Dokumentenmanagement verbessert Kundenservice

05.08.1998

MÜNCHEN: Bei der Organisation und Pflege von Betriebsdaten standen lange Zeit die EDV-Umstellung zum Jahr 2000 und die Einführung des Euro im Mittelpunkt aller Aktivitäten. Nachdem viele Unternehmen ihre diesbezüglichen Hausaufgaben erledigt haben, wenden sie sich jetzt neuen Projekten zu. Die lange Zeit vernachlässigten Dokumenten-management-Systeme gewinnen dabei an Bedeutung. Früher ausschließlich zur Datenarchivierung verwendet, werden sie künftig zu einem wichtigen Instrument zur Verbesserung der Kommunikation mit Kunden werden.Ein Genie beherrscht das Chaos!" Überträgt man diese Hypothese auf die firmeninterne Dokumentenverwaltung, waren offensichtlich viele Unternehmen lange Zeit von ihrer Genialität überzeugt. Dokumenten-Management-Systeme (DMS) fristeten bisher ein Schattendasein. Selbst die wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre, die vielfältige Maßnahmen zur Rationalisierung und Produktivitätssteigerung zur Folge hatten, konnten DMS-Lösungen nicht zum Durchbruch verhelfen. Schlagworte wie Leanmanagement, Automatisierung und Qualitätsma-nagement zielten in erster Linie auf Änderungen in der Produktion und der Unternehmensstruktur.

Daß Dokumentenmanagement-Systeme bislang ungenutzte Potentiale im administrativen Bereich freilegen, konnten Anbieter von DMS-Lösungen in der Vergangenheit nicht hinreichend vermitteln. Den Hauptgrund dafür sehen Marktanalysten in der Sichtweise, Dokumentenmanagement-Systeme könnten häufig nur als Insellösungen zum Einsatz kommen. Das soll sich jetzt ändern: Der verstärkte Einsatz von Groupware- und Workflow-Anwendungen und nicht zuletzt von Internet- und Intranet-

Architekturen integriert DMS heute umfassender in unternehmensweite Softwarekonzepte.

DMS erschließen neue Anwendungsfelder

Eine Umfrage unter 500 europäischen Anwendern ergab, daß die Tendenz, Dokumentenmanagement-Systeme ausschließlich als elektronisches Archiv einzusetzen, abnimmt. Nicht nur Verwaltung der internen Dokumente, sondern auch Verbesserung des Kundenservices ist für viele Unternehmen das Hauptmotiv für den Einsatz von Dokumentenmanagement-Lösungen. "Den meisten Menschen ist heute klar, daß das papierlose Büro eine Illusion ist. Deshalb nutzen Unternehmen Dokumentenmanagement auf der Basis digitaler Archive für die effiziente Kommunikation mit Kunden und Partnerunternehmen", faßt Paul Carman, Präsident des internationalen Handelsverbands der Dokumentenmanagement-Industrie (International Information Management Congress - IMC), den neuen Trend bei DMS zusammen.

Dokumentenmanagement: Basis für Electronic Business

Rory Staunton, Dokumentenmanagement-Analyst beim Marktforschungsinstitut Strategy Partners, geht noch einen Schritt weiter: "Dokumentenmanagement ist die Killerapplikation für das Internet schlechthin - das heißt, DMS gewinnt für Internet-Anwendungen mehr und mehr an Bedeutung." Eine Einschätzung, die Marktkrösus IBM teilt. Das wachsende Interesse von Unternehmen an Dokumentenmanagment-Lösungen ist nach IBM-Ansicht das entscheidende Indiz für den Eintritt ins E-Business. Denn DMS kann dazu beitragen, alle prozeßrelevanten Dokumente und Informationen im richtigen Kontext elektronisch verfügbar zu haben. Folgende Voraussetzungen sind nämlich für erfolgreiches E-Business unabdingbar:

- Alle prozeßrelevanten Papierdokumente sind als elektronische Bilder (Image-Dokumente) verfügbar.

- Alle Druckausgaben können in der Originalform mit hinterlegten Formularen abgerufen werden.

- Komplexere Geschäftsprozesse werden durch Workflow-Manager gesteuert.

- Der Anwender kann über seinen Browser transparent auf unterschiedliche heterogene Dokumentenbestände zugreifen.

- Alle Lösungen des Dokumentenmanagements verfügen über Brücken zum Internet und Intranet.

