Buchführung aus der Steinzeit?

Disketten sind nicht ordnungswidrig

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Steuerprüfer können keine aufbereiteten Daten verlangen, wenn die Buchführungssoftware diese nicht erstellen oder speichern kann. Das hat das Finanzgericht Münster entschieden.

Disketten – gefühlt haben darauf schon die Dinosaurier ihre Daten gespeichert. Seit dieser technischen Steinzeit sind unter anderem die Steuervorschriften verändert worden. Die Abgabenordnung verpflichtet Unternehmen mittlerweile dazu, Steuerprüfern auf deren Verlangen "maschinell verwertbare Datenträger" zur Verfügung zu stellen.

Damit es die Finanzbehörden mit dem Prüfen möglichst einfach haben, muss das Datenmaterial auch IDEA- oder WinIDEA-fähig sein. Aber gilt das unter allen Umständen? Was ist, wenn eine Firma seine Buchführung immer noch mit Steinzeit-IT erledigt und Daten nur auf Disketten abspeichern kann? Dann kann das Finanzamt dem Unternehmen daraus keinen Strick drehen, wie aus einem Urteil des Finanzgerichtes Münster mit Aktenzeichen 13 K 3764/09 hervorgeht.

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand eine Kommanditgesellschaft, die ihre Buchführung seit vielen Jahren mit dem Programm Sage-KHK Classic Line (DOS) erledigt. Die Software funktioniert auf MS-DOS-Basis und ermöglicht Datenspeicherung auf 3,5 Zoll-Disketten, nicht aber mit CD-ROM oder DVD. WinIDEA- oder IDEA-fähige Daten können mit dem Programm nicht erstellt werden.

Das führte schon vor vielen Jahren zu Ärger mit dem Finanzamt, der bis heute andauert. Steuerprüfer forderten eine zeitgemäße Aufbereitung der Daten ein und erklärten die Buchführung für die Jahre 1998 bis 2004 für "formal nicht ordnungsgemäß". Ein bisschen kompliziert ist der Fall, weil diese Bewertung sich neben der alten Software auch auf andere Argumente stützt – beispielsweise wurden offenbar Kosten der privaten Lebensführung als Betriebsausgaben verbucht.

Es kam jedenfalls zu einer Steuerschätzung, einer Zahlungsweigerung und einem Dauerscharmützel. Wegen des Ärgers mit den Steuerprüfern machte das Unternehmen ab dem Jahr 2005 gar keine Steuererklärungen mehr, weshalb der Fast-Alleingesellschafter nun nachvollziehbaren Ärger mit der Steuerfahndung hat. Ein Strafverfahren läuft.

Erfolgreiche Feststellungsklage

In dieser Gemengelage verbuchte das Unternehmen nun vor dem Finanzgericht mit einer Feststellungsklage zum Datenmaterial für die Steuerprüfer einen Erfolg, der nach Einschätzung der Richter eventuell hilfreich auch für das Strafverfahren sein könnte, aber nicht muss. In jedem Fall konstatiert das Gericht: "Es wird festgestellt, dass die Buchführung der Klägerin nicht aus dem Grund als formal ordnungswidrig angesehen werden kann, dass das Programm Sage-KHK Classic Line verwendet wird."

Diese Beurteilung ist aufschlussreich auch für andere Firmen, die ihre Zahlen ebenfalls ausschließlich mit sehr alter Software verbuchen. Laut Abgabenordnung hat das Finanzamt bei Außenprüfungen das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu verwenden. Es kann dabei auch verlangen, dass die Daten nach seinen Vorgaben maschinell ausgewertet oder dass ihm die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Die Kosten dafür trägt der Steuerpflichtige.

Alles das hat aber tatsächlich seine Grenzen, wie die Münsteraner Richter feststellen. "Aus den zitierten Vorschriften ergibt sich […] lediglich, dass der Steuerpflichtige für diejenigen Datenverarbeitungssysteme, die er tatsächlich verwendet, die Einsicht und Prüfung gestatten muss und eine maschinelle Auswertung beziehungsweise einen maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung stellen muss", heißt es im Urteil. "Hingegen ergibt sich […] nicht, dass der Steuerpflichtige auch Datenverarbeitungssysteme, die er wegen des Alters des Programms nicht verwendet, oder Datenträger, die sein System nicht erstellen kann, zur Verfügung stellen müsste."

Abgabenordnung zwingt nicht zu neuer Software

Aus der Abgabenordnung ergebe sich außerdem nicht, dass ein Datenverarbeitungssystem eine CD-ROM erstellen können muss, so die Richter weiter. Auch nicht, dass Disketten nicht genügen oder dass die maschinelle Datenauswertung IDEA- oder WinIDEA-fähig sein muss, obwohl das Programm wegen seines Alters solche Daten nicht unterstützt. In derartigen Fällen können das Fehlen der angeforderten Daten oder Datenträger weder zu einer Ordnungswidrigkeit der Buchführung noch zu sonstigen Nachteilen führen. Jedenfalls dann nicht, wenn und soweit die geforderten Datenträger respektive Daten von dem verwendeten Buchführungsprogramm wegen seines Alters nicht hergestellt werden können.

Die Quintessenz dessen ist durchaus folgenreich. Denn offenbar sind Firmen nicht dazu gezwungen, ihre Buchführungs-IT auf einem technischen Stand zu erledigen, der den Anforderungen der Finanzverwaltung genügt. Das Finanzgericht stellt in seinem Urteil auch klar, dass sich seine Entscheidung nicht nur auf die Abgabenordnung stützt. Auch aus anderen Rechtsvorschriften, aus der Rechtsprechung, aus Verwaltungsauffassungen wie etwa Äußerungen des Bundesfinanzministeriums oder aus den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) ergebe sich keine andere Sichtweise als die in der Entscheidung vertretene. (tö)

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