Dr. Neuhaus: Die Umsätze sind im freien Fall, die Verluste explodieren

30.05.1997
MüNCHEN: Dr. Gottfried Neuhaus galt lange Zeit als deutscher Vorzeigeunternehmer. In Sonntagsreden bauchpinselten Politiker den Hamburger als leuchtendes Beispiel. Der Aufstieg des Self-made-Entrepreneurs fand im Oktober ein jähes Ende, als ihm der französische Eigner Sagem den Stuhl vor die Chefzimmertür stellte. Heute ist klar, warum: Die Dr. Neuhaus Computer KGaA ist tief in die roten Zahlen gerutscht.Die Qualität, die aus Rostock kommt, ist hervorragend. Hier setzen wir kostenmäßig selbst gegenüber asiatischen Herstellern Maßstäbe. Rostock ist der Beweis, daß High-Tech-Produkte aus Deutschland langfristig erfolgreich sein können." So lobte Dr. Gottfried Neuhaus noch im August letzten Jahres seine Fertigungstochter Dr. Neuhaus Telekommunikation GmbH in Mecklenburg-Vorpommern. Mit der Qualität mag der Hamburger recht gehabt haben. Der langfristige Erfolg ist allerdings ausgeblieben - zumindest, was seine Produkte angeht. Während der Modem-Hersteller 1995 noch mehr als 75 Millionen Mark Umsatz und einen hauchdünnen Gewinn von 169.000 Mark erzielte, ging im letzten Jahr so ziemlich alles schief, was schief gehen kann.

MüNCHEN: Dr. Gottfried Neuhaus galt lange Zeit als deutscher Vorzeigeunternehmer. In Sonntagsreden bauchpinselten Politiker den Hamburger als leuchtendes Beispiel. Der Aufstieg des Self-made-Entrepreneurs fand im Oktober ein jähes Ende, als ihm der französische Eigner Sagem den Stuhl vor die Chefzimmertür stellte. Heute ist klar, warum: Die Dr. Neuhaus Computer KGaA ist tief in die roten Zahlen gerutscht.Die Qualität, die aus Rostock kommt, ist hervorragend. Hier setzen wir kostenmäßig selbst gegenüber asiatischen Herstellern Maßstäbe. Rostock ist der Beweis, daß High-Tech-Produkte aus Deutschland langfristig erfolgreich sein können." So lobte Dr. Gottfried Neuhaus noch im August letzten Jahres seine Fertigungstochter Dr. Neuhaus Telekommunikation GmbH in Mecklenburg-Vorpommern. Mit der Qualität mag der Hamburger recht gehabt haben. Der langfristige Erfolg ist allerdings ausgeblieben - zumindest, was seine Produkte angeht. Während der Modem-Hersteller 1995 noch mehr als 75 Millionen Mark Umsatz und einen hauchdünnen Gewinn von 169.000 Mark erzielte, ging im letzten Jahr so ziemlich alles schief, was schief gehen kann.

Mit 28.8-Modems auf das falsche Pferd gesetzt

Mit einem Umsatz von knapp 51,5 Millionen Mark - das ist nicht mal die Hälfte dessen, was geplant war - und Verlusten von 16 Millionen Mark, war das Geschäftsjahr 1996 "katastrophal", wie die KGaA vor kurzem in einem Brief an seine Aktionäre selber eingestand. Das Schreiben führt auch gleich die Gründe für die Malaise auf:

- Zulieferprobleme für die 28.8-Technologie im ersten Halbjahr 1996

- Markteinbruch der Modems mit der 28.8-Technologie im dritten Quartal 1996, da die 33.6-Technologie eingeführt wurde und die 56.0-Technologie bereits angekündigt wurde

- feste Aufträge der Großabnehmer wurden storniert

- gelieferte Ware wurde von den Großabnehmern zurückgeschickt

- Markteinbruch für die MODACOM-Produkte

- OEM-Verträge wurden nicht erneuert.