Optimismus auch beim Verband optischer Informationssysteme e. V. (VOI), seines Zeichens größte Fachvereinigung der deutschen DMS-Anbieter: "Man kann davon ausgehen, daß der Markt erst zu rund zehn Prozent gesättigt ist und der Anteil großer, lukrativer Lösungen erst vor uns liegt. Unternehmensberatungen wie Dr. Schardt Consilium beziffern den Umfang des deutschen Markts im gesamten DMS-Bereich auf zirka eine Milliarde Mark in diesem Jahr - allerdings ohne genau zu sagen, was in dieser Summe eingerechnet wird", beschreibt Ulrich Kampffmeyer, Vorstandsvorsitzender des VOI, die aktuelle Situation.

Informationen sind wichtigstes Unternehmensgut

Wissensmanagement" heißt das Schlagwort, das den neuen Trend kennzeichnet. Hintergrund ist nach Angaben des VOI die zunehmende Erkenntnis, daß der Inhalt von DMS-Lösungen, die gespeicherte Information, der wichtigste Wert eines Systems ist. Dieses Unternehmenswissen gilt es, mit neuen Strategien zu erschließen. Wissensmanagement ist dabei irgendwo zwischen Dokumentenmanagement, Data Warehousing, Expertensystemen und Suchmaschinen angesiedelt. Wenn Datenbanken und Data Warehouses herkömmliche

Daten erschließen und zusammenführen, so geht es beim Wissensmanagement um die inhaltliche Erschließung aller Art von strukturierten und unstrukturierten Informationen: von ASCII-Daten über das eingegangene Fax bis zur Multimediapräsentation.

Umbruch des DMS-Marktes ist in vollem Gange

Nach Ansicht des VOI ist der DMS-Markt nun ausgereift, zeigt alle Merkmale einer Konsolidierung: Übernahmen und Akquisitionen, Eintritt großer Softwareanbieter wie Microsoft und SAP in den Markt und Verschwinden kleinerer Softwarehersteller mit eigenen Produkten kennzeichnen die aktuelle Lage. Wurden Dokumentenmanagement-Systeme in der Vergangenheit als Nischenprodukte fast ausschließlich bei Großkonzernen eingesetzt, wenden sich neuentwickelte Lösungen jetzt auch ganz gezielt an mittelständische Unternehmen.

"Die Zeiten sind endgültig vorbei, in denen DV-gestützte Dokumentenmanagement-Systeme für den Mittelstand entweder zu teuer in der Anschaffung oder zu unterdimensioniert in der Softwareausstattung waren", bestätigt ein Firmensprecher der Andernacher SHD Datentechnik anläßlich der Vorstellung neuer DMS-Produkte auf der Cebit.

Als einer der führenden deutschen DMS-Anbieter betrachtet die Ser Systems AG die Marktentwicklung etwas differenzierter. Im Wettbewerb mit amerikanischen Anbietern haben laut Ser deutsche Unternehmen langfristig nur dann eine Chance, wenn sie in Deutschland spezielle Marktsegmente besetzen, rechtzeitig selbst an die Internationalisierung ihres Geschäfts denken und über eine ausreichende Installationsbasis verfügen. Nur so ist die aufwendige und langfristig bindende Investition in die Softwareentwicklung und -pflege gerechtfertigt. In Anbetracht des sich abzeichnenden Verdrängungswettbewerbs im Markt für Dokumentenmanagement müssen sich die deutschen Anbieter mit ihren Expansionsbestrebungen beeilen, da die Zahl guter Vertriebspartner, eingeführter Systemintegratoren und übernahmefähiger Wettbewerber in Deutschland wie auch im Ausland begrenzt ist.

Kompetente Systemintegratoren sind gefragt

Neue Vertriebs- und Integrationspartner zu gewinnen, ist nach Ansicht des VOI derzeit eine der wichtigsten Aufgaben der Produktanbieter. Kompetente Systemintegratoren, die vor Ort Projekte realisieren können, sind nach Ansicht des VOI kaum noch zu finden. Diese Spezialisten suchen sich inzwischen ihre Produkte nach harten Kriterien aus und sind auch bereit, die Treue zum erwählten Softwarelieferanten zu brechen, wenn sich ein anderes Programm besser für ein Kundenprojekt eignet oder die Unterstützung breiter ausfällt. Softwareanbietern mit den meisten und besten Systemintegratoren werden nach Einschätzung des VOI die besten Marktaussichten eingeräumt.

