keine Grenzen zu kennen. Das in unserem Beispiel von Cyber-Krause erzeugte Problem ist Folgendes: Hier wurde ein Gattungsbegriff verwendet, für den nach dem Markenrecht ein sogenanntes "Freihaltebedürfnis" besteht. Das Wort "Computer" soll jeder frei und unbehelligt gebrauchen dürfen. Daher würde dieser Begriff, jedenfalls ohne charakteristischen verbalen oder grafi- schen Zusatz, beim DPMA niemals als Marke eingetragen werden.

Blockade von Domains

Hier geht es indessen nicht um eine Marke. Allerdings helfen folgende, dem Markenrecht ähnliche Überlegungen, weiter: Wer eine Domain namens "computer.de" benutzt, zieht Internet-Surfer auf sich, die "auf gut Glück" eine Adresse mit diesem Bestandteil eingeben und dann zwangsläufig zu der entsprechenden Homepage gelangen. Jedenfalls hat so am 13. Juli 1999 das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg zur Domain "mitwohnzentrale.de" entschieden (Az.: 3 U 58/98). Die von dem Domain-Inhaber erzeugte Sogwirkung auf Kunden wurde als unzulässige Behinderung der Konkurrenten und damit als sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG qualifiziert.

Die Entscheidung ist stark umstritten (Findet wirklich eine wesentliche Umlenkung von Kunden statt?) und liegt dem Bundesgerichtshof (BGH) als Revision vor. Andererseits hat die Gemeinde der kommerziellen Internet-Teilnehmer ein Interesse daran, dass naheliegende Gattungsbegriffe von einem Anbieter nicht ohne unterscheidungsfähigen Zusatz (zum Beispiel "computer-huber.de") und damit für alle Mitbewerber blockierend verwendet werden. Man kann gespannt sein, wie Karlsruhe dies als letzte Instanz beurteilen wird.

Recherchen nach der Identität und den Absichten der eigentlichen Domain-Inhaber sind oft recht dornig. Immerhin bietet jedoch die Homepage von Denic - neben brauchbaren allgemeinen Hinweisen - den kostenlosen Service, über eine Datenbank den rechtlich sich verantwortlich erklärenden Domain-Inhaber abzufragen, und zwar mit voller Anschrift, gelegentlich sogar mit Telefon- und Fax-Verbindung. Wird man jedoch bei diesen Zeitgenossen vorstellig, kommt man sich gelegentlich wie im Märchenwald vor. Nach den aktuellen Erfahrungen des Verfassers gehören zu diesem Panoptikum: ein guter und weitblickender Patenonkel, der bereits heute für die wirtschaftliche Zukunft eines knapp zwei Monate alten Babys sorgt; ein ausgestiegener, in der Bretagne meditierender Ex-Student, der sich bis auf weiteres nicht zu der Entscheidung drängen lassen mag, was er mit seinen Vorratsdomains irgendwann anfangen soll. Weitere Kandidaten sind bereits in Sicht.

Letztlich muss in solchen Fällen der "Domain-Geschädigte" die schmerzliche Entscheidung treffen, ob er zu seiner Rechtsverteidigung weiteres Geld in ergänzende Recherchen zur Identität und zu den Aktivitäten der Stroh- und Hintermännern investieren will, bis hin zur Beauftragung eines Detektivbüros.

Einstweilige Bestandsaufnahme

Im Fall "Domain-Grabbing" wurde versäumt, rechtzeitig das Erforderliche zu tun. Wer nämlich geschäftlichen Erfolg hat oder sich auf dem Weg dorthin befindet, findet immer Neider und Trittbrettfahrer, gegen die er sich frühzeitig wappnen muss. Die Kosten für Registrierungen (Firma, Marke, Domain, Gebrauchsmuster und so weiter) mögen zwar insbesondere in der Startphase weh tun, sind jedoch lohnende Investitionen für die unternehmerische Zukunft. Nachträgliche "Reparaturversuche" bei Gericht sind dagegen risikoreich, zeitraubend und kostenträchtig.

Im Fall Domain-Blockade kann man dem Unternehmen, welches Gattungsbegriffe für seine Domain verwendet, einstweilen nur raten, dies nicht ohne deutlich unterscheidungsfähige Zusätze zu tun. Der blockierte Konkurrent sollte dagegen zumindest so lange nicht "klein beigeben", bis der BGH - hoffentlich eindeutig und bald - das letzte Wort gesprochen haben wird.

Bei zweifelhafter Identität sowie anrüchigen Absichten eines bei Denic ausgewiesenen Domain-Inhabers wird regelmäßig die Entscheidung unausweichlich, ob Geld in die Ermittlung der Hintergründe gesteckt werden soll, auch auf die Gefahr, dass das spätere Ergebnis den Aufwand nicht lohnen wird.

Wie bei allen Missständen wird auch hier bereits der Ruf nach dem Gesetzgeber laut. Entsprechende Appelle wurden bisher jedoch nicht erhört; man kann nämlich trefflich darüber streiten, ob wirklich alles, und dann meist überhastet, gesetzlich reglementiert werden muss. Daher sind auch Initiativen der Europäischen Union, der US-Regierung oder anderer internationaler Institutionen (namentlich die WIPO, eine weltweite Organisation zum Schutz geistigen Eigentums) bisher nicht recht weitergekommen. Spannend wird dieses Gebiet jedenfalls bleiben, und nicht nur für die Juristengilde aller Länder.

www.denic.de

*Hans-Ulrich Buckenberger ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei Dr. Von Hartmann + Partner in Hannover.

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