Damit nicht genug: "Außerdem wurde der Markteinbruch der Modems mit der 28.8-Technologie nicht hinreichend in der Planung berücksichtigt, so daß der Lagerbestand an Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, an unfertigen und an fertigen Produkten kontinuierlich anstieg, zumal das Material auf erwartete Aufträge eingekauft wurde." Branchenkenner werden sich angesichts dieser Hiobsbotschaften an den Telekommunikationshersteller Hagenuk erinnert fühlen, der vor einigen Jahren mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte.

Firmengründer mußte gehen

Für Neuhaus' Geschäftsführung bedeutet die Horrorliste eine schallende Ohrfeige: Hier wurden krasse Managementfehler begangen, technologische Entwicklungen verschlafen und am Markt vorbei produziert. Die Reaktion des französischen Eigners ließ denn auch nicht lange auf sich warten: Gottfried Neuhaus wurde im vergangenen Herbst vom Geschäftsführer zum SAT-Vertriebsdirektor "befördert". Inzwischen gehört er dem Unternehmen nicht mehr an.

Die Geschäftsführung haben zwei Sagem-Manager übernommen: Marc Mathieu und Karl Gladen. Sie versuchen momentan zu retten, was zu retten ist. Im Klartext heißt das: Lagerbestand und Betriebskosten reduzieren, Mitarbeiter entlassen. Noch ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. "Der Aufschwung im Vertrieb ist noch nicht erkennbar und daher ist auch der Erfolg noch nicht sicher", heißt es im Brief an die Aktionäre.

In der Tat muß sich die Sagem-Gruppe beeilen, daß ihr ihr Adoptivkind nicht unter den Händen wegstirbt. Um Zeit und finanziellen Spielraum für weitere Rettungsmaßnahmen zu gewinnen, greifen die Doktores zu einschneidenden Maßnahmen: Um die Überschuldung der Rostocker Tochtergesellschaft zu vermeiden, hat die Mutter bereits im Oktober 1996 und einen Forderungsverzicht von zwölf Millionen Mark ausgesprochen. Nach diesem Tritt auf die Notbremse blieb vom Eigenkapital der Dr. Neuhaus Computer KGaA nichts mehr übrig. Jetzt versucht das Unternehmen, sich wenigstens einen Teil des Geldes zurückzuholen - und zwar bei den Aktionären: Ihnen wurde auf der Hauptversammlung am 15 . Mai eine Herabsetzung des Kapitals von drei Millionen auf Null vorgeschlagen. Anschließend soll das Kapital durch Ausgabe neuer Aktien wieder auf 300.000 Mark heraufgesetzt werden. Kapitalschnitt nennt das der Börsianer.

Kleinanleger wehren sich gegen Kapitalschnitt

Die wollen sich auf unsere Kosten sanieren. Die Aktien sind dann nichts mehr wert", empört sich Dirk Unrau, der als Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz die Interessen der Kleinanleger vertritt. Die wollen bei dem Manöver nicht mitmachen. Zwar halten sie als Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht nur wenige Prozent der Anteile, fühlen sich aber hinters Licht geführt. "Das kam alles völlig überraschend. Die Probleme waren doch schon im ersten Quartal des Jahres offensichtlich. Doch niemand hat etwas gesagt", ärgert sich Unrau. Der Rechtsanwalt prüft daher eine Anfechtungs- und Aufklärungsklage gegen den Kapitalschnitt. Unrau glaubt, die Klage hätte aufschiebende Wirkung, die Beschlußfassung der Hauptversammlung wäre dann nicht wirksam. Zumindest wollen die Kleinanleger abgefunden werden.

So oder so, überall dringt Wasser ins Schiff, und einen Rechtsstreit können sich Mathieu und Gladen in dieser Situation am wenigsten leisten. Wie wenig der Modemhersteller in dieser Zeit -verständlicherweise - das Licht der Öffentlichkeit sucht, wird auch an der WWW-Homepage der Neuhaus-GmbH offenbar: Noch immer lächelt Gottfried Neuhaus' Konterfei vom Monitor herab und verkündet die frohe Botschaft "Dr. Neuhaus Telekommunikation weiter auf Erfolgskurs". Virtueller kann ein Geschäftsführer wahrlich nicht werden. (ld)

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