In den Dokumentenmanagement-Lösungen steckt ein großes Potential für Dienstleistungen aller Art. Bereits 1996 wurden 57 Prozent des Gesamtumsatzes auf dem europäischen Markt durch Systemanalyse- und

planung, Wartung und Support sowie die Implementierung von individuellen Kundenlösungen erzielt. Dieser Trend wird sich in Zukunft weiter verstärken. Insbesondere Systemintegratoren und VARs mit vertikalen Marktkenntnissen und -erfahrungen werden nach Meinung von Paul Carman vom IMC immer wichtiger.

DMS-Anbieter setzen auf Partnerkonzepte

Das prognostizierte Entwicklungspotential des DMS-Marktes erscheint auch den Anbietern von traditioneller Bürotechnik als lukrativ genug, wie das Engagement der Louis Leitz International GmbH zeigt. Um dem stetig wachsenden Anteil an digitalen Informationen Rechnung zu tragen, setzt Leitz neben dem Kerngeschäft - der traditionellen analogen Ablage - auch auf digitale Informationsverarbeitung und gründete deshalb Anfang 1997 die Digital Systems Division. Derzeit feilt man dort an einem umfangreichen Business-Partnerkonzept mit dem Ziel, ein flächendeckendes Vertriebsnetz im deutschsprachigen Raum aufzubauen. Erste Vertragsabschlüsse mit Business-Partnern, um den neuen elektronischen Leitz-Ordner ELOprofessional zu vermarkten, sind nach Aussage von Vertriebsleiter Ulrich Schmezer bereits realisiert - bis zum Jahresende sollen rund 210 Partnerschaften unter Dach und Fach sein. Das Leitz-Servicepaket umfaßt dabei das ELO-Vertriebstraining, die ELO-Produktschulung für Techniker und die ELO-Projektierung für Systemberater der Business-Partner. Teil des Pakets ist auch ein Online- Service, ein offenes Händlerforum im Internet, das über die autorisierten Händler beziehungsweise über die Modalitäten zur Händlerzulassung informiert.

"Partnerschaften sind im dynamisch wachsenden Markt für Dokumenten- management eine wichtige Voraussetzung, um langfristig wettbewerbs-fähig zu bleiben. Deshalb hat der Ausbau der Zusammenarbeit mit

Systemhäusern, Softwareanbietern, Dienstleistern und Distributoren für uns eine besondere Bedeutung", betonte Friedrich Wolf, Leiter von Kodak Business Imaging Systems Zentraleuropa, anläßlich der Cebit.

Basis des Kodak-Konzepts ist ein bundesweites Netz zertifizierter Servicebüros, sogenannte Document Imaging Center. Sie bieten kundenspezifische Dienstleistungen für die Aufzeichnung von Dokumenten an, egal ob auf elektronischen Speichermedien oder auf Mikrofilm. Darüber hinaus setzt Kodak auf die Zusammenarbeit mit renommierten Hard- und Softwareanbietern. Im Softwarebereich arbeitet Kodak beispielsweise mit Smart Storage und der iXOS Software AG zusammen, die Lösungen für die Kodak Jukebox anbieten.

Hoher Investitionsschutz durch 32-Bit-Technologie

Ebenfalls auf der diesjährigen Cebit präsentierte die Docunet AG aus Germering bei München ein komplett in 32-Bit-Technologie geschriebenes Grundmodul als Basis für ihre Produktfamilie DocuWare. Mit über 3000 DocuWare-Installationen zählt das Unternehmen zu den weltweit führenden Anbietern von DMS-Lösungen. Docunet-Vorstand Jürgen Biffar reagiert damit auf den zunehmenden Konkurrenzdruck:

"Für den aufwendigen Weg, die gesamte Funktionalität der Software in 32Bit neu zu programmieren, haben wir uns entschieden, um über technologische Grundlagen zu verfügen, die den Anforderungen der Zukunft gewachsen sind", erläutert der Docunet-Chef weiter.

Beim Vertrieb wendet er sich mit einem dreistufigen Partnerprogramm an Fachhändler, Systemhäuser und Unternehmensberater. Das Spektrum reicht dabei vom Tip-Geber über den DocuWare-Händler bis zum autorisierten DocuWare-Partner.

