Draft-N unter der Lupe

17.08.2006
Obwohl die Verabschiedung des WLAN-Standards 802.11n auf sich warten lässt, gibt es bereits eine ganze Reihe sogenannter "Draft-N"-Produkte. Unsere Schwesterpublikation "Network World" hat die wichtigsten getestet.

Von Dr. Thomas Hafen

Zwei Jahre nachdem die ersten MIMO-fähigen WLAN-Produkte (Multiple Input Multiple Output) auf den Markt kamen, steht nun eine ganze Reihe von sogenannten "Draft-N"-Geräten zur Verfügung. Diese sind mehr oder weniger konform zum aktuellen Entwurf des IEEE-Standards 802.11n, der bis zu 600 Mbit/s Bruttodatenrate ermöglichen soll. Die Verabschiedung des Standards war ursprünglich für Mitte 2007 terminiert, scheint sich nun aber auf 2008 zu verschieben.

Trotz der Unsicherheit, wie der Standard endgültig aussehen wird, bringen die Hersteller ständig neue Geräte auf den Markt, die zumindest in homogenen Umgebungen, in denen Router und Notebook- oder PC-Karte vom selben Hersteller sind, deutlich höhere Bandbreiten versprechen, als sie 802.11g liefern kann.

Unsere Schwesterpublikation "Network World" hat das aktuelle Produktangebot unter die Lupe genommen und auf Leistung, aber auch auf Bedienbarkeit und Funktionsumfang getestet. Insgesamt kamen sechs Hersteller der Bitte um Testgeräte nach: Asus, Belkin, Buffalo, D-Link, Linksys und Netgear. Sie sandten insgesamt neun Router-/Karte-Kombinationen ein. Nicht alle Geräte sind allerdings auch auf dem deutschen Markt erhältlich. So ist beispielsweise das Buffalo-240-System (WZR-G240 und WLI-CB-G240) hierzulande nicht verfügbar.

Bluesocket, dessen BSAP-1700-System die Network-World-Redaktion ebenfalls angefordert hatte, lieferte keine Testmuster. SMC Networks blieb unberücksichtigt, da die Redakteure zum Zeitpunkt des Tests noch nicht wussten, dass SMC MIMO-fähige Geräte herstellt. Das Belkin-System wies außerdem einen Fehler auf, der sich während der Testzeit nicht beheben ließ Es konnte deshalb bei den Tests nicht berücksichtigt werden.

Testumgebung

Die Testredaktion nutzte Air-Magnet-Equipment (Sensor A5120, Enterprise 7,0 und Spectrum Analyzer), um die beste Übertragungsfrequenz für den Test zu finden. Um Positionseinflüsse auf das Testergebnis zu minimieren, wurde das Notebook mit der WLAN-Karte auf einem Drehteller positioniert, der sich mit einer Umdrehung pro Minute bewegte. Das Energiemanagement der Geräte war ausgeschaltet, sodass dieselbe Leistung wie beim Netzbetrieb zur Verfügung stand. Die Redaktion führte sowohl Leistungstests in Abhängigkeit von der Reichweite als auch Interoperabilitätstests durch.

Für den Test des maximalen Durchsatzes kamen ein Panasonic-Toughbook CF-74 und ein HP-Compaq-Nx6125 zum Einsatz, die beide mit dem WLAN-Router verbunden waren. Zwei Rechner waren für den Test nötig, da der über eine MIMO-Verbindung erreichbare Durchsatz die Bandbreite einer Fast-Ethernet-Verbindung übersteigen kann.

Das Notebook mit der WLAN-Karte befand sich in zirka sieben Metern (22 feet) beziehungsweise 27 Metern (81 feet) Entfernung. Beim Test über die kürzere Distanz standen alle Geräte im selben Raum, beim Test über die größere Distanz bestand keine direkte Sichtverbindung. Zur Messung des Durchsatzes setzten die Tester das Tool "Iperf" ein. Der WLAN-Verkehr wurde über Wi-Fi-Protected Access 2 (WPA 2) mit AES-Verschlüsselung (Advanced Encryption Standard) abgesichert.