Während der Tip-Geber ausschließlich als Vermittler auftritt und eine Tip-Provision in Höhe von zehn Prozent des Jahresumsatzes erhält, fungiert der DocuWare-Händler als Verkäufer, der in allen Phasen des Geschäfts von Docunet oder einem autorisierten DokuWare-Partner unterstützt wird. Der Partner muß letztendlich nach den Vorstellungen von Docunet in der Lage sein, ein Projekt in allen Phasen eigenverantwortlich und kompetent zu betreuen. Die Zusammenarbeit ist vertraglich geregelt, Umsatzziele und Marketingaktivitäten werden abgestimmt. Über entsprechende Schulungen wird die notwendige Autorisierung sowohl für einen Produktmanager als auch für einen Systemtechniker nachgewiesen.

Um eine angemessene Marktabdeckung zu erreichen, soll die Zahl der autorisierten Docunet-Partner nach Aussage von Biffar von derzeit 60 auf rund 150 ausgebaut werden.

Auch Systemintegratoren organisieren sich

Daß es auch Partnerschaftskonzepte ohne feste Produktbindung gibt, demonstriert die Document Management Systems Group, zu der sich folgende vier führende Anbieter von Dokumentenmanagement-Systemen zusammengeschlossen haben: WMD Vertriebs GmbH aus Ahrensburg, Kühling Bürokommunikation aus Dortmund, Henrichsen & Partner aus Straubing und /K/I/K Hard- und Software GmbH aus Berlin.

Die DMS-Group versteht sich als Berater und Problemlöser im Bereich Dokumentenmanagement und Workflow. Mit derzeit rund 80 Vertriebspartnern verfügt die DMS-Group über ein bundesweit flächendeckendes Betreuungsnetz. Kern des Partnerschaftskonzepts ist ein internes und externes Schulungsprogramm. Dadurch soll nach dem Willen der Initiatoren neben einer kompetenten Hard- und Softwareberatung auch ein qualitativ hochstehender Rundumservice gewährleistet sein. Das Dienstleistungspaket beinhaltet unter anderem die Schulung von Administratoren und Anwendern, sowie die Betreuung über Hotline und Fernwartung. Bisher geht das Konzept auf, wie die Geschäftszahlen belegen: In den letzten drei Jahren konnte nach eigenen Angaben die DMS-Group eine kontinuierliche durchschnittliche Umsatzsteigerungsrate von 25 Prozent verbuchen.

Anwender fürchten sich vor hohen Investitionen

Die größte Hürde für eine schnellere Verbreitung von Dokumentenmanagement-Systemen sind die relativ hohen Einführungskosten, so das Ergebnis einer IMC-Umfrage. Daß diese Sichtweise häufig zu kurz greift, belegen Studien neutraler Institute. Demnach liegt die Armortisationszeit von elektronischen Archivsystemen in der Regel zwischen 12 und 24 Monaten. Weitere Untersuchungen ergaben, daß durch den Einsatz eines elektronischen Archivsystems jährlich rund 75 Prozent der Ablagekosten und fast 95 Prozent der Recherchekosten (Suchen/Wiederfinden abgelegter Daten) eingespart werden können.

Über das Fazit sind sich die Experten einig: Dokumentenmanagement ist heute kein Nischenmarkt mehr, sondern gehört zum Mainstream. Ein Verzicht auf den Einsatz dieser Technologie wird mittelfristig zum Verlust von Wettbewerbsvorteilen bei den betroffenen Unternehmen führen. (sd)

Docunet-Vorstand Jürgen Biffar: "Die Einführung eines elektronischen Archivs ist leicht zu bewältigen und der "return on investment" ist schnell erreicht."

Ulrich Schmezer, Vertriebsleiter der Louis Leitz Digital Office GmbH, möchte mit drei Produkten drei verschiedene Zielgruppen ansprechen: Während ELOhome und ELOoffice für den SOHO-Bereich über alle Handelskanäle vertrieben werden, gibt es ELOprofessional für Unternehmen nur bei autorisierten Systemhäusern und VARs.

Der neue Leitz-Ordner: nicht mehr schwarz und verstaubt,

sondern bunt und elektronisch.

Die schnellen Armortisationszeiten von elektronischen Archivlösungen werden von vielen Unternehmen unterschätzt.

Ulrich Kampffmeyer, Vorstandsvorsitzender des VOI, glaubt, daß die Nachfrage nach Produkten zur elektronischen Archivierung von den kleinen Anbietern befriedigt werden kann. Auf diesen sicheren Backbone setzen dann die großen Produktlösungen wie Workflow oder Enterprise-Dokumentenmanagement auf.

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