Für den Test der Interoperabilität wurde der Durchsatz über die kurze Distanz (sieben Meter) in heterogenen Umgebungen gemessen.

Leistung

Beim Test in einer homogenen Umgebung (Router und Karte stammen vom selben Hersteller und aus derselben Produktfamilie) erzielten Systeme von Asus, Buffalo und Netgear die höchsten Durchsatzraten. Sie sind alle schon eine Weile auf dem Markt und basieren auf dem MIMO-Chipsatz von Airgo Networks. Von den neueren Geräten konnte vor allem die Linksys-Kombination überzeugen.

Seltsames maßen die Tester bei der Netgear-Kombination WNR-854T/WN511T, die mit einem Chipsatz von Marvell ausgerüstet ist. Dieser erzielte im Upstream (vom Access Point zum Client) rekordverdächtige 120 Mbit/s, im Downstream aber nur 18 Mbit/s, eine für 802.11g übliche Datenrate. Das Phänomen ließ sich auch im Gespräch mit dem Chipsatzhersteller nicht aufklären.

Interoperabilität

Derzeit gibt es keinen von der Wi-Fi-Alliance entwickelten Interoperabilitätstest für den 802.11n-Draft. Deshalb waren die Erwartungen an die Zusammenarbeit von Geräten verschiedener Hersteller relativ niedrig. Einige Produktkombinationen ließen sich nur schwer verbinden. Alle Probleme gingen auf Inkompatibilität bei den Sicherheitseinstellungen (WPA 2) zurück.

Kam eine Verbindung zustande, lag der Durchsatz typischerweise im Bereich von 20 Mbit/s, einer Bandbreite, die Nutzer von 802.11g-Geräten gewohnt sind. Besonders gut klappte die Zusammenarbeit bei Geräten, die auf demselben Chipsatz beruhen.

Andere Bewertungskriterien

Die Leistung der Geräte floss zu 40 Prozent in die Gesamtnote ein. Die Tester werteten auch Konfigurationsmöglichkeiten und -komfort, zusätzliche Funktionen, Management, Benutzerführung, Setup und Dokumentation. So bemängelten die Tester beispielsweise bei den Asus-Geräten die zum Teil verwirrenden Meldungen während des Installationsprozesses. Die beiden Netgear-Systeme WNR-834B und -845T sehen sich sehr ähnlich und sind außerdem ähnlich verpackt, sodass Verwechslungsgefahr besteht. Wer hier nicht aufpasst und die falsche Kombination aus Router und Karte wählt, verschenkt Leistung, so die Tester.

Bei D-Link und Linksys lobten die Redakteure vor allem die guten Handbücher, Buffalo konnte mit einer automatischen Suche nach Firmware-Updates punkten. Den Testern missfiel beim Buffalo-Router WZR-G300N allerdings, dass einige der Status-Lämpchen auf der Vorderseite, andere auf der Rückseite des Geräts positioniert sind. Dies mache eine vernünftige Platzierung des Gerätes schwierig.

Fazit

Mit 40 bis fast 100 Mbit/s Nettodatenrate boten die Draft-N-Geräte deutlich mehr Bandbreite als 802.11g-Systeme, bei denen der für Applikationen nutzbare Durchsatz bei 20 bis 30 Mbit/s liegt. Über größere Entfernungen hinweg waren die Vorteile der MIMO-Systeme noch deutlicher. Hier sinkt der Durchsatz in 802.11g-Umgebungen oft auf wenige Mbit/s.

Aufgrund der Interoperabilitätsprobleme sind Draft-N-Instal- lationen derzeit allerdings nur in den Fällen zu empfehlen, in denen alle im WLAN eingesetz- ten Geräte aus derselben Produktfamilie stammen oder wenigs- tens auf demselben Chipsatz beruhen.

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